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Händel-Festspiele 2015 in Halle (Saale)30.05.2015 - 14.06.2015 Heroes from the Shadows
Musikalische Leitung und Solistin: Nathalie Stutzmann Aufführungsdauer: ca. 2 h 10' (eine Pause) Aufführung in der Konzerthalle Ulrichskirche am 6. Juni 2015 |
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Vom Schatten ins Licht Von Thomas Molke / Foto von Foto Reese Dass eine Frau am Dirigentenpult steht, ist auch heute noch eine Seltenheit. Dass sie dabei gleichzeitig auch noch erstklassige Altistin ist, die beim eigenen Gesang in der Lage ist, ein Orchester zu leiten, dürfte sogar als einzigartig bezeichnet werden. Nathalie Stutzmann hat in ihrer Karriere als Altistin nicht nur in den großen Altpartien bei Händel, Gluck und Wagner Erfolge feiern, sondern auch 2009 ihr eigenes Kammerorchester, Orfeo 55, gründen können, das sich mit einem Repertoire von Barock bis hin zu Schönberg innerhalb von nur vier Jahren an die Spitze der klassischen Musikszene gespielt hat. Nun tourt Stutzmann mit dem Programm Heroes from the Shadows durch Europa, in dem sie Arien aus Händels Opern in den Mittelpunkt stellt, die nicht für den jeweiligen primo uomo oder die Starsopranistin komponiert wurden, aber dennoch als musikalische Höhepunkte der jeweiligen Werke betrachtet werden können. Das Programm ist auch bereits im letzten Jahr auf CD (Erato/Warner Classics) erschienen und nun im Rahmen der Händel-Festspiele in der Konzerthalle Ulrichskirche zu erleben. Nathalie Stutzmann und Orfeo 55 Wie im Festkonzert mit Philippe Jaroussky zwei Tage zuvor versucht Stutzmann, die einzelnen Arien mit Sinfonien und Ouvertüren aus Händels Opern und Auszügen aus den Concerti grossi zu einer Einheit zu verweben, was ihr allerdings nicht immer gelingt, da das Publikum von ihrer Präsentation so begeistert ist, dass es sich nicht vom Zwischenapplaus abhalten lässt. Stutzmann beginnt da, wo sie vor zwei Tagen mit der dritten Zugabe beim Festkonzert mit Jaroussky aufgehört hat: Giulio Cesare in Egitto. Nach der Ouvertüre und der Sinfonia aus dem 3. Akt der Oper Poro, Re dell'Indie singt sie die Arie der Cornelia aus dem dritten Akt, die Händel ursprünglich für Cornelias Sohn Sesto komponiert hatte, sie bei der Wiederaufnahme 1730 allerdings der neuen Besetzung anpassen musste und deshalb Sestos Mutter zuwies. Wer hier letztendlich Rache für die Ermordung des im Bürgerkrieg unterlegenen Pompeo fordert, Mutter oder Sohn, ist letztendlich auch egal. Wie schon beim großen Duett mit Jaroussky, "Son nata a lagrimar", begeistert Stutzmann durch samtige Tiefe. Noch eindrucksvoller gelingt ihr die Arie des Alceste aus der Oper Arianna in Creta. Die von dem Athener Alceste geliebte Carilda soll dem Minotaurus geopfert werden. Während Alceste eine Lösung sucht, die Geliebte zu retten, hat Carilda nur Augen für den Helden Teseo. Mit tiefer Melancholie bringt Stutzmann in der Gleichnisarie "Son qual stanco pellegrino" die Leiden Alcestes darüber zum Ausdruck, dass er wie ein müder Pilger versucht, den richtigen Weg zu finden. An dieser Stelle ist das Publikum erstmals so ergriffen, dass es sich nicht vom Zwischenapplaus abhalten lässt. Großartig gelingt ihr auch die Arie des Dardano, "Pene tiranna", aus der Oper Amadigi di Gaula, die in ihrer Struktur Erinnerungen an das berühmte "Lascia ch'io pianga" weckt. Auch hier findet Stutzmann zu einer bewegenden Tiefe. Nach der Pause folgt die Arie der Zenobia aus der Oper Radamisto, die vor allem durch ihre interessante Orchestrierung aufhorchen lässt. Statt eines Cembalos erfolgt die Begleitung hierbei nämlich durch die Orgel, was dem Stück einen leicht sakralen Klang verleiht. In "Voi ch'udite il mio lamento", der Arie des Ottone aus der Oper Agrippina, lässt Stutzmann mit bewegender Interpretation die Trauer Ottone spürbar werden, der nicht nur den Thronanspruch, sondern auch seine Geliebte Poppea an Aggripinas Sohn Nerone zu verlieren droht. Eine gleiche Innigkeit gelingt ihr bei der Arie des Arsamene aus der Oper Serse, der fürchtet, seine Geliebte Romilda an den Bruder Serse zu verlieren. Mit der Arie von Alessandros Hauptmann Cleone, "Sarò qual vento" aus der Oper Alessandro beschließt Stutzmann den Abend und stellt zum Abschluss unter Beweis, dass sie sich auch mit flexibler Stimme durch schnelle Läufe bewegen kann. Das Kammerorchester Orfeo 55 zeigt sich mit seinem eindringlichen Spiel als kongenialer Partner, so dass es insgesamt vier Zugaben gibt, bevor sich Stutzmann und das Orchester schließlich vom begeisterten Publikum verabschieden. Die beiden Arien, die Stutzmann dabei als Zugaben präsentiert, "Dover, giustizia, amor" (Polinesso, 3. Akt) aus Ariodante und "Senti, bell'idol mio (Claudio, 1. Akt) aus Lucio Cornelio Silla, sind ebenfalls auf der CD enthalten. In letzterer Arie ist vor allem das intensive Zusammenspiel zwischen Stutzmanns Gesang und der Theorbe erwähnenswert. FAZIT Nathalie Stutzmann und dem Kammerorchester Orfeo 55 gelingt es, mit einer bewegenden Interpretation das Augenmerk auf Arien zu legen, die nicht für die Titelfigur oder die Primadonna komponiert wurden, und somit die verborgenen Helden der Oper aus dem Schatten ins Licht zu holen. Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2015 in Halle
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AusführendeNathalie Stutzmann, Alt und Musikalische Leitung Orfeo 55 Werke
Georg Friedrich Händel
Sinfonia Akt III
"L'aure che spira"
Sinfonia Akt III
Larghetto
"Son qual stanco pellegrino"
Allegro
Sinfonia Akt III aus der Oper Orlando
"Pene tiranna"
Allegro
aus Sinfonia B-Dur
Sinfonia Akt III
aus der Oper Partenope
"Son contenta di morire"
"Voi ch'udite il mio lamento"
Adagio - Allegro ma non troppo - Allegro
"Non so se sia la speme"
Allegro
"Sarò qual vento"
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