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Von Dickschädeln und HitzköpfenVon Thomas Molke / Fotos © Ralf Pauli
Isabella (Yvonne Steiner, Mitte) stört das vermeintliche Rendezvous zwischen Federico (Manuel Ried) und Eugenia (El žběta Laabs, links).Den Anfang macht die Opéra buffa Furberia e puntiglio von Marcello Bernardini, wobei Vladar in der Übersetzung die Eigenschaften (furberia = Gerissenheit, Schläue und puntiglio = Starrsinn) zu "Schlaukopf und Dickschädel" personifiziert, wahrscheinlich um sie parallel zum Titel des zweiten Einakters (La testa riscaldata = das erhitzte Gemüt oder eben "Der Hitzkopf") zu setzen. Von Bernardini weiß man nur sehr wenig. Wahrscheinlich war er der Sohn des Komponisten Rinaldo da Capua, dessen Posten als Kappellmeister er in Rom übernahm. Obwohl er nicht nur zahlreiche Opern komponierte, teilweise dazu sogar selbst die Texte verfasste, und seine Werke auch außerhalb Italiens aufgeführt wurden, sind bis heute nur 13 Opern und zwei Kantaten in den Archiven erhalten. Furberia e puntiglio erzählt die Geschichte des starrsinnigen Kaufmanns Guglielmo, der den adeligen, aber mittellosen Offizier Federico nach einer Kriegsverletzung in seinem Haus aufgenommen hat. Dieser verliebt sich natürlich in Guglielmos schöne Tochter Isabella, die weiß, dass ihr Vater dieser Beziehung niemals seinen Segen geben wird, und sich deshalb eine List ausdenkt. So erzählt sie dem Vater, dass Federico heimlich in die Bankierstochter Eugenia verliebt ist, ihr Vater Bainer die Verbindung aber ablehnt. Da Guglielmo den Bankier als Emporkömmling nicht leiden kann, rät er Federico, das geliebte Mädchen auch gegen den Willen des Vaters zu ehelichen, und gibt ihm sogar das nötige Geld für den Notar. Auch der Tochter gegenüber bestätigt er, dass man in diesem Fall gegen den Willen des Vaters handeln solle. Als er dann erfährt, dass Federico Isabella geheiratet hat, ist er zwar zunächst zornig, lässt sich aber schnell von seiner Tochter und dem Ausblick auf ersehnte Enkelkinder besänftigen. Guglielmo (Stephan Hönig, Mitte) und Simoncino (Joachim Herrmann, links) trösten die enttäuschte Eugenia (Elžběta Laabs). Die Regie hat bei diesem Einakter Michael Hoffmann übernommen, der der Neuburger Kammeroper seit über 20 Jahren als Buffo-Bariton verbunden ist und 2013 hier sein Regie-Debüt mit Adolphe Adams So ein Glück! gab. In einem fantasievollen Bühnenbild von Michele Lorenzini, das mit interessant gemusterten Bühnenwänden und einigen antik anmutenden Requisiten ein Zimmer in Guglielmos Haus darstellt, führt Hoffmann die Solisten in entzückenden Kostümen und einer punktgenauen Personenregie durch den witzigen Einakter. Joachim Herrmann schlurft als leicht verwirrter Diener Simoncino mit großem Spielwitz über die Bühne und erntet einige Lacher, wenn er sich vor seinem Herrn auf die Knie begibt und das in Aussicht gestellte Enkelkind mimt. Stephan Hönig stattet den Kaufmann Guglielmo mit leicht überheblichem Starrsinn aus und punktet auch stimmlich mit solidem Volumen. Einen szenischen Höhepunkt dürfte das Gespräch zwischen den beiden Vätern mit Horst Vladar als Bankier Bainer darstellen. Nachdem Vladar zunächst einige despektierliche Sätze von sich gibt, die aus dem Mund eines Bankiers auch heute noch erschreckend aktuell klingen, kommen die beiden sehr schnell zum eigentlichen Anlass ihres Gespräches. Während Hönig wortreich versucht, die Qualitäten des jungen Offiziers zu preisen, stellt Vladar immer nur kurz und knapp eine Frage: "Ist er reich?" Als er darauf keine Antwort erhält, ist das Thema für ihn erledigt. Manuel Ried mimt den nicht ganz so entschlussfreudigen jungen Offizier Federico mit bewegtem Spiel und macht auch optisch glaubhaft, dass sich Ambrosina in diesen jungen Mann verliebt hat und Eugenia sich im siebten Himmel wähnt, als ihr vorgegaukelt wird, dass dieser schmucke Offizier sie liebe. Elžběta Laabs begeistert als Eugenia mit weichem Mezzo und differenziertem Spiel. Zunächst gibt sie sich absolut bieder und leicht begriffsstutzig. Als sie aber glaubt, von dem jungen Offizier geliebt zu werden, entwickelt sie auf der Bühne eine regelrechte Leidenschaft. Man kann schon fast Mitleid mit ihr bekommen, weil ihr eigentlich recht übel mitgespielt wird, aber auch dafür hat Hoffmann in seinem Regie-Konzept vorgesorgt. So deutet er an, dass sich Eugenia am Ende dem Kaufmann selbst zuwenden wird. Ob der Bankier damit einverstanden sein wird, bleibt abzuwarten. Star des ersten Einakters ist stimmlich und darstellerisch Yvonne Steiner als Isabella. Mit großem Spielwitz mimt sie die kesse Kaufmannstochter, der man die Gerissenheit in jedem Moment abnimmt. Großes komödiantisches Talent zeigt sie, wenn sie mit ständigen Husten- und Niesanfällen das Rendezvous zwischen ihrem Geliebten und Eugenia zu stören versucht. Dabei punktet sie außerdem mit glasklaren Koloraturen und einer enormen Textverständlichkeit in den Höhen. Canziano (Michael Hoffmann, rechts) gibt Brodolungo (Joachim Herrmann, links) Fechtunterricht. Der zweite Einakter La testa riscaldata stammt von Ferdinando Paër , der nicht ganz so unbekannt sein dürfte wie Bernardini, übte er doch als typischer Künstler der Übergangszeit von der Klassik zur Romantik einen großen Einfluss auf die folgende Komponisten-Generation aus. Dennoch sind auch seine Werke heute nahezu vollständig von den Spielplänen verschwunden. La testa riscaldata handelt von dem Gemüsehändler Brodolungo, der sich einbildet, aus altem Adel zu stammen, und deshalb darauf hinarbeitet, erneut ein Adelsdiplom zu erwerben. Daher will er auch seine beiden Töchter Ambrosina und Felicita von nicht standesgemäßen Freiern fernhalten. Die beiden haben allerdings längst ihre Liebhaber und hecken mit ihnen einen Plan aus. Nachdem Ambrosinas Geliebter Canziano zunächst als Tanzlehrer und dann als Fechtmeister Fioretto aufgetreten ist und Brodolungo unter dem Vorwand schikaniert hat, ihn auf seine adeligen Pflichten vorbereiten zu wollen, gelingt es Felicita die Dukaten aus dem Tresor zu stehlen, die Brodolungo für den Erwerb seines Adeldiploms zurückgelegt hat. Nun treten Canziano und Felicitas Geliebter Ernesto als Grafen "Ruinato" und "Bankrotto" auf und bitten Brodolungo um Rat, wie sie ihren verlorenen Adelstitel zurückerlangen können. Als er ihnen rät, sich mit Dukaten ein neues Adelsdiplom zu kaufen, übereichen sie ihm vertrauensvoll sein eigenes Geld, das ihnen Felicita mittlerweile zugesteckt hat, und bitten ihn, es für sie zu verwalten. Bei so viel Vertrauen betrachtet Brodolungo die beiden natürlich sofort als standesgemäße Verbindung für seine Töchter. Als er nach der Hochzeit feststellen muss, dass sein Geld weg ist, tobt er zunächst, doch beruhigt sich schnell, als ihm die jungen Paare sein Geld zurückgeben und somit dem zu erlangenden Adelstitel nun nichts mehr im Weg steht.Ambrosina (Yvonne Steiner, links) und Felicita (Elžběta Laabs, rechts) bitten mit ihren Geliebten Canziano (Michael Hoffmann, links) und Ernesto (Manuel Ried, rechts) und dem Diener Verzotto (Stephan Hönig, Mitte hinten) den wütenden Brodolungo (Joachim Herrmann, Mitte vorne) um Vergebung. Für die zweite Oper sind die Stellwände leicht umgestaltet worden. Über dem Eingangstor hängt das Wappen Brodolungos, das bezeichnender Weise statt Waffen Gemüse enthält. In diesem zweiten Einakter tauschen nun Vladar und Hoffmann die Rollen. Während Vladar die Regie übernimmt, schlüpft Hoffmann in die Rolle von Ambrosinas Geliebtem Canziano. Dabei begeistert er stimmlich und darstellerisch auf ganzer Linie. Große Komik versprüht er, wenn er als Tanzlehrer dem Gemüsehändler in einem Ensemble die unterschiedlichen Gefühlsregungen nahebringen will, die man in den Tanz legen muss. Auch als Fechtmeister Fioretto begeistert er mit übertrieben angesetzten Fechtübungen. Als angeblicher Graf Ruinato nimmt er mit einem leicht näselnden Tonfall die stereotype Arroganz des Adels auf die Schippe. Dabei bewegt sich sein Buffo-Bariton spielerisch durch die Ensembles und Arien. Mit Yvonne Steiner hat er als Ambrosina eine kongeniale Sängerdarstellerin zur Seite, die erneut mit glasklaren Koloraturen punktet, so dass die beiden erneut als "Traumpaar der Neuburger Kammeroper" bezeichnet werden können.
Doch auch Hönig und Herrmann
haben die Rollen getauscht. Dieses Mal schlüpft Hönig in die Partie des Dieners
Verzotto und verbündet sich schnell mit den beiden jungen Paaren. Schließlich
haben sie mit kleinen Geldzuwendungen überzeugende Argumente. Herrmann stellt
den Gemüsehändler Brodolungo, der unbedingt einen Adeltitel erlangen möchte,
wunderbar umständlich dar. In den Übungen mit Hoffmann als Tanzlehrer und
Fechtmeister entfaltet er mit seinen unbeholfenen Bewegungen eine großartige
Komik. Auch Manuel Ried darf sich als Felicitas Liebhaber Ernesto darstellerisch
ein bisschen mehr austoben, als er es als zurückhaltender Offizier Federico im
ersten Teil konnte. So mimt er an seiner Mandoline beim Tanzunterricht auch
schon einmal den Rockstar und zeigt sich seiner Geliebten gegenüber wesentlich
selbstbewusster als im ersten Teil. Elžběta Laabs
spielt die "zwei Gesichter" der jüngeren Tochter Felicita gekonnt aus. So zeigt
sie sich ihrem Vater gegenüber stets als ergebene, gehorsame Tochter und gelangt
so an die Schlüssel zum Tresor. Stimmlich punktet sie erneut mit weichem Mezzo.
Alois Rottenaicher lotet mit dem Orchester des Akademischen Orchesterverbandes
München e. V. die beiden Partituren mit ihren leicht eingängigen Melodien
differenziert aus, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten
gibt.
FAZIT
Wer unbekannte Opernwerke ohne entfremdende Regie-Effekte genießen will, ist in
der Neuburger Kammeroper genau richtig. Musikalisch bekommt man hier Stücke
geboten, die es in der Regel nicht einmal als CD-Aufnahme gibt.
Zur Übersicht |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAlois Rottenaicher Bühnenbild
Orchester des Akademischen Schlaukopf und DickschädelInszenierung SolistenGuglielmo, ein Kaufmann
Isabella, seine Tochter
Federico, ein Offizier
Bainer, ein Bankier Eugenia,
seine Tochter
Simoncino, Guglielmos Diener
Der Hitzkopf
Inszenierung Solisten
Brodolungo, Gemüsehändler Ambrosina, seine ältere Tochter Felicita, seine jüngere Tochter Canziano,
Ambrosinas Liebhaber Ernesto, Felicitas Liebhaber Verzotto, Brodolungos Diener
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- Fine -