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Salzburger Pfingstfestspiele 22.05.2015 - 25.05.2015
Arienkonzert Philippe Jaroussky Aufführungsdauer: ca. 2 h 5' (eine Pause) Sonntag, 24. Mai 2015, 15,00 UhrHaus für Mozart in Salzburg |
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Händel aus einem Guss Von Thomas Molke / Foto von Wolfgang Lienbacher Unter das Motto "So ruf ich alle Götter" hat die künstlerische Leiterin Cecilia Bartoli die diesjährigen Pfingstfestspiele in Salzburg gestellt und lässt damit die Götter der griechischen und römischen Mythologie wieder auferstehen. So hat sie auch für ein Konzert Philippe Jaroussky gewissermaßen als "Götterboten" eingeladen, weil er mit seinem außergewöhnlichen Countertenor in ätherischen Höhen diesem Olymp sehr nahe kommen dürfte. Gemeinsam mit Nathalie Stutzmann und dem von ihr 2009 gegründeten Ensemble 55 macht Jaroussky bei diesem Arienkonzert einen Streifzug durch die antike Mythologie, wobei die einzelnen Arien so geschickt mit Instrumentalstücken aus Händels Concerti verwoben sind, dass der Übergang fließend ist und das Publikum nicht durch Zwischenapplaus aus der Konzentration gerissen wird. Philippe Jaroussky mit Nathalie Stutzmann und dem Ensemble Orfeo 55 Dabei sind die Teile vor und nach der Pause parallel aufgebaut. Jaroussky startet jeweils mit Auszügen aus einer Serenata und geht anschließend zu einer Oper über, wobei aus jedem Werk jeweils zwei Arien präsentiert werden. Den Anfang macht die Serenata Il Parnasso in festa per gli sponsali di Teti e Peleo aus dem Jahr 1734, die Händel anlässlich der Hochzeit der britischen Prinzessin Anne mit dem Prinzen von Oranien komponierte. Sie handelt von der Vermählung der Meernymphe Thetis mit dem König Peleus, die unter Anwesenheit der Götter auf dem Olymp gefeiert wird. Nach der Sinfonia zum 3. Akt aus Händels Rinaldo, die gewissermaßen als feierliche Ouvertüre zu dieser Hochzeit dient, präsentiert Jaroussky zunächst die Auftrittsarie des Apollo, "Gran Tonante", gewissermaßen ein Hohelied auf Zeus, der dem neu vermählten Paar seinen Segen spenden soll. Mit leichten Koloraturen trifft Jaroussky den harmonischen Ton dieser Arie wunderbar, bevor er dann in der zweiten Arie zum Klagegesang des Orpheus ansetzt. Mit "Ho perso il caro ben" betrauert er in ergreifenden Bögen den Verlust seiner geliebten Gattin und hofft, bei dieser Götterversammlung Unterstützung zu bekommen. Direkt mit diesen beiden Stücken stellt Jaroussky unter Beweis, welch unterschiedliche Emotionen er mit der Modulation seiner Stimme auszudrücken vermag. Die anschließende Oper Deidamia steht gewissermaßen auch im Bezug zum vorangegangen Stück, da sie nämlich von Achilles, dem Sohn des Peleus und der Thetis, handelt, der sich in Frauenkleidern am Hof des Königs Licomedes aufhält, um der Prophezeiung zu entgehen, dass er im Trojanischen Krieg den Tod finden werde. Deidamia, die Königstochter, kennt seine Identität, hat sich in den griechischen Helden verliebt und will ihn, den es natürlich nach Ruhmestaten drängt, nicht ziehen lassen. Ulisse taucht auf und überredet Achilles in zwei bewegenden Arien, sein Versteck und seine Verkleidung für den Ruhm aufzugeben. Besonders erscheint dabei die Struktur der ersten Arie "Perdere il bene amato". Während Ulisse im A-Teil zunächst mit ruhigen Bögen Verständnis für Achilles' Situation vorgibt, bricht sein Zorn im B-Teil in furiosen Koloraturen regelrecht aus ihm heraus. Zu diesem Zeitpunkt lässt Ulisse allerdings noch nicht erkennen, dass er Achilles' Verkleidung durchschaut hat, sondern überträgt die Gefühle auf Menelaos, dem die Gattin Helena von Paris geraubt worden ist. Im dritten Akt spinnt er seine Intrige weiter, indem er vorgibt, sich in das "Mädchen" Achilles verliebt zu haben, was dazu führt, dass Achilles sich zu erkennen gibt. Jaroussky spielt in dieser Arie noch einmal die ganze Bandbreite seines strahlenden Countertenors aus, bevor er das Publikum in die Pause entlässt. Nach der Pause widmet er sich dann mit der Serenata Aci, Galatea e Polifemo einem Frühwerk Händels, das dieser für eine Fürstenhochzeit 1708 in Neapel komponiert hatte und das er später in London zu der Pastoraloper Aci e Galatea überarbeitete. Die Geschichte ist in Ovids Metamorphosen überliefert und berichtet von der Liebe des jungen Hirten Acis zu der Nymphe Galathea, die jedoch auch von dem Zyklopen Polyphem umworben wird, der schließlich seinen Nebenbuhler erschlägt. Auf Bitten Galatheas wird Acis anschließend in eine Quelle verwandelt. Jaroussky präsentiert zwei Arien aus dem zweiten Akt. "Qui l'augel" beschreibt eine Schäfer-Idylle, wobei Jaroussky hierbei in einen betörenden Dialog mit der Oboe tritt, was den friedlichen Charakter der Arie unterstreicht. Doch die Harmonie ist nicht von Dauer. Völlig überraschend dreht sich Nathalie Stutzmann um und übernimmt mit weichem Alt das Rezitativ des Polifemo, in dem er beschließt, den Nebenbuhler zu töten. Jaroussky setzt diese Szene darstellerisch um, indem er sich hilflos umblickt und nicht weiß, was ihm geschieht. Erst in seinem folgenden Klagegesang wird dem jungen Hirten deutlich, dass er, vom Felsen getroffen, nun in eine andere Welt übergehen muss. Jaroussky findet hier mit weicher Stimme zu einer unglaublichen Tiefe. Der Schluss gehört dann dem Helden Teseo aus der Oper Arianna in Creta, mit der Händel bei der Uraufführung 1734 einen überwältigenden Erfolg feiern konnte. Heutzutage ist das Werk leider äußerst selten zu erleben. Mit großem Pathos verdeutlicht Jaroussky in der Arie "Sol ristoro de' mortali" aus dem zweiten Akt, dass Teseo im Schlaf keine Ruhe finden kann, da er hin- und hergerissen ist zwischen den Gefühlen für die Königstochter Ariadne (Arianna) und seiner Pflicht dem Vaterland gegenüber. Mit einem regelrechten Knaller beendet Jaroussky dann den Abend, wenn er in der zweiten Arie "Qui ti sfido, o mostro infame" nach kurzer Überlegung in das Labyrinth hinabsteigt, um den Kampf mit dem Minotaurus aufzunehmen. Hier zeigt Jaroussky noch einmal das ganze Register seines Könnens und begeistert mit kämpferisch sprudelnden Koloraturen und sauberen Spitzentönen. Natürlich lässt das Publikum Jaroussky nicht ohne Zugaben gehen. Die ersten beiden Zugaben sind dann auch noch in den mythologischen Bereich eingebunden. Aus dem Oratorium The Choice of Hercules präsentiert Jaroussky Hercules' zweite Arie "Lead, goddess, lead the way" und fasziniert erneut mit beweglichen Koloraturen. Im zweiten Stück widmet er sich erneut dem Helden Theseus. Aus der Oper Teseo gibt er die großartige Arie "Qual tigre e qual megera" zum Besten, in der Theseus seine Wut über die Zauberin Medea formuliert. Mit furiosen Koloraturen beweist Jaroussky erneut seine Vielfältigkeit. Nur bei der dritten Zugabe verlässt er das Thema des Nachmittags und beschert dem Publikum gemeinsam mit Stutzmann mit dem berühmten Duett der Cornelia und des Sesto aus dem ersten Akt der Oper Giulio Cesare in Egitto, "Son nata a lagrimar", einen weiteren Höhepunkt. Wie Jarousskys heller Counter mit Stutzmanns samtigem Alt zu einer Einheit verschmelzen und welche Innigkeit auf der Bühne zwischen den beiden besteht, geht unter die Haut. So gibt es am Ende lang anhaltenden und frenetischen Beifall für ein Konzert, das erneut die Ausnahmequalitäten Jarousskys unter Beweis gestellt hat. FAZIT Wie kurz können zwei Stunden sein, wenn sie mit so wunderbarer Musik in solcher Präzision und in einem solchen Fluss dargeboten werden? Es darf schon mit Spannung erwartet werden, was Jaroussky für die Händel-Festspiele in Halle im Gepäck hat. Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2015 |
AusführendePhilippe Jaroussky, Countertenor Orfeo 55 Nathalie Stutzmann, Musikalische Leitung Werke
Georg Friedrich Händel
"Gran Tonante" Allegro und Adagio aus Concerto III op. 3
"Dopo d'aver perduto" - Musette: Larghetto aus Concerto VI op. 6
"Perdere il bene amato" Largo und Allegro aus Concerto VII op. 6
"No, no quella beltà non amo"
"Qui l'augel" Ouvertüre aus Concerto X op. 6
"Or poiché sordi sono del cielo" Allegro aus Concerto IV op. 6
"Oh patria" - "Sol ristoro de' mortali" Largo aus Concerto II. op. 3
"Ove son" - "Qui ti sfido"
Weitere |
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