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Leben, Liebe, TodVon Stefan Schmöe und Christoph Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus und Christoph Wurzel
Die Dramaturgie der Osterfestspiele sieht traditionell neben den abendlichen großen Konzerten und Opernaufführungen im Festspielhaus auch an allen Tagen je zwei Konzerte mit Kammermusikensembles vor, in deren Programmen sich jeweils verwandte Themen finden. In diesem Jahr waren als Anklänge an Wagners Tristan und Isolde die Leitmotive Liebe und Nacht vorherrschend, natürlich auch Musik aus dem Umkreis Wagners sowie der eher dunkel getönten Romantik. Das OMM besuchte eine Auswahl dieser Konzerte. Museum Frieder Burda (Foto: Christoph Wurzel)
Explizit mit "Isoldes Liebestod" war das Kammerkonzert im Museum Frieder Burda betitelt, das der passionierte Kunstsammler sich und der Kunstwelt 2002 - 2004 von Richard Meier errichten ließ. Im großen Saal im Erdgeschoss bildeten die Gemälde (u.a.) Gerhard Richters den spannungsreichen zeitgenössischen Kontrast zur hochromantischen Musik. Máté Szücs, seit 2012 erster Solo-Bratscher der Berliner Philharmoniker, und die junge belgisch-japanische Pianistin Michèle Gurdal setzten eben das mit Isoldes Liebestod bezeichnete Finale der Oper in einer Bearbeitung von Alexander Ritter (1833 - 1896) an den Anfang ihres Programms. Die dunkle Bratsche als Ersatz für die Heroinensopranstimme hat da ihren Charme; freilich hat man auch schon farbreichere Kammermusik-Varianten von Wagners Musik gehört: Die beiden Musiker tasteten sich ziemlich vorsichtig an die Akustik heran, ohne die Klangbalance wirklich zu finden. Máté Szücs und Michèle Gourdal (Foto: Monika Rittershaus)
Überzeugender gelang die späte Sonate Es-Dur op. 120 Nr. 2 von Johannes Brahms, im Original für Klarinette und Klavier, konzentriert und mit sachlicher Ausgewogenheit musiziert. Ob die Bratsche gegenüber der originalen Klarinette einen Gewinn darstellt, ist Geschmackssache, uninteressant ist diese Version jedenfalls nicht. Unbestritten zum Höhepunkt des Konzerts geriet aber César Francks große A-Dur-Sonate, im Original für Violine und Klavier, bei der die beiden Musiker ihre Zurückhaltung aufgaben und mit großem, emphatischem Ton die spezifische Akustik des Raumes auskosteten. Der volle und satte Klang, mit dem Szücs spielt, gewann da eine greifbare Körperlichkeit, die man mit der brillanteren Violine eben nicht erreichen kann. Befreit von Brahms'scher Strenge befeuerten sich die beiden Musiker gegenseitig zu einem mitreißend auftrumpfenden, aber nie oberflächlichen Spiel: Eine halbe Stunde ziemlich großes Kammermusik-Glück. Máté Szücs und Michèle Gourdal (Foto: Monika Rittershaus)
Am Karfreitag nahm das Scharoun-Ensemble die Gelegenheit wahr, Wagners instrumental überbordender Oper Tristan und Isolde seine Fünf Lieder nach Gedichten von Mathilde Wesendonck in der klanglich nicht minder reizvollen Fassung für Kammerensemble von Andreas N. Tarkmann entgegenzusetzen. Dabei erwies sich die Beschränkung dieser Bearbeitung auf je fünf Streicher und Bläser - etwa im Vergleich zu der gewohnten Orchesterfassung für großes Wagnerorchester - keineswegs als eine Ausdünnung des Klangs, sondern als eine Chance, das Motivgeflecht der Begleitmusik umso filigraner hervortreten zu lassen. Die instrumentale Kunst der zehn Solisten der Philharmoniker ließ zudem ein reiches, oszillierendes Klangfarbenspiel erstehen. Im Treibhaus klang dadurch nahezu wie impressionistische Zukunftsmusik. Und im letzten der Lieder Träume war die nahe Verwandtschaft zur Tristan-Musik auch mit diesem kleinem Ensemble klangsinnlich intensiv zu spüren. Die junge Sopranistin Sophie Klußmann sang die äußerst feinfühlige Lyrik Mathilde Wesendoncks mit großer Sprachsensibilität höchst nuanciert. Ihre abgerundete, warme Stimme ließ die emotionale Tiefe der Texte eindrucksvoll Klang werden. Scharoun-Ensemble (Foto: Monika Rittershaus)
Auch Stephan Genz erwies sich in diesem Konzert als höchst nuancenreicher Interpret. Ebenso wie die Wesendock-Lieder erklangen die für dieses Konzert ausgewählten Lieder von Franz Liszt in ungewohnter, dennoch äußerst reizvoller Bearbeitung. Aribert Reimann hat die Klavierbegleitung dieser sieben Lieder für Streichquartett transponiert. Auch in diesem Fall hebt die bearbeitete Fassung die Modernität der Komposition deutlich hervor, denn Reimann hat die originale Harmonik Liszts im Prinzip beibehalten. Die Lieder kreisen um den Schmerz des Verlustes geliebter Menschen, um Einsamkeit, Verlassensein und letztliche Schicksalsergebenheit. Das Philharmoniker-Streichquartett spielte die stellenweise in ihrer minimalistischen Aphoristik an Anton Webern erinnernde Begleitmusik mit höchster Sensibilität. Stephan Genz sang die Lieder mit starkem Ausdruck bis hin zum leidvollen Verstummen. Die ja mitunter nicht einfache Beziehung Franz Liszts zu seinem Schwiegersohn Richard Wagner kam in der abschließenden Miniatur Am Grabe Richard Wagners meditativ zum Ausdruck, wo Liszt ein Motiv aus Wagners Parsifal mit einem eigenen (Excelsior) in Beziehung setzt. Den Beginn dieses Konzerts mit vor allem Leidensmusik machte das eher sanfte, versöhnliche Siegfried-Idyll, das Wagner seiner Frau Cosima als Geburtstagsüberraschung im Treppenhaus ihrer Villa am Vierwaldstädter See als reine Streichermusik vorspielen ließ. Das Scharoun -Ensemble spielte eine durch Holzbläser, Hörner und Trompete erweiterte Kammerfassung, die durch ihre fein ausgewogene Dynamik und das eminent sensible Zusammenspiel der Instrumentalisten bestach. Wie Siegfrieds Horn mit der Waldvogel-Oboe Zwiespache hielt, hätte nicht schöner gelingen können, wie an diesem kammermusikalisch verzaubernden Nachmittag. Feininger-Trio (Foto Monika Rittershaus)
Das Thema Liebe in all seinen Facetten klang in der Matinee des Feininger-Trios nicht in der Musik, sondern in den zwischen den musikalischen Sätzen rezitierten Gedichten an. Die klug ausgewählten Texte spannten einen Bogen zwischen Ingeborg Bachmanns Erklär mir, Liebe bis hin zu Bertolt Brechts Die Liebenden - von der Feier des Wunders Liebe bis zur ebenso nüchternen wie empathischen Betrachtung der Liebe als einem sehr vergänglichen Glücksgefühl. "So scheint die Liebe Liebenden ein Halt" - nur einmal bedurfte es an dieser Stelle einer Geste der Schauspielerin, um den Text auszudeuten. Ihre ausgebreiteten Arme sprachen von der Ungewissheit, dem Zweifel an der Beständigkeit der Liebe, die dieser Text vermittelt. Ansonsten zeigte sich Katharina Thalbachs Kunst der Rezitation in einer musikgleichen Klangfärbung der Stimme, mit der sie die mehr als zwanzig zumeist expressionistischen Gedichte mit großer Gelassenheit intensiv, teilnahmsvoll und doch zugleich mit Distanz vortrug; beste Brecht-Schule, die nicht auf Einfühlung, sondern Nachdenklichkeit zielt. Das waren ganz große Momente. Auch Lyonel Feininger waren Sachlichkeit und Klarheit oberste Prinzipien. Die Musiker, für deren Trio der Maler - Mitglied des Bauhauses und zudem Musikersohn - Pate stand, hatten für ihr Konzert zwei hochromantische Werke ausgewählt, ein Spätwerk von Franz Schubert und eine der frühen Kompositionen Frédéric Chopins. Vor allem in der Klarheit und Transparenz ihrer Interpretation kamen die drei Musiker ihrem Namensgeber nahe, im Ausdruck aber ließen sie die romantischen Gefühlen der Musik fließen. In Schuberts Klaviertrio-Fragment Es-Dur, bekannt unter dem Titel Notturno, zeigte sich vor allem das subtile Zusammenspiel der drei Kammermusiker und die Achtsamkeit für rasche Ausdruckswechsel in der Musik. Vom versonnenen Adagio der Einleitung dieses einsätzigen Stücks über den expressiven Mittelteil bis hin zur Schwermut des Schlusses schlugen sie einen atmosphärisch dichten Spannungsbogen. Das Chopin-Trio bietet in seiner Klavierlastigkeit leider den Streichern nicht so viel Entfaltungsspielraum wie Schubert, hier ließen Christoph Streuli (Violine) und David Riniker (Cello) vor allem dem brillanten Speil ihres Klavierpartners Andreas Oetiker den Vortritt, allerdings nicht ohne ihre Parts doch auch deutlich hervorzuheben. Zur Übersicht Osterfestspiele 2016Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Die Programme: (Auswahl) 21. März 2016 im Museum Frieder Burda Isoldes Liebestod Werke von Richard Wagner, Johannes Brahms und César Franck Maté Szücs, Viola Michéle Gurdal, Klavier 25. März 2016 im Weinbrennersaal des Kurhauses Scharoun-Ensemble Werke von Richard Wagner und Franz Liszt Scharoun-Ensemble Sophie Klußmann, Sopran Stephan Genz, Bariton 28. März 2016 im Florentinersaal des Casinos Feininger Trio Lesung mit Texten von Ingeborg Bachmann, Rainer Maria Rilke, Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn, William Shakespeare und Bertolt Brecht sowie Musik von Franz Schubert und Frédéric Chopin Katharina Thalbach, Sprecherin Feininger Trio Zur Übersicht Osterfestspiele 2016
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