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Auf der Suche nach NeuinterpretationVon Ursula Decker-Bönniger, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Tristan und Isolde, inszeniert von Katharina Wagner, der Urenkelin Richard Wagners, wird im zweiten Jahr gegeben. Die musikalische und dichterische Opernwirklichkeit des Meisterwerks ist traurig und schön zugleich. Themen wie Liebe, Sexualität, Eifersucht, Verzeihen, Grenzgänge des menschlichen Lebens werden nicht einseitig betrachtet. Und doch strahlt jeder Takt chromatisch umherirrende, nicht enden wollende romantische Sehnsucht und Liebe aus. Denn trotz aller Widrigkeiten – und das ist das zeitlos Besondere, Schöne und Erhebende dieser Oper – zweifeln beide letztlich nicht an ihrer Liebe. Der Schluss der Oper, Isoldes Liebestod, ist zum Symbol geworden. Körperlich gesund, stirbt sie aus Liebe über Tristans Leiche. In vielen Inszenierungen sind mythologische Ursprünge, Transzendenz und Verklärung bedeutsam, neben Lust und Genuss die Todessehnsucht und Grenzüberschreitung. Katharina Wagner wagt eine andere provokante Interpretation, die sich in dem Satz zusammenfassen lässt: Wo Krieg und Macht herrschen, kann es für Tristan und Isolde keine Liebe geben, nur die Sehnsucht
Bayreuths neue Isolde: Petra Lang
Isolde, die wilde, mit heilenden und tötenden Mixturen vertraute Tochter Irlands, soll gegen ihren Willen bzw. zur Rettung des Vaterlandes nach einem verlorenen Krieg König Marke heiraten. Tristan leitet die Überfahrt von Irland nach Cornwall. Damals, als sie seine Verletzungen gesund pflegte, haben sie sich verliebt. Obwohl er einem anderen König dient, obwohl er ihren eigentlichen Verlobten tötete.
Die Oper beginnt mit der Überfahrt. Isolde ist aufgewühlt, außer sich vor Zorn und Enttäuschung. Sie erinnert sich an die Leidenschaft, die sie nicht ausleben konnten. Kurwenal und Brangäne hinderten sie. Wie kann dieser geliebte Tristan den irrsinnigen Auftrag annehmen, sie einer Zwangsehe mit seinem Auftraggeber und Onkel, König Marke zuzuführen? Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert haben die Bühne für den ersten Akt in einen an die Carceri von Piranesi bzw. Vexierbilder von Escher erinnernden, sehr dunkel gehaltenen Irrgarten aus Treppen und einer Galerie verwandelt. Albtraumatische Trugbilder tun sich auf. Immer wieder glaubt Isolde, Tristan zwischen abstürzenden Treppen, Sackgassen und verschlossenen Türen zu erkennen. Schließlich kommt es zu einem Wiedersehen, bei dem sie sich ihm leidenschaftlich in die Arme wirft. Er weist sie ab und anstatt den vermeintlichen Todestrank zu trinken, um die Liebe ungefährdet, ohne Reue genießen zu können, schütten sie ihn gemeinsam aus.
Thema des zweiten Aktes ist die Abgeschiedenheit und Vereinsamung der Liebe. Statt Naturidyll in lauer Sommernacht stellt die Bühne ein dunkles Verlies dar. Stählern leuchten Gitter und Bögen, verhindern ein Zusammenkommen der Beiden. Von oben lenkt der Überwachungsstaat die Scheinwerfer. Da bleibt kein Raum für Intimität und Zweisamkeit. Im Liebesduett stehen beide Hand in Hand mit dem Rücken zum Publikum, um von ihrem gemeinsamen Weg, dem Licht am Ende des Tunnels zu träumen. Schließlich versuchen sich beide das Leben zu nehmen – ohne Erfolg. Tristan, der „Ritter“ und „Held“ soll hingerichtet werden. König Marke selbst zieht den Dolch, überlässt den tödlichen Stich in den Rücken jedoch Melot und schleift Isolde mit sich.
Rivalen: Marke (Georg Zeppenfeld) und Tristan (Stephen Gould)
Dieser dritte Akt rührt, zeigt eine auf die Dramaturgie der Musik abgestimmte Personenregie, zumal Stephen Gould sängerisch und schauspielerisch überzeugend den sterbenden Tristan darstellt. Anders die Personenregie der ersten beiden Akte. Sie erscheint zu flach, wenig ausdifferenziert, zumal in Bayreuth die Übertitelung fehlt und aufgrund der stimmlichen Herausforderungen die Textverständlichkeit nicht immer gewährleistet ist. Kurwenals Zusammenbrechen und zielloses Umherirren im zweiten Akt lenkt ab und wirkt entsprechend überzogen. Ebenso König Markes Machtgehabe und pelzbesetzter langer Mantel. Assoziationen an böse Western-Antihelden werden wach und ziehen das eigentliche Interpretationsanliegen ins Lächerliche.
Schade eigentlich, denn die besondere Akustik und die grandios transparente, bis auf die letzte Note ausdrucksstark und differenziert gestaltete Darbietung des Bayreuther Festspielorchesters unter der Leitung Christian Thielemanns sind ein Traum! Ebenso überzeugen die Gesangssolisten. Petra Lang ist eine tiefgründige, im ersten Akt dramatisch erregte Isolde, während im zweiten Akt die glutvollen, warmen Stimmfarben überwiegen und sich im Liebesduett anrührend mit Stephen Goulds Tenor mischen. Claudia Mahnke sprang als Brangäne für die kurzfristig erkrankte Christa Mayer ein. Georg Zeppenfelds klangvoller Bass beeindruckt textverständlich, mit edel geführter, nicht enden wollender Gesangslinie als König Marke. Iain Paterson überzeugt in der Rolle Kurwenals.
Tristan und Isolde im Bayreuther Festspielhaus mit dem fantastischen Orchester unter der Leitung Christian Thielemann ist ein musikalischer Genuss durch und durch. Die Regiebilder von Katharina Wagner zeigen neue Ansätze, die allerdings in Personenregie und Abstimmung auf die Dramaturgie der Musik noch genauer durchdacht werden sollten. Aber die Inszenierungen verstehen sich ja als Work in progress. In diesem Sinne darf man auf die weiteren Ausarbeitungen im nächsten Jahr gespannt sein.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Choreinstudierung Solisten
Tristan
Marke
Isolde
Kurwenal
Melot
Brangäne
Hirt
Ein Steuermann
Ein junger Seemann
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- Fine -