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Von Russland bis nach SpanienVon Thomas Molke / Fotos: © Ludwig OlahFür die Eröffnung der diesjährigen Internationalen Gluck-Opern-Festspiele hat man mit der Mezzosopranistin Elīna Garanča einen Weltstar der Klassikszene verpflichten können. Nachdem sie innerhalb kurzer Zeit von einem Festengagement am Südthüringer Staatstheater in Meiningen den Sprung an die großen Opernhäuser der Welt geschafft hatte, wurde sie nicht nur 2007 und 2009 mit dem ECHO Klassik als Sängerin des Jahres ausgezeichnet und erhielt 2013 für ihr Album Romantique einen weiteren ECHO Klassik, sondern wurde im gleichen Jahr auch noch von der Wiener Staatsoper zur Kammersängerin ernannt. Bei ihrem Konzert im Großen Saal der Meistersingerhalle Nürnberg, zu dem sie das Philharmonische Orchester Brünn unter der Leitung ihres Ehemannes Karel Mark Chichon begleitet, lässt sich zwar darüber streiten, ob die ausgewählten Komponisten in einem Zusammenhang zu Gluck und damit zum Namenspatron des Festivals stehen, aber "Streitkultur" ist ja auch das Thema der diesjährigen Festspiele. Von daher passt es wohl dann doch, zumal im Programmheft die Behauptung aufgestellt wird, die Kompositionen von Massenet, Saint-Saëns, Gounod und Bizet seien allesamt "Glucks Visionen geschuldet". Wie dem auch sei, man erlebt musikalisch einen großartigen Abend, bei dem Garanča ihrem Ruf als Weltstar in jeder Hinsicht gerecht wird. Elīna Garanča mit Karel Mark Chichon am Dirigentenpult und dem Philharmonischen Orchester Brünn Thematisch macht sie dabei eine Reise, die in Russland beginnt, nach Frankreich führt und in Spanien endet. Das Philharmonische Orchester Brünn eröffnet unter der Leitung von Karel Mark Chichon dabei mit der Ouvertüre zu Michail Glinkas Oper Ruslan und Ludmila und begeistert direkt zu Beginn mit differenziertem Spiel. Es folgt die große Arie der Johanna aus Tschaikowskys in Deutschland eher selten gespielter Oper Die Jungfrau von Orléans. In russischer Sprache nimmt Garanča hier als Johanna Abschied von ihrer Heimat und begeistert mit warm-timbrierter Mittellage und sauber fokussierten Höhen. Nachdem man inhaltlich mit der Jungfrau bereits in Frankreich gelandet ist, stehen große französische Komponisten des 19. Jahrhunderts auf dem Programm. Den Anfang macht dabei die berühmte "Méditation" aus Massenets Thaïs . Hier begeistert der erste Geiger des Philharmonischen Orchesters Brünn im Zusammenspiel mit der Harfe durch bewegendes Spiel. Das Orchester nimmt sich dabei stark zurück, um den Sologeiger glänzen zu lassen. Kleinere Abstriche sind beim Orchester allerdings bei der Begleitung der berühmten Arie der Dalila aus Saint-Saëns' Oper Samson et Dalila zu machen. Hier gelingt es den Streichern nicht, den betörenden Gesang der Dalila, mit dem sie Samson einzulullen versucht, durch ein bedrohlich wirkendes Flirren zu untermalen. Die Begleitung klingt hier fast zu brav und stellt keinen Kontrast zu Dalilas Verführungskünsten dar. Garanča betört in dieser Arie als verführerische Dalila und macht mit weichen Bögen nachvollziehbar, dass ein Mann diesem Gesang erliegen muss. Beim folgenden Bacchanale aus der gleichen Oper verbreiten die Musiker dann orientalisches Flair. Bemerkenswert ist, dass Chichon alle Stücke ohne Noten dirigiert.Elīna Garanča als Carmen im zweiten Teil des Abends Vor der Pause gibt es dann noch die Arie der Balkis aus Gounods relativ unbekannter Oper La Reine de Saba. Balkis, die Königin von Saba, erkennt hier, wie sehr sie sich zu Adomiran hingezogen fühlt, und ist von ihren Empfindungen überhaupt nicht begeistert. Garanča gelingt es, die innere Zerrissenheit der Königin glaubhaft herauszuarbeiten und punktet erneut mit voluminösen Tiefen und dramatischen Höhen. Nach der Pause geht es dann thematisch nach Spanien. Zunächst präsentiert das Philharmonische Orchester Brünn drei Pasodobles, wobei sich bei den ersten beiden das spanische Flair noch nicht so ganz ausbreitet. Vielleicht liegt es an der Orchestrierung, aber man fühlt sich bei den Werken von Santiago Lope Gonzalo unweigerlich an eine Polka von Strauss erinnert. Erst bei Morenos "El Gato Montes" ist man musikalisch richtig in Spanien angekommen. Dort bleibt man dann auch thematisch, auch wenn man mit Bizet zu den französischen Komponisten zurückkehrt. Als abschließender Höhepunkt darf Carmen natürlich nicht fehlen. Garanča präsentiert, unterbrochen von den Zwischenmusiken, die großen Nummern der Titelfigur. Dafür hat sie auch passend das Kostüm gewechselt und eine verführerische rote Robe angelegt. Dass es selbst bei Carmen noch etwas Neues zu entdecken gibt, beweist Garanča direkt zu Beginn dieses Blockes. Sie eröffnet nämlich mit der Urfassung der Habanera, "L'amour est un enfant de bohème", die textlich zwar schon der bekannten Version angenähert ist, musikalisch aber doch noch große Unterschiede aufweist. Vielleicht müsste man sie mehrmals hören. Jedenfalls kommt sie an die verführerische Qualität der anschließenden Habanera nicht ganz heran, auch wenn Garanča sie mit warm-timbrierter Mittellage präsentiert.
Zwischen den einzelnen Arien präsentiert das
Philharmonische Orchester Brünn die Zwischenaktmusiken, allerdings nicht in
chronologischer Reihenfolge, vielleicht, um den Abend nicht tragisch mit Carmens
Tod enden zu lassen. So ist nämlich die Zwischenaktmusik vom zweiten Akt an den
Schluss gesetzt. Vorher lässt Garanča noch in
der Séguedille ihren Charme versprühen, wobei sie das Stück fast szenisch
ansetzt, indem sie die Arme hinter dem Rücken verschränkt, als ob Carmen
wirklich noch gefesselt wäre und sie Don José nun überzeugen müsste, ihre
Fesseln zu lösen. Unter die Haut geht ihre eindringliche Interpretation von "En
vain, pour éviter" aus dem dritten Akt, wo Carmen beim Kartenspiel ihren
nahenden Tod voraussieht. Musikalisch gelingt es in dieser Passage wider
Erwartens gut, den Gesang der beiden Zigeunerinnen Frasquita und Mercédès
auszublenden. Das offizielle Programm endet dann mit einer fulminanten
Interpretation des "Chanson bohème", welches das Publikum regelrecht von den
Sitzen reißt. Auch mit den beiden Zugaben bleibt Garanča
thematisch in Spanien. Zunächst präsentiert sie das berühmte "Carceleras" aus
Ruperto Chapís Zarzuela Las hijas del Zebedeo. Auch wenn das Werk als
Ganzes in Deutschland relativ unbekannt ist, gehört diese Nummer zum
Standardrepertoire zahlreicher Mezzospranistinnen. Zum Abschluss des Abends
beweist Garanča dann noch, dass mit Agustín
Laras "Granada" nicht nur namhafte Tenöre glänzen können.
Elīna
Garanča gelingt mit diesem Abend ein fulminanter Einstieg in die 6.
Internationalen Gluck-Opern-Festspiele, auch wenn sich natürlich darüber
streiten lässt, was die Musikauswahl mit Gluck oder seinen Zeitgenossen zu tun
hat.
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AusführendeElīna Garanča, MezzosopranPhilharmonisches Orchester Brünn Karel Mark Chichon, Dirigent
Michail Glinka
Peter I. Tschaikowsky
Jules Massenet
Camille Saint Saëns
Bacchanale aus Samson et Dalila
Charles Gounod
Santiago Lope Gonzalo
Mario Penella Moreno
Georges Bizet
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