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Auf der Fahrt nach NirgendwoVon Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival
Madama Cortese (hier Larissa Alice Wissel, vorne links) gibt letzte Anweisungen an Maddalena (Diana Volkova, vorne rechts) und das Personal (von links: Yasuhiro Yamamoto, Lucrezia Drei, Xabier Anduaga, William Hernández), Eleonora Bellocci, Maharram Huseynov, Sara Bañeras und Alfonso Zambuto). Die Inszenierung der Oper über eine illustre Reisegruppe, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen, dort aber nie ankommt, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht, deshalb im Hotel bleibt und dort ihr eigenes Fest veranstaltet, bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird nur mit neuen Interpreten umgesetzt. Emilio Sagi siedelt die Szene auf einem Schiff an, das, wie der blaue Hintergrund andeutet, nirgendwo ankommt. Während das Personal des Kurhotels in der weißen Kleidung mit den Namensschildern eher an Krankenpfleger erinnert und die Gäste einheitlich in weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, wechseln alle Figuren, wenn klar ist, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann und folglich im Hotel gefeiert werden soll, die Kleidung und legen schwarze Abendgarderobe an, in der sie nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff ihre eigene Party feiern. Dass am Ende der Aufführung zum feierlichen Schlussgesang Corinnas der König Karl X. als Kind mit Krone höchstpersönlich auftritt und mit drei Luftballons als Szepter Hände schüttelnd durch den Zuschauerraum schreitet, wird von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, so dass sich der junge König schließlich an der Bühnenrampe niederlässt und, während die anderen mit Champagner feiern, sein Butterbrot verspeist. Contessa di Folleville (Marina Monzó) ist wegen des Verlustes ihrer Garderobe verzweifelt (von links: Barone di Trombonok (William Hernández), Don Prudenzio (Shuxin Li), Antonio (Stefanio Marchisio) und Maddalena (Diana Volkova)). Das junge Ensemble, dem bei der Gestaltung der Bühnenfiguren im Rahmen des Regiekonzeptes großer Freiraum gelassen wird, besteht in diesem Jahr aus 17 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. Diana Volkova bleibt als Maddalena in der Einleitung "Presto, presto", in der sie mit strengem Regiment das übrige Personal auffordert, das Schiffsdeck für die Gäste herzurichten, szenisch etwas blass, so dass es nicht verwundert, dass die Sängerinnen und Sänger als Bedienstete ihren Anweisungen mehr schlecht als recht Folge leisten. Aufhorchen lässt Stefano Marchisio als Antonio mit vielversprechendem Tenor. Nao Nakai verfügt als Madama Cortese über saubere Höhen und eine bewegliche Stimme, die allerdings im Ausdruck noch ein wenig reifen muss. Immer wieder schön anzusehen ist, wie das Personal mit Seifenblasen zu dieser Szene eine verträumt kitschige Atmosphäre schafft. Es folgt ein überwältigender Auftritt von Marina Monzó als exaltierte Contessa di Folleville, die darstellerisch ihrem Namen alle Ehre macht. Stimmlich verfügt Monzó über einen beweglichen Sopran und saubere Höhen. Ihre Arie "Partir, oh ciel! desio", in der sie ihrer Verzweiflung über den Verlust ihrer wertvollen Kleider durch ein Kutschenunglück freien Lauf lässt, löst beim Publikum durch punktgenau gesetzte Koloraturen und ein komisches Spiel große Begeisterung aus. Mit Sara Bañeras als ihr Dienstmädchen Modestina hat sie szenisch eine herrliche Gegenspielerin, die Kaugummi kauend mehr Interesse an der aktuellen Mode als an den Bedürfnissen ihrer Herrin hat. Mit profundem Bariton und großem Spielwitz begeistert William Hernández, der sich als Barone di Trombonok über Shuxin Lis mangelnde medizinische Kenntnisse als Don Prudenzio lustig macht. Don Profondo (Gianluca Lentini, Mitte) berichtet, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann (von links: Marchesa Melibea (Aurora Faggioli), Delia (Eleonora Bellocci), Madama Cortese (Larissa Alice Wissel, vorne), Corinna (Lucrezia Drei), Maddalena (Diana Volkova, hinten), Zefirino (Alfonso Zambuto), Contessa di Folleville (Marina Monzó), Modestina (Sara Bañeras), Cavalier Belfiore (Xabier Anduaga vorne), Don Alvaro (Maharram Huseynov, hinten), Conte di Libenskof (Yasuhiro Yamamoto), Antonio (Stefanio Marchisio, vorne), Don Luigino (Yusuke Kobori, hinten), Don Prudenzio (Shuxin Li) und Lord Sidney (Ogulcan Yilmaz)). In der nächsten Szene lassen Vasilisa Berzhanskaya als Marchesa Melibea und Yusuke Kobori als Conte di Libenskof aufhorchen. Berzhanskaya legt die Marchesa mit sattem Mezzo herrlich verführerisch an und hält auch stets etwas Hochprozentiges in einem kleinen Flachmann bereit. So passt es Kobori überhaupt nicht, dass sie heftig mit Maharram Huseynov als Don Alvaro flirtet. Huseynovs Bariton verfügt über eine markante Tiefe, die es nachvollziehbar macht, wieso sich die Marchesa zu diesem spanischen Edelmann hingezogen fühlt. Koboris Tenor überzeugt mit sauber intonierten Höhen und großer Strahlkraft. Dabei legt Kobori den Conte darstellerisch wunderbar eifersüchtig an, so dass Hernández als Trombonok und Gianluca Lentini als Don Profondo alle Mühe haben, ihn von einem Kampf mit Don Alvaro zurückzuhalten. Das Sextett mit Madama Cortese, die ebenfalls verzweifelt bemüht ist, die Streithähne auseinander zu bringen, avanciert zu einem musikalischen Höhepunkt der Aufführung. Beruhigen kann die aufgeheizte Situation letztendlich Eleonora Belloci als Corinna, die aus einer Loge im Publikum zum Klang der Harfe mit weichem Sopran und klaren Höhen die Kavatine "Arpa gentil, che fida" anstimmt. Ogulcan Yilmaz, der im Anschluss daran als Lord Sidney seine unerfüllte Liebe zu Corinna in der Arie "Invan strappar dal core" zum Ausdruck bringt, bleibt stimmlich blass. Da können auch Sara Bañeras, Diana Volkova, Lucrezia Drei und Nao Nakai, die mit roten ausgeschnittenen Papierherzen im Takt der Musik die Szene karikieren, nichts ausrichten. Unter der Leitung von Barone di Trombonok (William Hernández, auf dem Stuhl) feiern die Gäste auf dem Schiff ihr eigenes Fest: von links: Zefirino (Alfonso Zambuto), Don Prudenzio (Shuxin Li), Maddalena (Diana Volkova), Don Alvaro (Maharram Huseynov), Don Profondo (Gianluca Lentini), Madama Cortese (Larissa Alice Wissel), Cavalier Belfiore (Xabier Anduaga), Contessa di Folleville (Marina Monzó), Don Luigino (Yusuke Kobori), Delia (Eleonora Bellocci), Conte di Libenskof (Yasuhiro Yamamoto), Marchesa Melibea (Aurora Faggioli), Lord Sidney (Ogulcan Yilmaz), Corinna (Lucrezia Drei), Antonio (Stefano Marchisio) und Modestina (Sara Bañeras). Ebenfalls aufhorchen lässt Xabier Anduaga als Cavalier Belfiore, der zwar eigentlich mit der Contessa liiert ist, im Moment aber größeres Interesse an Corinna hat. Darstellerisch umgarnt Anduaga Bellocci mit machohaftem Gehabe und punktet mit strahlendem Tenor, der in den Höhen enormen Glanz versprüht, so dass man durchaus nachvollziehen kann, dass sich Corinna eher zu dem heftig flirtenden Cavalier als zu dem stets melancholischen Lord hingezogen fühlt. Das große Duett zwischen Anduaga und Bellocci entwickelt sich zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt der Vorstellung. Eher blass hingegen bleibt Gianluca Lentini als Don Profondo in seiner Arie "Io! Medaglie incomparabili", in der er die Wertgegenstände für die Reise auflistet und dabei die einzelnen Nationalitäten persifliert. Dabei klingt sein Bariton noch etwas dünn und ist dem hohen Tempo des Parlando-Tons nicht ganz gewachsen. Auch bei den einzelnen Nationalitäten schafft er keine wirklich Karikatur. Es folgt das große Finale zu 14 Stimmen, in dem sich Bellocci und Monzó einen witzigen Schlagabtausch in den Koloraturen liefern und in dem das Ensemble mit wuchtigem Klang begeistert. Nach der Pause punkten noch einmal Berzhanskaya und Kobori als Marchesa und Conte in dem großen Versöhnungs-Duett, in dem sie sich erneut ihre Liebe gestehen, auch wenn die Marchesa bei den anschließenden Feierlichkeiten erneut dem Charme des Spaniers zu erliegen droht und die Gäste mehrmals eine kämpferische Auseinandersetzung der beiden Rivalen verhindern müssen. Interessant ist für deutsche Ohren auch immer wieder, dass Rossini im Rahmen der traditionellen Melodien, die die einzelnen Gäste bei der Feier am Ende des Stückes auf ihre Heimat anstimmen, mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhunderts komponierte, bereits die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat. Hernández stattet als Trombonok auch diese kurze "Hymne" mit kräftigem Bariton aus. Bellocci bewegt dann noch einmal mit ihrer Hymne auf Karl X., König von Frankreich, mit glockenklarem Sopran. Abgerundet wird die Veranstaltung durch das akkurat aufspielende Orchestra Sinfonica G. Rossini unter der Leitung von Gabriel Bebeselea, der das Orchester mit sicherer Hand durch die vielschichtige Partitur führt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.
FAZIT Auch wenn die Inszenierung jedes Jahr gleich ist, machen die ständig wechselnden Nachwuchskünstler diese Veranstaltung immer wieder zu einem Ereignis, das man bei einem Besuch in Pesaro keinesfalls versäumen sollte.
Weitere Rezensionen zu dem
Rossini Opera Festival 2016 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGabriel Bebeselea Regie und Bühne Szenische Leitung Kostüme
Solisten*rezensierte Aufführung Corinna
Marchesa Melibea
Contessa di Folleville
Madama Cortese
Cavalier Belfiore
Conte di Libenskof
Lord Sidney Don Profondo Barone di Trombonok Don Alvaro Don Prudenzio
Don Luigino
Delia Maddalena
Modestina
Zefirino / Gelsomino
Antonio |
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