Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Rossini Opera Festival

Pesaro
08.08.2016 - 20.08.2016

 

Il viaggio a Reims

Dramma giocoso in einem Akt
Libretto von Luigi Balocchi
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Wiederaufnahme-Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 12. August 2016 (Produktion von 2001)
(rezensierte Aufführung: 15.08.2016)


Homepage

 

Rossini Opera Festival

Homepage

 

Auf der Fahrt nach Nirgendwo

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival


Seit 2001 steht Rossinis letzte italienischsprachige Oper Il viaggio a Reims jedes Jahr beim Rossini Opera Festival an zwei Vormittagen in einer Inszenierung von Emilio Sagi auf dem Programm, die Elisabetta Courir beim alljährlichen Festival Giovane mit jungen Sängerinnen und Sängern der Accademia Rossiniana erarbeitet. Diese Cantata scenica, die Rossini als neuer künstlerischer Leiter des Théâtre Italien in Paris anlässlich der Krönung des französischen Königs Karl X. 1825 zur Uraufführung brachte, bietet jungen Künstlern, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, aufgrund der zahlreichen Rollen mit relativ gleichberechtigtem sängerischen Anspruch die Möglichkeit, einerseits Erfahrungen zu sammeln, die ihre jungen Stimmen nicht schädigen dürften, andererseits sich für Intendanten und Festspielleiter auf der Suche nach künftigen Sängern zu empfehlen. Bei dieser langjährigen Tradition der Nachwuchsförderung sind hier in Pesaro in den vergangenen Jahren einige Künstler entdeckt worden, die mittlerweile auch in den großen Opernproduktionen auf der Bühne stehen. Zu nennen ist hier beispielsweise Salome Jicia, die letztes Jahr als Contessa di Folleville begeisterte und in diesem Jahr die Titelrolle in La donna del lago übernommen hat. Auch Ruth Iniesta, im letzten Jahr Madama Cortese, und Marko Mimica, 2014 Lord Sidney, sind in La donna del lago zu erleben, Iniesta als Elenas Vertraute Albina und Mimica als Elenas Vater Duglas. Cecilia Molinari, die im letzten Jahr als Marchesa Melibea Akzente setzte, steht nun als Zaida in Il turco in Italia auf der Bühne, neben Olga Peretyatko und Nicola Alaimo, die ebenfalls vor einigen Jahren als Mitglieder der Accademia Rossiniana hier debütierten. Wer also eine Gelegenheit sucht, die ersten musikalischen Schritte der Stars von morgen mitzuerleben, sollte sich bei einem Besuch in Pesaro diese beiden Vormittagsveranstaltungen nicht entgehen lassen, zumal viele Partien doppelt besetzt sind.

Bild zum Vergrößern

Madama Cortese (hier Larissa Alice Wissel, vorne links) gibt letzte Anweisungen an Maddalena (Diana Volkova, vorne rechts) und das Personal (von links: Yasuhiro Yamamoto, Lucrezia Drei, Xabier Anduaga, William Hernández), Eleonora Bellocci, Maharram Huseynov, Sara Bañeras und Alfonso Zambuto).

Die Inszenierung der Oper über eine illustre Reisegruppe, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen, dort aber nie ankommt, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht, deshalb im Hotel bleibt und dort ihr eigenes Fest veranstaltet, bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird nur mit neuen Interpreten umgesetzt. Emilio Sagi siedelt die Szene auf einem Schiff an, das, wie der blaue Hintergrund andeutet, nirgendwo ankommt. Während das Personal des Kurhotels in der weißen Kleidung mit den Namensschildern eher an Krankenpfleger erinnert und die Gäste einheitlich in weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, wechseln alle Figuren, wenn klar ist, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann und folglich im Hotel gefeiert werden soll, die Kleidung und legen schwarze Abendgarderobe an, in der sie nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff ihre eigene Party feiern. Dass am Ende der Aufführung zum feierlichen Schlussgesang Corinnas der König Karl X. als Kind mit Krone höchstpersönlich auftritt und mit drei Luftballons als Szepter Hände schüttelnd durch den Zuschauerraum schreitet, wird von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, so dass sich der junge König schließlich an der Bühnenrampe niederlässt und, während die anderen mit Champagner feiern, sein Butterbrot verspeist.

Bild zum Vergrößern

Contessa di Folleville (Marina Monzó) ist wegen des Verlustes ihrer Garderobe verzweifelt (von links: Barone di Trombonok (William Hernández), Don Prudenzio (Shuxin Li), Antonio (Stefanio Marchisio) und Maddalena (Diana Volkova)).

Das junge Ensemble, dem bei der Gestaltung der Bühnenfiguren im Rahmen des Regiekonzeptes großer Freiraum gelassen wird, besteht in diesem Jahr aus 17 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. Diana Volkova bleibt als Maddalena in der Einleitung "Presto, presto", in der sie mit strengem Regiment das übrige Personal auffordert, das Schiffsdeck für die Gäste herzurichten, szenisch etwas blass, so dass es nicht verwundert, dass die Sängerinnen und Sänger als Bedienstete ihren Anweisungen mehr schlecht als recht Folge leisten. Aufhorchen lässt Stefano Marchisio als Antonio mit vielversprechendem Tenor. Nao Nakai verfügt als Madama Cortese über saubere Höhen und eine bewegliche Stimme, die allerdings im Ausdruck noch ein wenig reifen muss. Immer wieder schön anzusehen ist, wie das Personal mit Seifenblasen zu dieser Szene eine verträumt kitschige Atmosphäre schafft. Es folgt ein überwältigender Auftritt von Marina Monzó als exaltierte Contessa di Folleville, die darstellerisch ihrem Namen alle Ehre macht. Stimmlich verfügt Monzó über einen beweglichen Sopran und saubere Höhen. Ihre Arie "Partir, oh ciel! desio", in der sie ihrer Verzweiflung über den Verlust ihrer wertvollen Kleider durch ein Kutschenunglück freien Lauf lässt, löst beim Publikum durch punktgenau gesetzte Koloraturen und ein komisches Spiel große Begeisterung aus. Mit Sara Bañeras als ihr Dienstmädchen Modestina hat sie szenisch eine herrliche Gegenspielerin, die Kaugummi kauend mehr Interesse an der aktuellen Mode als an den Bedürfnissen ihrer Herrin hat. Mit profundem Bariton und großem Spielwitz begeistert William Hernández, der sich als Barone di Trombonok über Shuxin Lis mangelnde medizinische Kenntnisse als Don Prudenzio lustig macht.

Bild zum Vergrößern

Don Profondo (Gianluca Lentini, Mitte) berichtet, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann (von links: Marchesa Melibea (Aurora Faggioli), Delia (Eleonora Bellocci), Madama Cortese (Larissa Alice Wissel, vorne), Corinna (Lucrezia Drei), Maddalena (Diana Volkova, hinten), Zefirino (Alfonso Zambuto), Contessa di Folleville (Marina Monzó), Modestina (Sara Bañeras), Cavalier Belfiore (Xabier Anduaga vorne), Don Alvaro (Maharram Huseynov, hinten), Conte di Libenskof (Yasuhiro Yamamoto), Antonio (Stefanio Marchisio, vorne), Don Luigino (Yusuke Kobori, hinten), Don Prudenzio (Shuxin Li) und Lord Sidney (Ogulcan Yilmaz)).

In der nächsten Szene lassen Vasilisa Berzhanskaya als Marchesa Melibea und Yusuke Kobori als Conte di Libenskof aufhorchen. Berzhanskaya legt die Marchesa mit sattem Mezzo herrlich verführerisch an und hält auch stets etwas Hochprozentiges in einem kleinen Flachmann bereit. So passt es Kobori überhaupt nicht, dass sie heftig mit Maharram Huseynov als Don Alvaro flirtet. Huseynovs Bariton verfügt über eine markante Tiefe, die es nachvollziehbar macht, wieso sich die Marchesa zu diesem spanischen Edelmann hingezogen fühlt. Koboris Tenor überzeugt mit sauber intonierten Höhen und großer Strahlkraft. Dabei legt Kobori den Conte darstellerisch wunderbar eifersüchtig an, so dass Hernández als Trombonok und Gianluca Lentini als Don Profondo alle Mühe haben, ihn von einem Kampf mit Don Alvaro zurückzuhalten. Das Sextett mit Madama Cortese, die ebenfalls verzweifelt bemüht ist, die Streithähne auseinander zu bringen, avanciert zu einem musikalischen Höhepunkt der Aufführung. Beruhigen kann die aufgeheizte Situation letztendlich Eleonora Belloci als Corinna, die aus einer Loge im Publikum zum Klang der Harfe mit weichem Sopran und klaren Höhen die Kavatine "Arpa gentil, che fida" anstimmt. Ogulcan Yilmaz, der im Anschluss daran als Lord Sidney seine unerfüllte Liebe zu Corinna in der Arie "Invan strappar dal core" zum Ausdruck bringt, bleibt stimmlich blass. Da können auch Sara Bañeras, Diana Volkova, Lucrezia Drei und Nao Nakai, die mit roten ausgeschnittenen Papierherzen im Takt der Musik die Szene karikieren, nichts ausrichten.

Bild zum Vergrößern

Unter der Leitung von Barone di Trombonok (William Hernández, auf dem Stuhl) feiern die Gäste auf dem Schiff ihr eigenes Fest: von links: Zefirino (Alfonso Zambuto), Don Prudenzio (Shuxin Li), Maddalena (Diana Volkova), Don Alvaro (Maharram Huseynov), Don Profondo (Gianluca Lentini), Madama Cortese (Larissa Alice Wissel), Cavalier Belfiore (Xabier Anduaga), Contessa di Folleville (Marina Monzó), Don Luigino (Yusuke Kobori), Delia (Eleonora Bellocci), Conte di Libenskof (Yasuhiro Yamamoto), Marchesa Melibea (Aurora Faggioli), Lord Sidney (Ogulcan Yilmaz), Corinna (Lucrezia Drei), Antonio (Stefano Marchisio) und Modestina (Sara Bañeras).

Ebenfalls aufhorchen lässt Xabier Anduaga als Cavalier Belfiore, der zwar eigentlich mit der Contessa liiert ist, im Moment aber größeres Interesse an Corinna hat. Darstellerisch umgarnt Anduaga Bellocci mit machohaftem Gehabe und punktet mit strahlendem Tenor, der in den Höhen enormen Glanz versprüht, so dass man durchaus nachvollziehen kann, dass sich Corinna eher zu dem heftig flirtenden Cavalier als zu dem stets melancholischen Lord hingezogen fühlt. Das große Duett zwischen Anduaga und Bellocci entwickelt sich zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt der Vorstellung. Eher blass hingegen bleibt Gianluca Lentini als Don Profondo in seiner Arie "Io! Medaglie incomparabili", in der er die Wertgegenstände für die Reise auflistet und dabei die einzelnen Nationalitäten persifliert. Dabei klingt sein Bariton noch etwas dünn und ist dem hohen Tempo des Parlando-Tons nicht ganz gewachsen. Auch bei den einzelnen Nationalitäten schafft er keine wirklich Karikatur. Es folgt das große Finale zu 14 Stimmen, in dem sich Bellocci und Monzó einen witzigen Schlagabtausch in den Koloraturen liefern und in dem das Ensemble mit wuchtigem Klang begeistert.

Nach der Pause punkten noch einmal Berzhanskaya und Kobori als Marchesa und Conte in dem großen Versöhnungs-Duett, in dem sie sich erneut ihre Liebe gestehen, auch wenn die Marchesa bei den anschließenden Feierlichkeiten erneut dem Charme des Spaniers zu erliegen droht und die Gäste mehrmals eine kämpferische Auseinandersetzung der beiden Rivalen verhindern müssen. Interessant ist für deutsche Ohren auch immer wieder, dass Rossini im Rahmen der traditionellen Melodien, die die einzelnen Gäste bei der Feier am Ende des Stückes auf ihre Heimat anstimmen, mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhunderts komponierte, bereits die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat. Hernández stattet als Trombonok auch diese kurze "Hymne" mit kräftigem Bariton aus. Bellocci bewegt dann noch einmal mit ihrer Hymne auf Karl X., König von Frankreich, mit glockenklarem Sopran. Abgerundet wird die Veranstaltung durch das akkurat aufspielende Orchestra Sinfonica G. Rossini unter der Leitung von Gabriel Bebeselea, der das Orchester mit sicherer Hand durch die vielschichtige Partitur führt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Auch wenn die Inszenierung jedes Jahr gleich ist, machen die ständig wechselnden Nachwuchskünstler diese Veranstaltung immer wieder zu einem Ereignis, das man bei einem Besuch in Pesaro keinesfalls versäumen sollte.

Weitere Rezensionen zu dem Rossini Opera Festival 2016



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Bebeselea

Regie und Bühne
Emilio Sagi

Szenische Leitung
Elisabetta Courir

Kostüme
Pepa Ojanguren



Orchestra Sinfonica G. Rossini


Solisten

*rezensierte Aufführung

Corinna
Lucrezia Drei /
*Eleonora Bellocci

Marchesa Melibea
Aurora Faggioli /
*Vasilisa Berzhanskaya

Contessa di Folleville
Marina Monzó

Madama Cortese
Larissa Alice Wissel /
*Nao Nakai

Cavalier Belfiore
Xabier Anduaga

Conte di Libenskof
Yasuhiro Yamamoto /
*Yusuke Kobori

Lord Sidney
Ogulcan Yilmaz

Don Profondo
Gianluca Lentini

Barone di Trombonok
William Hernández

Don Alvaro
Maharram Huseynov

Don Prudenzio
Shuxin Li

Don Luigino
Yusuke Kobori /
*Yasuhiro Yamamoto

Delia
Eleonora Bellocci /
*Lucrezia Drei

Maddalena
Diana Volkova

Modestina
Sara Bañeras

Zefirino / Gelsomino
Alfonso Zambuto

Antonio
Stefano Marchisio

 


Zur Homepage vom
Rossini Opera Festival




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2016 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -