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Rossini Opera Festival

Pesaro
08.08.2016 - 20.08.2016


La donna del lago

Melodramma in zwei Akten
Libretto von Andrea Leone Tottola
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra Royal de Wallonie-Liège

Premiere in der Adriatic Arena in Pesaro am 8. August 2016
(rezensierte Aufführung: 14.08.2016)


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Rossini Opera Festival

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Elena erinnert sich

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival


Rossinis Melodramma La donna del lago kann als die erste Oper bezeichnet werden, die ein Werk des schottischen Dichters Sir Walter Scott für das Musiktheater entdeckte, und löste in den folgenden Jahren eine regelrechte Opernmode aus, in der bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 25 weitere Opern entstanden, von denen das heute noch bekannteste wohl Donizettis Lucia di Lammermoor sein dürfte. Ob Rossini selbst auf den Stoff aufmerksam geworden ist oder ob die Komposition ursprünglich für Gaspare Spontini gedacht war, der 1819 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. zum ersten Kapellmeister und Generalmusikdirektor ernannt worden war und deshalb sein Engagement in Neapel am Teatro San Carlo absagen musste, ist nicht ganz geklärt. Jedenfalls nutzte Rossini die Möglichkeit, mit der neuen Oper die Gunst des Publikums in Neapel nach dem Fiasko mit Ermione zurückzugewinnen, und auch wenn die Premiere recht kühl aufgenommen wurde, entwickelte sich das Stück nach kleineren musikalischen Umarbeitungen zu den erfolgreichsten Werken des Schwans von Pesaro. Ab 1860 verschwand die Oper jedoch von den Spielplänen, und auch die seit mehreren Jahren unternommenen Versuche, dem Werk erneut einen festen Platz im Repertoire einzuräumen, sind bis jetzt nicht von großem Erfolg gekrönt, was zum einen an der Handlung liegen könnte, die für heutige Inszenierungen einige Tücken beinhaltet. Zum anderen enthält das Stück mit Giacomo V und Rodrigo zwei extrem anspruchsvolle Tenorpartien, die von den meisten Häusern nicht leicht zu besetzen sein dürften. In Pesaro hat man mit Juan Diego Flórez und Michael Spyres zwei Startenöre engagiert, so dass zumindest die musikalische Besetzung kein Problem darstellt.

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König Giacomo V (Juan Diego Flórez) hat sich als Uberto getarnt, um die geheimnisvolle "Frau vom See" kennen zu lernen.

Das Libretto ist eine Bearbeitung des lyrischen Epos The Lady of the Lake von Sir Walter Scott, das sich zu Rossinis Zeiten in Italien und Frankreich sehr großer Beliebtheit erfreute, auch wenn Stendhal dieses Gedicht als schlecht beurteilte. Elena (Ellen) lebt mit ihrem Vater Duglas (Douglas) zurückgezogen in den schottischen Highlands, nachdem der damalige König Giacomo V (James V.) ihren Vater vom Königshof vertrieben hat. Aus Zorn darüber plant Duglas, mit dem Clan um den mächtigen Rodrigo (Roderick) den König zu stürzen, und verspricht Rodrigo als Gegenleistung die Hand seiner Tochter. Elena sind die Umsturzpläne ihres Vaters und die Enge des Dorfes zuwider, so dass sie sich häufig in die Natur auf einen See flüchtet. Dort begegnet sie am Ufer einem Unbekannten, der sich als Uberto ausgibt, in Wirklichkeit jedoch der König ist. Elena empfindet eine tiefe Sympathie für den Fremden, will aber ihrem heimlichen Geliebten Malcolm die Treue bewahren. Uberto respektiert ihre Gefühle und schenkt ihr einen Ring, mit dem sie sich, wenn sie in Not geraten sollte, vertrauensvoll an den König wenden solle. Nach einem Duell zwischen Uberto und dem eifersüchtigen Rodrigo, in dem Rodrigo fällt, überwältigen die königlichen Truppen die aufständischen Clans und nehmen Duglas und Malcolm gefangen. Als Elena mit dem Ring den König aufsucht, um Gnade für ihren Vater und Malcolm zu erbitten, erkennt sie in dem König den geheimnisvollen Fremden, der ihre Bitte großzügig erfüllt.

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Duglas (Marko Mimica) will seine Tochter Elena (Salome Jicia) zwingen, den Clanchef Rodrigo zu heiraten.

Damiano Michieletto erzählt in seiner Inszenierung die Geschichte in der Retrospektive und wählt dabei einen melancholischen und recht traurigen Ansatz. Noch bevor die Musik beginnt, sieht man Elena und Malcolm als altes Ehepaar, die sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Elena verehrt ein Portrait des Königs wie einen Schrein, und Malcolm leidet unter dem Gefühl, dass Elena scheinbar bereut, ihn damals dem König vorgezogen zu haben. So nimmt er das Bild des Königs in die Hand und will es am Tisch zerschmettern. Doch Elena, die neue Blumen für den Tisch mit dem Portrait geholt hat, hindert ihn daran. Im Folgenden schüttet er das Blumenwasser über den Tisch und lässt Elena allein im Raum zurück, die verzweifelt versucht, das Wasser mit den Händen aufzufangen. Soll das eine erste Anspielung auf den See sein? Wenn Elena dann zum Beginn der Musik in die Vergangenheit eintaucht, gibt der Raum zunächst durch geschickte Lichtregie den Blick auf den Chor der Hirten und Jäger frei, die im Hintergrund wie Geister der Vergangenheit erscheinen. Anschließend verschwindet der Raum im Schnürboden, und man sieht ein riesiges verfallenes Haus, in dem wohl Elena ihre Jugend verbracht hat. Die Ruine ist von hohem Schilf überwuchert, und in der Mitte befindet sich ein winziger Teich, der wohl den See darstellen soll. Hier taucht nun die junge Elena auf und begegnet am "See" erstmals dem König. Die alte Elena hält den Ring in den Händen, den der König ihr einst gegeben hat, und steckt ihn wie ein Geist an seinen Finger. Dabei wird deutlich, wie tief ihre Gefühle für den König sind und dass Malcolm eigentlich gar keinen Platz in ihrem Leben hat.

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Elena (Salome Jicia) zwischen Liebe und Pflichtgefühl: auf der linken Seite: Serano (Francisco Brito) und Rodrigo (Michael Spyres), auf der rechten Seite: Duglas (Marko Mimica) und Malcolm (Varduhi Abrahamyan)

Man mag diesen Ansatz mögen oder nicht, jedenfalls wird er im weiteren Verlauf des Stückes ein wenig überstrapaziert, da die alte Elena und der alte Malcolm ständige Begleiter der Szene bleiben. So wird zwar das Wiedersehen zwischen Elena und Malcolm im ersten Akt innig gestaltet und versöhnt mit dem traurigen Leben der beiden im Alter, hat aber dennoch einen bitteren Beigeschmack. Elena tauscht nämlich eigentlich nur Zärtlichkeiten mit dem alten Malcolm aus, und Malcolm herzt die alte Elena. Als die beiden alten Menschen während des Duetts zueinander finden, verweilt das Glück nur einen kleinen Augenblick. Unklar bleibt, wieso die alte Elena mit schwarzen Blumen im Unterrock aus dem Wasser steigt, wenn Duglas seine Tochter zwingen will, Rodrigo zu heiraten. Auch die Tatsache, dass Elena am Ende ihr Alter Ego in den See schubst und sich während ihres Schluss-Rondos selbst in die alte Frau verwandelt, wirft Fragen auf. Paolo Fantin hat mit der riesigen von hohem Schilf überwucherten Ruine ein beeindruckendes Bühnenbild entworfen, das in eine surreale Welt eintauchen lässt, wie sie in einer Traumsequenz erlebbar ist. Wenn die Ruine im zweiten Akt auch noch angehoben wird, gibt die Bühne einen Blick auf ein Schilfmeer frei, das zwar am Schluss nicht mehr zum Schloss des Königs passt, aber dennoch mit den Lüstern, die dann aus dem Schnürboden herabgelassen werden, schön anzusehen ist.

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Rivalen unter sich: Giacomo V (Juan Diego Flórez, links) und Rodrigo (Michael Spyres, rechts)

Musikalisch lässt der Abend keine Wünsche offen und bewegt sich auf Festspielniveau. Juan Diego Flórez, der in Pesaro bereits in der letzten Produktion die Partie des Königs interpretiert hat, begeistert erneut mit strahlenden Höhen und sauber angesetzten Spitzentönen. Wie er in der Kavatine im zweiten Akt, "Oh soave fiamma" mit flexibler Stimmführung als Hirte verkleidet auf der Suche nach seiner Geliebten Elena ist, löst beim Publikum genauso frenetischen Beifall aus wie die Duette mit Elena im ersten Akt. Salome Jicia, die im letzten Jahr als Contessa di Folleville in der Accademia del Belcanto Produktion von Il viaggio a Reims aufgetreten ist, bewegt sich in der Titelpartie absolut auf Augenhöhe. In den beiden Duetten mit Flórez findet Jicia zu einer betörenden Innigkeit, die die Frage aufwerfen lassen, ob die alte Elena nicht zurecht ihre Entscheidung für Malcolm bereut. Das berühmte Schlussrondo "Tanti affetti in tal momento" gestaltet Jicia mit beweglicher Stimmführung und sauber ausgesungenen Koloraturen, wobei lediglich ihre Verwandlung in die alte Elena in dieser Szene verwirrt. Mit Michael Spyres als Rodrigo hat Flórez stimmlich und darstellerisch einen kongenialen Gegenspieler. Wie sich die beiden vor dem großen Duell im zweiten Akt die hohen Töne regelrecht um die Ohren hauen, ist großartig. Auch in seiner Auftrittskavatine punktet Spyres mit sauber angesetzten Spitzentönen und atemberaubenden Oktavsprüngen.

Ein weiterer Glanzpunkt der Inszenierung ist Varduhi Abrahamyan, die schon vor vier Jahren in der Partie des Malcolm am Theater an der Wien für Begeisterungsstürme sorgte. Ihr warmer und beweglicher Alt geht unter die Haut, wenn sie in ihrer Auftrittskavatine "Elena! oh tu, che chiamo!" ihre Gefühle für die Geliebte offenbart, die Malcolm letztendlich dazu veranlasst haben, sich den Rebellen anzuschließen. Im Duett mit Jicia verschmelzen die beiden Stimmen zu einer Einheit, die erwarten lässt, dass Elenas Entscheidung für Malcolm doch die richtige ist. Marko Mimica punktet als unerbittlicher Vater Duglas mit dunklem Bass, und Ruth Iniesta lässt als Elenas Vertraute Albina mit leuchtendem Sopran aufhorchen, auch wenn Michielettos Personenregie bei dieser Figur nicht ganz klar wird. So ist es Albina, die Rodrigo zu Elena und Giacomo führt und damit indirekt Auslöser des folgenden Duells wird. Der von Andrea Faidutti einstudierte Chor und das Orchester des Teatro di Comunale di Bologna unter der Leitung von Michele Mariotti runden den musikalischen Abend hervorragend ab, so dass es für alle Beteiligten am Ende frenetischen Beifall gibt.

FAZIT

Musikalisch ist der Abend ein Fest der Stimmen. Über die Inszenierung kann man geteilter Meinung sein.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michele Mariotti

Regie
Damiano Michieletto

Bühne
Paolo Fantin

Kostüme
Klaus Bruns

Licht
Alessandro Carletti

Chorleitung
Andrea Faidutti



Chor und Orchester des
Teatro Comunale di Bologna


Solisten

Giacomo V - Uberto
Juan Diego Flórez

Duglas
Marko Mimica

Rodrigo
Michael Spyres

Elena
Salome Jicia

Malcolm
Varduhi Abrahamyan

Albina
Ruth Iniesta

Serano / Bertram
Francisco Brito

Elena anziana
Giusi Merli

Malcolm anziano
Alessandro Baldinotti


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