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Ruhrfestspiele Recklinghausen 01.05.2016 - 19.06.2016 Don Giovanni. Letzte Party
Bastardkomödie Produktion des Thalia Theater Hamburg (Premiere in Hamburg: 25.01.2013) Premiere im Großen Ruhrfestspielhaus Recklinghausen am 13. Juni 2016 |
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Mozart zum Mitsingen Von Thomas Molke / Fotos folgen Die Geschichte des Schwerenöters Don Juan dürfte wohl als einer der erfolgreichsten Mythen der modernen europäischen Literatur gelten, der in den nur drei Jahrhunderten seiner Existenz zu mehr als 500 Bearbeitungen inspiriert hat. Als eine der berühmtesten kann man Mozarts Dramma giocoso auf das Libretto von Lorenzo da Ponte betrachten, das zum Standardrepertoire eines jeden größeren und kleineren Opernhauses zählt. Wenn bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen allerdings das Thalia Theater aus Hamburg mit diesem Stück in einer Inszenierung von Antú Romero Nunes eingeladen ist, der ja unter anderem bei den Münchner Opernfestspielen Rossinis Guillaume Tell doch sehr frei bearbeitet hat (siehe auch unsere Rezension), darf man sicherlich zu Recht die Frage stellen, wie viel Mozart in dieser Fassung überhaupt noch enthalten ist. Und fairer Weise muss man zugeben: Um Mozarts Oper kennen zu lernen, eignet sich Nunes' Ansatz keineswegs. Aber das scheint auch nicht die Intention des Publikums zu sein, das sich an diesem Abend im Großen Ruhrfestspielhaus eingefunden hat. Für die Zuschauer steht wohl mehr die "Letzte Party" im Mittelpunkt. Wenn Mirco Kreibich als Leporello zu Beginn des Abends in einem fantasievollen Rokoko-Kostüm von Annabelle Witt auf die Bühne schlurft, erwartet die Zuschauer keineswegs die Ouvertüre, sondern Gesangs-Unterricht. So baut sich Kreibich vor dem Publikum auf und lässt es zu "Blablabla" die Tonleiter singen. Erstaunlich ist, wie schnell die Zuschauer seiner Aufforderung folgen. Ein einziges Vorsingen reicht, und das Publikum nimmt die vorgetragene Melodie sofort auf, zugegebener Maßen stimmlich noch etwas harmonischer als Kreibich, der an diesem Abend recht heiser klingt. In diesem Stil geht es dann weiter. Als Orchester tritt eine Band bestehend aus sechs Frauen auf, die Mozarts Musik immer wieder anklingen lassen. Sebastian Zimmler gibt den Titelhelden, der nicht damit zufrieden ist, die Herzen von Donna Anna, Donna Elvira und Zerlina zu brechen. So flirtet er auch direkt beim ersten Auftritt mit einer Dame im Publikum und lädt zu seiner "letzten Party" insgesamt 100 Frauen aus dem Publikum ein. So wird die Pause auch erst eingeläutet, nachdem genügend Damen dieser Einladung auf die Bühne gefolgt sind. Zwischendurch gibt es dann im Wechselgesang zwischen den Frauen auf der Bühne und dem überwiegend männlichen Teil des restlichen Publikums immer wieder Auszüge aus Don Giovannis Champagner-Arie. Erst als genügend "Gäste" auf der Bühne versammelt sind, senkt sich der Vorhang, und Don Giovanni schickt die Herren mit dem süffisanten Satz in die Pause: "Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde gut auf Ihre Frauen aufpassen." Wenn man dann nach der Pause in den Zuschauerraum zurückkehrt, scheint auf der Bühne immer noch die große Party mit lauter Musik im Gang zu sein. Und die Zuschauerinnen sind nun richtig ins Spiel integriert und tanzen auf der Bühne. Für den Rest des Stückes bleiben die Damen auch dort und sehen aus nächster Nähe, wie Don Giovanni vom steinernen Gast geholt wird. Diesen stellt Karin Neuhäuser in schwarzem ausladenden Kleid mit langer Haarpracht als eine Art Femme fatale dar. Sie ist die Frau, die nicht von Don Giovanni verführt wird, sondern ihn letztlich seinem Schicksal zuführt. Mit rauchiger Stimme bittet sie zunächst Leporello, der sich als Don Giovanni maskiert hat, um Feuer, das dieser sich - etwas platter Regie-Gag - aus der Unterhose holt. Wenn dieser die Dame aber anschließend fragt, ob er sie begleiten dürfe, macht Neuhäuser mit großartiger Diktion deutlich, wie vielsagend das kleine Wörtchen "Später" ausgedrückt werden kann. Und dann kommt immer wieder das berühmte "La ci darem la mano", was das Publikum am Ende dann auch mitsummt. Zu diesem Lied reicht Don Giovanni dem Tod dann die Hand, um aus dem Leben zu scheiden. Auch die übrigen Figuren machen in dieser freien Bearbeitung der Oper eine gute Figur. Cornelia Schirmer und Bruno Cathomas geben Zerlina und Masetto als urkomisches Bauernpaar aus dem einfachen Volk. Wie sie sich gegenseitig beschimpfen und auf die Palme bringen, ist mit wunderbarem Sprachwitz gewürzt. Sei es, dass Schirmer als Zerlina ihrem Masetto immer wieder erklärt, dass es keinen Zweck habe, sich zu verstecken, da ein Teil seines Bauches doch immer hervorschauen werde, oder sie absolut empört ist, dass Masetto sie wirklich schlägt, nachdem sie ihn eindringlich darum gebeten hat. Cathomas überschlägt sich als Masetto regelrecht mit den Vorwürfen, die er seiner Geliebten Zerlina macht. Wesentlich gesitteter geht es da schon bei Lisa Hagmeister als Donna Anna und André Szymanski als Don Ottavio zu. Hagmeister gibt die Anna absolut spröde und spielt ihre Hinhaltetaktik bei Ottavio großartig aus. Szymanski hat für den zaudernden und bis zur Langeweile verständnisvollen Ottavio den einen oder anderen Gag auf Lager, wenn er beispielsweise Anna erklärt, wie gerne er doch für sie einkaufen gehen möchte. Cathérine Seifert rundet als Donna Elvira das spielfreudige Ensemble mit großer Komik ab. So bewegt sie sehr synchron die Lippen zur eingespielten Arie, bis das Kabel reißt und sie Don Giovanni bittet, den Ton wieder herzustellen. Später tritt sie mit Megaphon auf, hat aber auch hier bei der Bedienung technische Probleme. Am Ende gibt es großen Jubel für alle Beteiligten. FAZIT Das Publikum hat großen Spaß an dieser "Bastardkomödie", die mit Mozarts Vorlage eigentlich nur noch rudimentär zu tun hat. Weitere Rezensionen zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2016
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ProduktionsteamRegie Musik und musikalische Leitung Bühne Kostüme Licht Dramaturgie
Gesang Keys, Piano Gitarre Bass Drums Trompete Saxophon, Bassklarinette, Flöte
Solisten
Don Giovanni Donna Anna
Don Ottavio Commendatore Donna Elvira Leporello Masetto Zerlina
Weitere |
- Fine -