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Musikfestspiele
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Ruhrfestspiele Recklinghausen
01.05.2016 - 19.06.2016

Romeo und Julia

Ballett von Thierry Malandain
Musik von Hector Berlioz

Aufführungsdauer: ca. 1 h 20' (keine Pause)

Koproduktion Grand Théâtre de Luxembourg, Teatro Victoria Eugenia de San Sebastián, Opéra de Reims und Centre Chorégraphique National d'Aquitaine en Pyrénées-Atlantique Malandain Ballett Biarritz

Premiere im Großen Ruhrfestspielhaus Recklinghausen am 16. Mai 2016 (15:00 Uhr)
(rezensierte Aufführung: 16.05.2016, 20:00 Uhr)

 

 

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Ab in die Kiste

Von Thomas Molke / Fotos von Olivier Houeix

Die Salzburger Pfingstfestspiele unter dem Motto "Romeo und Julia" sind gerade zu Ende gegangen, da widmet man sich auch bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen im Ruhrfestspielhaus Shakespeares berühmtem Liebespaar. Während in Salzburg John Crankos Ballettklassiker Romeo und Julia aus dem Jahr 1962 zu erleben war, präsentiert man in Recklinghausen die letzten drei Vorstellungen von Thierry Malandains Choreographie Romeo und Julia, die er 2010 für seine Compagnie CCN Malandain Ballet Biarritz kreierte. Doch nicht nur die Tanzsprache ist bei Malandain eine ganz andere als in Crankos Ballett. Auch für die musikalische Untermalung greift Malandain nicht wie Cranko auf Prokofjews Fassung zurück, sondern wählt die 1839 komponierte dramatische Symphonie Roméo et Juliette von Hector Berlioz. Anders als bei Prokofjew war dieses Werk ursprünglich nicht als Ballettmusik sondern als Konzertstück für Soli und Chöre gedacht. Dementsprechend schwierig ist es somit auch, die Geschichte entlang der Musik als Handlungsballett zu erzählen.

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Ein Roméo und eine Juliette beim Liebesduett

Berlioz' Symphonie besteht aus insgesamt drei Teilen mit sieben Nummern und lässt sich musikalisch als Hommage an Beethovens 9. Symphonie betrachten. So verwendet auch Berlioz einen Chor und mehrere Solisten. Anders als bei Beethoven durchzieht allerdings der Gesang die gesamte Symphonie und hat eine narrative Funktion. Roméo und Juliette erhalten bei Berlioz keine eigenen Stimmen, sondern werden nur vom Orchester repräsentiert, was vielleicht dazu führte, dass Maurice Béjart 1966 als einer der ersten Choreographen diese Symphonie vertanzen ließ. Malandain sieht die beiden nicht nur als ein einzelnes Paar, das durch Raphaël Canet und Claire Lonchampt verkörpert wird, sondern stellt ihnen noch sieben weitere Roméos und Juliettes zur Seite, so dass die ganze Compagnie in Paaren das Schicksal der beiden Liebenden ereilt. Die einzige Figur, die in der Symphonie eine eigene Stimme erhält, ist Père Laurence. Malandain stellt seine Klagearie "Pauvres enfant que je pleure" aus dem dritten Teil an den Anfang des Stückes und rollt die Geschichte von hinten auf. Wenn sich der Vorhang öffnet, sind Roméo und Juliette bereits tot. So liegt die ganze Compagnie leblos auf Metallkisten, während Frederik Deberdt klagend aus dem Hintergrund hervortritt.

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Auseinandersetzung mit fatalen Folgen: Tybalt (Daniel Vizcayo, rechts) und Mercutio (Arnaud Mahouy, links) (im Hintergrund: Ensemble bei "Aufräumarbeiten")

Für das Bühnenbild hat Malandain sich für eine Stilrichtung entschieden, der der Kunstkritiker Germano Celant den Namen "Arte Povera" verlieh. Hierbei versucht man, banalen und alltäglichen Gegenständen einen Sinn zu verleihen und ein Bild allein durch die Macht der Fantasie entstehen zu lassen. Malandain verwendet dazu 16 Metallkisten, die auf der Bühne hin- und hergeschoben werden und mal als Totenbett, mal als Liebesnest und dann wieder als Kostümkoffer dienen, aus dem die Tänzerinnen ihre Kleider nehmen. So bilden sie übereinander gestapelt eine Mauer, die den Saal der Capulets beim großen Ball von der Außenwelt abtrennt, oder bieten in unterschiedlichen Höhen die Möglichkeit, die berühmte Balkonszene vor dem geistigen Auge des Zuschauers entstehen zu lassen. Am Ende heißt es dann für die Tänzerinnen und Tänzer "Ab in die Kiste", und damit sind die Toten begraben.

Die Verachtfachung des Liebespaares wirft dramaturgisch einige Probleme auf. So bekommen Canet und Lonchampt keine Möglichkeit, in der großen Liebesszene im zweiten Teil, den tiefen Gefühlen in modernem Ausdruckstanz genügend Raum zu geben. Relativ schnell werden sie nämlich in ihrem Duett von einem weiteren Pärchen abgelöst, so dass man zwar kurze Liebesszenen im Tanz präsentiert bekommt, diese allerdings nicht dem Titelpaar richtig zuordnen kann. Etwas schief ist auch der Rollenwechsel, den Deberdt am Ende vollzieht, wenn er sich vom sterbenden Roméo in Bruder Laurent verwandelt, der die ganze Szene beobachtet. Auch die Einbindung des Kampfes zwischen Tybalt und Mercutio gestaltet sich etwas schwierig, da diese Szene in Berlioz' Komposition so eigentlich nicht vorkommt. Malandain schließt den Kampf an das Scherzo "La reine Mab, reine des songes" an, in dem Arnaud Mahouy als Mercutio in einem grünen leichten Kleid lebhaft über die Bühne springt. Nun stellt sich ihm Daniel Vizcayo als Tybalt entgegen und es kommt zum Kampf, der durch Roméos Eingreifen für beide tödlich endet.

Da die Musik und der Gesang vom Band eingespielt werden und auf eine Übertitelung verzichtet wird, ist es teilweise sehr schwer dem gesungenen Text zu folgen. Wahrscheinlich setzt man die große Bekanntheit der literarischen Vorlage voraus, so dass auch im Programm kein Handlungsablauf aufgeführt ist. Das Publikum zeigt sich jedenfalls begeistert vom modernen Ausdruckstanz der Compagnie und spendet dem Ensemble am Ende großen Beifall.

FAZIT

Freunde des modernen Ausdruckstanzes kommen bei dieser Version des Klassikers auf ihre Kosten. Wenn man einen Tag zuvor allerdings John Crankos Fassung aus dem Jahr 1962 gesehen hat, tut man sich mit der modernen Umsetzung ein bisschen schwer. 

Weitere Rezensionen zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2016

 

Produktionsteam

Choreographie
Thierry Malandain

Kostümdesign
Jorge Gallardo

Lichtdesign
Jean-Claude Asquíé

 

Solisten

Roméo
Raphaël Canet

Juliette
Claire Lonchampt

Bruder Laurent
Frederik Deberdt

Mercutio
Arnaud Mahouy

Tybalt
Daniel Vizcayo

Der Prinz
Mickaël Conte

Roméos
Mickaël Conte
Frederik Deberdt
Baptiste Fisson
Michaël Garcia
Hugo Layer
Arnaud Mahouy
Daniel Vizcayo

Juliettes
Ione Miren Aguirre
Ellyce Daniele
Irma Hoffren
Mathilde Labé
Nuria Lopez Cortés
Patricia Velazquez
Laurine Viel

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Ruhrfestspiele Recklinghausen
(Homepage)



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