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Und immer wieder die GlockeVon Thomas Molke / Fotos von Paula Malone Carty
Enrico (Michele Patti) macht seiner ehemaligen Geliebten Serafina (Rachel Croash) am Hochzeitstag Avancen. Die Oper handelt von dem alten Apotheker Don Annibale Pistacchio, der gerade eine wesentlich jüngere Frau, die schöne Serafina, geheiratet hat. Doch das glückliche Paar wird schon während der Hochzeitsfeierlichkeiten von Serafinas Cousin und ehemaligem Liebhaber Enrico gestört, den Serafina zwar wegen seiner Untreue verlassen hat, der sie allerdings nicht in den Armen eines anderen Mannes sehen möchte. So beschließt er, die Hochzeitsnacht zu verhindern, indem er ständig in neuer Verkleidung die Nachtglocke der Apotheke läutet und somit verhindert, das Don Annibale ins Ehebett kommt. Zunächst gibt er sich als französischer Dandy aus, der viel zu viel getrunken hat und gegen seinen Rausch dringend ein Medikament benötigt. Dann erscheint er als verzweifelter Sänger, der seine Stimme verloren hat, diese allerdings für einen Auftritt am nächsten Tag dringend wieder benötigt. Schließlich tritt er als alter Quacksalber auf, der Don Annibale mit zahlreichen Krankheiten seiner Frau bombardiert und so viele Mittel in Auftrag gibt, dass die Nacht vorbei ist, bevor Don Annibale mit seiner Gattin die Hochzeitsnacht zelebrieren kann. Am nächsten Morgen muss Don Annibale seine Frau zurücklassen, da er dringende Geschäfte zu erledigen hat. Serafina schwört ihm zwar Treue, aber es ist mehr als fraglich, ob sie nicht doch erneut den Avancen ihres verflossenen Liebhabers Enrico erliegen wird. Enrico (Michele Patti, vorne in der Mitte) macht auf der Hochzeit von Serafina (Rachel Croash, Mitte hinten) und Don Annibale (Pietro di Bianco, Mitte hinten) eine Szene (auf der linken Seite: Heather Ireson und Henry Grant, hinten rechts: Spidirione (Aidan Coburn), auf der rechten Seite: Andrew Gavin, Maria Hughes und Michaela Parry als Madama Rosa). Bemerkenswert ist, dass die Partie des Liebhabers nicht mit einem Tenor, sondern mit einem Bariton besetzt ist, was Donizetti die Möglichkeit gibt, die Komik in den Szenen zwischen Don Annibale und Enrico noch zu steigern und zum einen fortzusetzen, was Rossini in seinen großartigen Duetten für zwei Buffo-Bässe beispielsweise in L'inganno felice oder La Cenerentola bereits begonnen hat, zum anderen vorwegzunehmen, was er später in seinem Don Pasquale perfektionieren wird. Auch nimmt man der Figur des Enrico so eher seine Untreue ab und kann nachvollziehen, wieso Serafina sich für den Apotheker entschieden hat. Hier geht Recchia sogar noch einen Schritt weiter. Bei ihm ist Don Annibale nämlich keineswegs ein alter Mann, sondern in den besten Jahren und stellt für Enrico wirklich einen ernstzunehmenden Rivalen dar. Wenn Serafina ihren Gatten also während der Hochzeit anhimmelt, nimmt man ihr die Verliebtheit wirklich ab. Doch ganz so lieb ist sie natürlich auch nicht, so dass sie sich nach anfänglichen Protesten im weiteren Verlauf des Stückes Enricos Annäherungsversuchen gegenüber nicht abgeneigt zeigt. Don Annibale (Pietro di Bianco) ist genervt von seiner Schwiegermutter Madama Rosa (Michaela Parry). Recchia inszeniert mit dem jungen Ensemble das Stück als regelrechte Slapstick-Komödie, die nicht nur von den beiden Buffo-Partien mit großer Komik getragen wird. Auch die kleineren Partien sind gut besetzt. So hat der vierköpfige Chor zwar zu Beginn mit der Pianistin Tina Chang leichte Abstimmungsprobleme bei den Tempi, gleicht diese aber nicht zuletzt durch komödiantisches Spiel wieder aus. Ein Höhepunkt dürfte der eingefügte Toast "De-Lovely" von Cole Porter sein, den Don Annibale über sich ergehen lassen muss, während er sich nichts sehnlicher wünscht, als dass die Hochzeitsfeier endlich vorbei ist. Hier präsentieren Maria Hughes, Heather Ireson, Andrew Gavin und Henry Grant Kerswell an einem nicht existierenden Kontrabass Porters Song in einem beschwingten Quartett, der mal a cappella erklingt, dann wiederum vom Klavier begleitet wird. Chang darf anschließend am Klavier auch noch sängerisch tätig werden und setzt mit schwarzer Perücke als Gloria Gaynor zu "I will survive" an, bevor Don Annibale dem bunten Treiben dann schließlich doch ein Ende setzt. Auch Michaela Parry punktet als Serafinas Mutter Madama Rosa mit irrsinnig komischem Talent. Zunächst verweigert ihr Schwiegersohn ihr den Kuchen und den Alkohol, und er weiß auch warum. Sobald sie nämlich das eine oder andere Glas getrunken hat, ist sie nicht mehr zu bremsen. Recchia hat dafür die Toast-Arie "Il segreto per esser felici" wieder eingefügt, die Donizetti aus der Oper Lucrezia Borgia in die erste Fassung übernommen und später gegen die Arie "Mesci, mesci" ausgetauscht hatte. Parry gewährt hier nicht nur im alkoholisierten Zustand tiefe Einblicke unter ihren Rock, sondern zeigt auch noch die Folgen des überhöhten Alkoholkonsums, indem sie sich passend auf den Takt zur Musik in ihren Hut übergibt. Enrico (Michele Patti, hinten) hält in verschiedenen Verkleidungen (hier als indisponierter Sänger) Don Annibale (Pietro di Bianco, vorne) vom Schlafen ab. Auch die relativ kleine Rolle des Apotheker-Gehilfen Spiridione wird in Recchias Inszenierung aufgewertet. So erhält Aidan Coburn nicht nur eine eigene Toast-Arie, die in keiner der beiden Fassungen von Donizetti vorkommt, sondern darf auch noch Chang am Klavier ablösen und später mit pseudo-asiatischer Kampfkunst überzeugen. Rachel Croash stattet die Serafina mit kräftigem Sopran aus und begeistert durch mädchenhaftes Spiel. Mit Pietro di Bianco als Don Annibale und Michele Patti als Enrico stehen in der Inszenierung zwei Vollblutkomödianten auf der Bühne, die die Aufführung perfekt machen. Di Bianco begeistert mit markantem Bassbariton, der zum einen über eine dunkle Färbung verfügt und auch in den Höhen glänzen kann. Wunderbar spielt er den Wunsch aus, endlich zu seiner Gattin ins Bett zu kommen, wobei er daran immer wieder aufs Neue von Patti gehindert wird. Dieser begeistert stimmlich mit virilem Bariton und setzt darstellerisch zahlreiche komische Akzente. Wenn er zu Puccini-Klängen in die Rolle eines indisponierten Sängers schlüpft und seine wallende Mähne wehen lässt, zeichnet er das Künstler-Milieu mit großer Selbstironie. Als alter Mann überzeugt er mit wahnwitzig schnellem, näselndem Parlando-Ton, bei dem auch die Übertitel nicht mithalten können. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Roberto Recchia macht Donizettis selten gespielten Einakter zu einem Höhepunkt des diesjährigen Festivals. Dieses Werk hätte mit Blick auf die Qualität der Musik und den Witz der Geschichte durchaus den Weg ins Repertoire verdient.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2016 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungTina Chang Regie Kostüme und Requisiten Licht Solisten
Serafina
Don Annibale
Spiridione
Madama Rosa Enrico Chor-Sopran Chor-Mezzosopran Chor-Tenor Chor-Bass
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- Fine -