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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
08.07.2016 - 24.07.2016


Il conte di Marsico

Salonoper in einem Prolog und zwei Akten
Libretto von Anacleto Balducci und Vincenzo Salvagnoli
Musik von Giuseppe Balducci

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)

Gastspiel des Teatre de Sarrià Barcelona in Zusammenarbeit mit der Opera di Firenze - Maggio Musicale Fiorentino

Premiere im Königlichen Kurtheater am 10. Juli 2016

 

 

 

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Hausfrauenpower

Von Thomas Molke / Fotos: © Toni Bofill

Wer so spitz rechnen muss wie das Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad, tut gut daran, auch Produktionen in das Festspiel-Programm zu übernehmen, die bereits anderswo zur Aufführung gelangt sind. Im letzten Jahr hat Festspiel-Intendant Jochen Schönleber am Teatre de Sarrià in Barcelona unter der musikalischen Leitung von Raúl Giménez mit jungen Sängerinnen und Sängern Manuel Garcías Salonoper Le Cinesi in Szene gesetzt und anschließend mit großem Erfolg auch in Bad Wildbad zur Aufführung gebracht (siehe auch unsere Rezension). In diesem Jahr setzt er diese Zusammenarbeit fort, und so gibt es mit Giuseppe Balduccis Il conte di Marsico wieder ein Gastspiel des Teatre de Sarrià Barcelona - dieses Mal in Zusammenarbeit mit der Opera di Firenze - Maggio Musicale Fiorentino. Wie bereits bei Le Cinesi hat Raúl Giménez dieses Stück ebenfalls in einem Workshop erarbeitet. Balducci, der als Musiklehrer für die Töchter der Adelsfamilie Capece Minutolo in Neapel insgesamt fünf Salonopern mit Klavierbegleitung komponierte, ist in Bad Wildbad kein Unbekannter mehr. So wurden bereits 2006 I gelosi, 2007 Boabdil - re di Granata und 2011 Il noce di Benevento im Königlichen Kurtheater aufgeführt, das für die Besetzung mit zwei Klavieren und sechs Frauenstimmen einen geeigneten Aufführungsort mit intimem Rahmen darstellt.

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Agnese (Mae Hayashi, Mitte) will ihre Tochter Chiara (Serena Sáenz Molinero, rechts) mit Gualtiero (Karina Repova) verheiraten.

Die Handlung spielt im 13. Jahrhundert in Marsico und ist reichlich verworren. Die Gräfin Agnese Sanseverino, Gattin des verstorbenen Conte di Marsico, will ihre Tochter Chiara mit dem Grafen von Nocero, Gualtiero Filangieri, vermählen. Aufgrund der politischen Verhältnisse besteht die Gefahr der Enteignung, da Agneses Mann sich einst das Schloss unrechtmäßig angeeignet hat. Nun taucht Ruggiero, der Sohn des ehemaligen Besitzers und Agneses Neffe, auf und erhebt Anspruch auf das Schloss und den Titel. Chiaras ehemalige Amme Maria bezichtigt Ruggiero des Diebstahls, weil er des Nachts heimlich ins Haus eingedrungen ist und Güter aus dem Keller entwendet hat. Doch Ruggiero behauptet, dass diese Gegenstände seinem Vater gehört hätten. Es kommt zum Streit, und Ruggiero fordert Gualtiero zum Duell. Agnese beschließt, Chiara gegen ihren Willen mit Ruggiero zu vermählen, um ihren Anspruch am Schloss zu wahren. Chiara ist davon ebenso wenig begeistert wie ihre Freundin Lucia, die selbst in Ruggiero verliebt ist. Im gemeinsamen Gebet suchen die beiden jungen Frauen nach einer Lösung, als Maria erscheint und die beiden über das bevorstehende Duell informiert. Chiara und Lucia versuchen, das Duell zu verhindern. Agnese fordert erneut, dass Chiara Ruggiero heiratet, und Gualtiero ist aus Liebe zu Chiara und zur Rettung ihres Anspruchs auf das Schloss bereit, auf die Geliebte zu verzichten. Doch Ruggiero liebt Lucia, die eigentlich Teodora d'Aquino ist, die Tochter eines guten Freundes, der wie sein Vater einst verbannt worden ist. Chiara will er als Schwester anerkennen, so dass sie gemeinsam im Schloss herrschen können. Mit dieser Lösung ist dann auch Agnese einverstanden.

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Chiara (Serena Sáenz Molinero, links vorne) und Lucia (Marina Viotti, links dahinter) wollen das Duell zwischen Gualtiero (Karina Repova, Mitte) und Ruggiero (Mar Campo, rechts) verhindern.

Jochen Schönleber wählt für die recht verworrene Geschichte einen leicht humoristischen Ansatz, wobei er mit einem leichten Augenzwinkern auch auf die Entstehung der Oper abhebt. Da Balducci das Stück für sechs Frauen komponierte, die als Angehörige einer Adelsfamilie so gestellt waren, dass sie keinem Beruf nachgehen mussten, stellt Schönleber in seiner Inszenierung zunächst sechs Frauen auf die Bühne, deren Beschäftigung im Haushalt liegt. So treten die Sängerinnen mit diversen Putzutensilien zur Ouvertüre auf und machen erst einmal sauber, bevor sie beschließen, die Hausarbeit beiseite zu legen und in die Rollen des Stückes zu schlüpfen. Claudia Möbius hat dafür recht moderne Kostüme entworfen und kleidet alle sechs Protagonistinnen in Hosen. Während Chiara und Lucia in ihren Hosenanzügen recht feminin wirken, sind Gualtiero und Ruggiero wie pubertierende Jungen mit Kappe beziehungsweise legerer Jacke ausgestattet. Wieso Agnese eine Art schwarzen Lampenschirm auf dem Kopf trägt, erschließt sich allerdings nicht. Das Bühnenbild ist mit Tüchern, einer Trittleiter und einem Tisch recht einfach gehalten und deutet so einen häuslichen Rahmen an, in dem diese Salonopern im 19. Jahrhundert aufgeführt wurden. Als Requisiten kommen diverse Haushaltsgeräte zum Einsatz. Wenn Gualtiero und Ruggiero sich duellieren, verwenden sie dazu zwei Kehrbleche und benutzen einen eingeklappten Wäscheständer als Schutzschild. Als Soldatenhelme fungieren Putzeimer, und als Wappen dient der Schlauch eines Staubsaugers. Neben den sechs Solistinnen sind auch die Damen des Camerata Bach Chor Poznań unter der Leitung und Mitwirkung von Ania Michalak beteiligt, die mit weißen Hauben wie dienstbare Geister des Hauses den Umbau organisieren. In diesem Ambiente erzählt Schönleber die Geschichte stringent.

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Happy End mit Staubsauger: Lucia (Marina Viotti, rechts) und Ruggiero (Mar Campo, links)

Die Besetzung ist die gleiche wie in Barcelona im April, zumal die sechs Interpretinnen alle Teilnehmerinnen von Raúl Giménez' Meisterklasse in Bad Wildbad sind,die ihr Können bereits tags zuvor im Konzert Rossini & Co. I unter Beweis gestellt haben. Serena Sáenz Molinero begeistert als Chiara mit strahlendem Sopran und bewegendem Spiel. Besonders beeindruckend gelingt ihr das Duett mit Karina Repova als Gualtiero im ersten Akt, wenn die beiden von einer friedlichen Zukunft für ihr Land träumen. Repova verfügt über einen weichen Mezzo und punktet in der Mittellage. Bei den Ausbrüchen in die Höhen fehlt ihrer Stimme noch ein bisschen das Volumen. Mae Hayashi verleiht Chiaras Mutter Agnese darstellerisch sehr herrische Züge, die sie mit einem dunklen Mezzo und einer kräftigen Mittellage noch unterstreicht. Großartig gelingt ihr Duett mit Sáenz Molinero zu Beginn des zweiten Aktes, wenn sie ihre Tochter zwingen will, Ruggiero zu heiraten. Da spielt Hayashi Agneses Unerbittlichkeit überzeugend aus. Umso komischer gelingt dann der Schluss der Oper, wenn Agnese scheinbar völlig unvermittelt einlenkt und mit den anderen zum allgemeinen Jubel in einen Line Dance verfällt, der mit einer Art Can Can endet.

Marina Viotti stattet die Lucia mit warmem Mezzo aus. Ein musikalischer Höhepunkt ist das Gebet im zweiten Akt, bei dem Sáenz Molineros Sopran und Viottis Mezzo zu einer betörenden Einheit verschmelzen. Paula Sánchez-Valverde bleibt als Maria ein bisschen blass, was allerdings eher der Rolle als der Sopranistin anzulasten ist. Aufhorchen lässt auch Mar Campo als Ruggiero die mit variablem Contralto sowohl die tiefen Töne mit ungeheurem Volumen ansetzt, als auch in den Höhen mit großer Durchschlagskraft punktet. Im Duell liefert sie sich mit Repova als Gualtiero einen spannenden Schlagabtausch. Achille Lampo, Davide Bertorello und Federico Piccolo beweisen an den beiden Klavieren, die auf der rechten Seite der Bühne platziert sind, dass diese Salonoper auch ganz ohne Orchester auskommt. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Das Königliche Kurtheater bietet für Balduccis Salonopern ein geeignetes Ambiente, so dass zu hoffen bleibt, dass man in den nächsten Jahren in Bad Wildbad auch die hier noch nicht aufgeführte Oper erleben darf.

Weitere Rezensionen zu Rossini in Wildbad 2016



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Produktionsteam

Klavier und Musikalische Leitung
Achille Lampo

Regie, Bühnenbild und Licht
Jochen Schönleber

Kostüme
Claudia Möbius

Chor
Ania Michalak

 

Camerata Bach Chor Poznań

Klavier vierhändig
Davide Bertorello
Federico Piccolo


Solisten

Agnese Sanseverino
Mae Hayashi

Chiara, ihre Tochter
Serena Sáenz Molinero

Gualtiero Filangieri, Graf von Nocero und
Chiaras Verlobter

Karina Repova

Ruggiero Sanseverino, Agneses Neffe
Mar Campo

Lucia, eigentlich Teodora d'Aquino
Marina Viotti

Maria, Chiaras frühere Amme und
Lucias angebliche Mutter

Paula Sánchez-Valverde


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