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Festival Aix en Provence 2017

Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten KV 588
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


In italienischer Sprache mit französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: 3h 10' (eine Pause)


Koproduktion mit der L'Opéra national de Lorraine, dem Théâtre de la ville de Luxembourg und dem Teatro communale di Bologna
Premiere am 06. Juli 2017 im Théâtre de l'Archevêché Aix-en-Provence


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Festival Aix en Provence
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Und in Frankreich tausendundvier

Von Roberto Becker / Foto von © Pascal Victor / Artcomart

Diesmal fährt Don Giovanni nicht nur nicht zur Hölle. Er landet an seinem letzten Tag auf Erden sogar noch einen Erfolg beim schönen Geschlecht. Er kriegt die Kammerzofe, die er mit der Canzone ansingt, tatsächlich. Obwohl Philippe Sly diese mehr mit der Technik, die jeder Sänger für den Notfall in petto hat, als mit wirklich verführerischem Schmelz singt. Ein Stimmproblem bei der Premiere war unüberhörbar, denn so klar und wohltönend er den Abend begonnen hatte, konnte er weit nach Mitternacht nicht enden. So ist das Leben - er wird die Folgevorstellungen wohl auch stimmlich besser durchstehen. Darstellerisch machte er es auch bei der Premiere schon phantastisch. Einen sich so lustvoll in die Verführung werfenden, seine jugendliche Körperlichkeit ausspielenden Don Giovanni hat man jedenfalls selten gesehen. Da mag es trösten, dass der etablierte Star im jungen Ensemble, Pavel Breslik, mit seinem Don Ottavio vokal auch nicht vor den anderen ins Ziel ging. Krzysztof Baczyk ist ein typgerechter Masetto, gegen den es Don Giovanni als Verführer nicht allzu schwer hat. David Leigh schließlich verleiht dem Commendatore donnernde Präsenz.

Foto kommt später

Don Giovanni und Leoporelle maskiert auf der Pirsch

Überzeugend waren die Frauen: Allen voran die Zerlina von Julie Fuchs, die sich mit der an diesem Abend vorherrschenden überdrehten Motorik und der in ihrer Rolle eigentlich enthaltenen Koketterie und Komik zurückhielt, dafür aber mit vokaler Intensität glänzte. Auch die Donna Anna von Eleonora Brutto hatte die Leuchtkraft für den großen Bogen. Der gelegentliche Überdruck von Isabel Leonard für ihre Donna Elvira war zu verschmerzen, weil sich auch sie rückhaltlos auf das große Spiel einließ, das Regisseur Jean-François Sivadier entfesselt. Dabei hatten Don Giovanni und sein singender Gefolgsmann Leporello Nahuel di Pierro den Hauptteil zu tragen.


Vergrößerung in neuem Fenster Der Frauenheld, wie er sich selbst am liebsten sieht

Sich in der manchmal auch tragischen Komik auszutoben, darum ging es dieser zu keiner Zeit langweiligen Lesart vor allem. Diese Art von Regie ist in erster Linie eine Methode. Man versammelt das Personal auf karger Spielfläche mit ein paar wenigen Ausstattungs-Versatzstücken. Man lässt sie gekleidet wie bei einer Probe oder als Alltagsmenschen von heute beginnen und schaut dann dabei zu, wie sie sich vom Stück gefangen nehmen lassen. Und wie sie dabei - Kleidungsstück um Kleidungsstück und Maske um Perücke - immer mehr zu den Figuren werden, die sie verkörpern. Um dann, wenn die ganze Sache Richtung finale Katastrophe kippt, wieder zurück zu sich selbst zu kommen.

Foto kommt später

Donna Anna sorgt für düstere Momente

Wenn sich die Zuschauer zu Beginn einfinden, dann sind sie alle auf der Spielfläche im Freilufttheater schon da. Da die Vorstellung "schon" 21.30 Uhr beginnt, ist es auch noch hell. Alexandre de Dardel hat eine schräge Spielfläche vor die mit weißem Putz verkleidete Wand des ehemaligen erzbischöflichen Palastes gesetzt, die auch in ihrer unverkleideten Form wie maßgeschneidert zu jeder Don Giovanni-Inszenierung passen würde. Die wird immer mal von durchsichtigen schwarzen Vorhängen verdeckt. Zum turbulenten ersten Finale rieselt nicht nur der Putz, sondern ein Mann traktiert die Rückwand mit einem Vorschlaghammer. Was man ahnt, tritt nach der Pause ein: Hier wird eine Plastik des Komturs sichtbar; genauer gesagt seine Hülle, sein Mantel. Wenn dann die große Abrechnung kommt, wird der fast völlig nackte Don Giovanni aber nicht von der Hölle verschluckt. Er bleibt im Lichtspot stehen, als wäre er der Heiland für alle die, die zurückbleiben.


Vergrößerung in neuem Fenster Don Giovanni am Ende …. oder doch nicht?

Don Giovanni ist in Aix-en-Provence ein junger Mann von heute, der bewusst mit den Klischees einer Vergangenheit spielt, in der die Libido der Männer mit andrem Stift bilanziert wurde als das Liebesbedürfnis der Frauen, das ja bei Mozart und Da Ponte immerhin auf die Tagesordnung kommt. Wenn auch mehr oder weniger verdeckt. In der Bühnenästhetik von Beginn an, inhaltlich aber vor allem von ihrem Ende her, nimmt diese Inszenierung den Don Giovanni so gegenwärtig, wie man heute gemeinhin Così fan tutte interpretiert. Die Kurve von der ziemlich bewegten, mit szenischem Witz aufgemöbelten Show zu einem ernstzunehmenden Statement zum Mythos vom gewissenlosen Verführer kriegt Jean-François Sivadier alles in allem hin. Und Jérémie Rhorer sorgt am Pult des 2005 gegründeten Orchesters "Le Cercle de l'Harmonie", das 2012 auch schon mit Le nozze di Figaro in Aix-en-Provence zu erleben war, für den Drive, ohne den Don Giovanni nicht auf Touren kommt.


FAZIT

Mozarts Don Giovanni gehört zum Kern der Tradition des Musikfestivals in Aix-en-Provence. Mit einem ausgesprochen spielfreudigen Ensemble bietet der aktuelle Jahrgang eine so kurzweilige wie klug gedachte Inszenierung.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jérémie Rhorer

Inszenierung
Jean-François Sivadier

Bühne
Alexandre de Dardel

Kostüme
Virginie Gervaise

Licht
Philippe Berthomé

Chor
Tim Brown



Chor English Voices

Orchester Le Cercle de l'Harmonie


Solisten

Don Giovanni
Philippe Sly

Leporello
Nahuel di Pierro

Donna Anna
Eleonora Buratto

Don Ottavio
Pavol Breslik

Donna Elvira
Isabel Leonard

Zerlina
Julie Fuchs

Masetto
Krzysztof Baczyk

Il Commendatore
David Leigh


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