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Entdeckungen Von Christoph Wurzel / Fotos: Marcus Gernsbeck Bei dem im Rahmen der Osterfestspiele mittlerweile zur Tradition gewordenen Musikfest musizieren die Philharmoniker natürlich für's Publikum, aber zugleich auch ein bisschen für sich selbst. Abweichend vom starren Konzertschema spielen die Musikerinnen und Musiker vor großem Publikum in kleinen Formationen ausgewählte Lieblingsmusik, wie sie meist überhaupt nicht oder jedenfalls nicht so zu hören ist. Und im zweiten Teil präsentiert sich die junge Generation in Gestalt des Bundesjugendorchesters, das seit Jahren in enger Kooperation mit den Berliner Philharmonikern dem Nachwuchs die Chance des ganz großen Podiums bietet. Voller Entdeckungen steckte wie schon in den vergangenen Jahren auch der lange Abend des diesjährigen Musikfests. Er begann mit einer Bearbeitung von Fünf Bagatellen von Antonín Dvořák, kleinen Stücken voller Musizierlaune und böhmischer Volkstümlichkeit. Die hier gewählte Besetzung für Klarinette, Fagott, Horn und Streichquartett gab den Miniaturen mehr Gewicht als in ihrer ursprünglichen, wesentlich schlankeren Fassung für Streichtrio und Harmonium, was ihnen vielleicht etwas an Leichtigkeit nahm. Dafür ließ das Philharmonische Oktett im letzten Satz, einem böhmischen Furiant, dessen volles Temperament entfalten. Wenn bei der Musik Dvořáks die böhmische Volksmusik durchscheint, so empfindet Joseph Canteloube in seiner Suite Rustique die französische Folklore direkt nach. Mit den Schalmeientönen von Klarinette und Oboe und dem Bordun des Fagotts riefen Christoph Hartmann, Leandra Brem und Mor Biron ländliche Klänge hervor. Und Anne Sofie von Otter verstärkte mit leichter, natürlicher Stimme in den anschließenden Chants d'Auvergne die bukolische Stimmung mit dem Lied einer Schäferin, einer elegischen Liebesklage und einem fröhlichen Tanzlied. Leider fanden sich dazu im Programmheft kaum Angaben oder gar Übersetzungen. Mit Anne Sofie von Otter blieb das Programm dann bis zur Pause beim Lied. Bestaunenswert war hier, in welch stilistischer Vielseitigkeit die schwedischen Sängerin den weiten Bogen von Franz Schuberts Romantik über die Chançons von Reynaldo Hahn bis hin zur ironisch gebrochenen Sachlichkeit in den Brechtvertonungen von Hanns Eisler spannte. Anne Sofie von Otter, Luiz Felipe Coelho (Violine), Bettina Sartorius (Violine) und Walter Küssner (Viola) Ist die Stimme von Anne Sofie von Otter auch nicht sehr groß, so beeindruckte doch ihre höchst subtile Ausdeutung des jeweiligen Textes. Bei Schuberts Forelle gelang schön der unvermittelte Umschwung vom scheinbar unbedarften Strophenlied in die fast balladeske dritte Strophe, wo von dem betrügerischen Fischer die Rede ist, der das Wasser „tückisch trübe“ macht, um das Fischlein fangen zu können. Die Begleitung durch fünf Blas- und vier Streichinstrumente anstatt des gewohnten Klaviers brachte einen überraschenden Verfremdungseffekt. Mit kühlem Blick auf die Texte vertonte Hanns Eisler die Gedichte seines Freundes Brecht. Wenn man diese Songs vom Komponisten selbst eher gekrächzt denn gesungen kennt, dann musste man bei Otters Darbietung die Schärfe und die antikulinarische Attitüde vermissen. Die Ironie etwa im Lied von der belebenden Wirkung des Geldes ließ Anne Sofie von Otter jedenfalls mit ihrer subtilen Gestaltung (gerade auch hier im Ambiente des Festspielhauses vielleicht ein wenig augenzwinkernd) dennoch genügend deutlich werden. Bundesjugendorchester unter der Leitung von Simon Rattle In charmanter Lockerheit hatte die Hornistin der Philharmoniker Sarah Willis bereits zu Anfang den Abend moderiert, nun stellte sie nach der Pause das Bundesjugendorchester vor, das sich mit Rachmaninows Dritter Sinfonie präsentieren sollte. Junge Musikerinnen und Musiker zwischen 14 und 19 Jahren finden sich im Bundesjugendorchester in intensiven Arbeitsphasen zu Aufführungsprojekten zusammen, die das Orchester sowohl innerhalb Deutschlands als auch ins Ausland führen. Dabei wird es von namhaften Dirigenten geleitet. Vor einigen Jahren haben die Berliner Philharmoniker die Patenschaft über das Bundesjugendorchester übernommen und Simon Rattle leitet es regelmäßig, wie auch an diesem Abend in Baden-Baden. Mit Rachmaninows Dritter konnte das Bundesjugendorchester seine große Flexibilität im musikalischen Ausdruck beweisen. Von den dramatischen Spannungen des ersten Satzes, über die rhapsodisch-elegische Stimmung des zweiten Satzes bis hin zum dritten Satz in seiner sich furios aufbäumenden Vitalität. Rattle lockte die interpretatorische Intensität der jungen Musikerinnen und Musiker effektvoll heraus und das Orchester folgte mit vernehmbarer Spielfreude seinem Dirigenten. Beeindruckend dabei war in den zahlreichen Solostellen die makellose Tongebung der jungen Instrumentalisten, sei es die elegischen Bläsersoli im erstenSatz oder das berückend schöne Violinsolo zu Beginn des Adagios. Großer, einhelliger Jubel belohnte eine phänomenale Aufführung.
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Antonín Dvořák
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