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Klangvokal Musikfestival Dortmund 28.05.2017 - 25.06.2017
Berlin - Mailand - Hollywood in italienischer, deutscher und englischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause) Aufführung im Konzerthaus Dortmund am 18. Juni 2017 |
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Oper mit Schlager-Feeling Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum Als Simone Kermes vor zwei Jahren beim Klangvokal Musikfestival mit einem Liederabend im Orchesterzentrum / NRW zu Gast war, machte sie mit der ihr ganz eigenen Bühnenpräsenz deutlich, dass sie sich eigentlich eher im Bereich der Oper zu Hause fühlt, und blühte bei den Zugaben, die allesamt dem Opernbereich entstammten, so richtig auf. Nun ist sie erneut zum Klangvokal Musikfestival eingeladen und hat dieses Mal mit der Festivalleitung ein außergewöhnliches Konzertkonzept entwickelt, das ihrer Idee von Oper mit großem Unterhaltungsfaktor sehr entgegenkommen dürfte. Als "Special Guest" hat sie sich mit Roland Kaiser einen Künstler dazu eingeladen, der in einem ganz anderen musikalischen Bereich tätig ist, und startet gewissermaßen ein Cross-over-Projekt, wobei Schlager auf Barockmusik und Belcanto trifft. Dabei präsentiert sie aus knapp vier Jahrhunderten verschiedene Genres, die zu ihrer Zeit stets die Massen bewegt haben und auch heute noch begeistern. So steht sie auf dem Standpunkt: "Hollywood gab es bereits vor 300 Jahren". Denn letztendlich war die Oper im 18. und 19. Jahrhundert genauso eine "Traumfabrik" wie heute das Kino. Dementsprechend ist wohl auch der Titel des Konzertes zu verstehen. Berlin steht für Roland Kaiser, der ebendort geboren ist und mit über 90 Millionen verkauften Tonträgern zu den bekanntesten Protagonisten des deutschen Schlagers zählt. Mailand verkörpert stellvertretend für Italien einen Ort, an dem die Oper auch heute noch in der berühmten Mailänder Scala eine bedeutende Rolle spielt. Hollywood hat nicht nur zahlreiche berühmte Filme hervorgebracht, sondern auch Filmmusiken, die mittlerweile zu Klassikern avanciert sind. So lässt sich das Konzert wie der Titel grob in diese drei Bereiche gliedern. Den Anfang macht bis zur Pause die Oper. Dabei kokettiert Kermes auf ihre gewohnt charmante Art mit dem Dortmunder Publikum und fragt nach ihrem ersten Auftritt ganz frei heraus, wer denn jetzt eigentlich nur wegen Roland Kaiser gekommen sei, und fordert, als nur vereinzelte Arme im Publikum gehoben werden, doch etwas weniger Scheu, um dann den Anhängern mit einem Schmunzeln mitzuteilen, dass Kaiser jedoch erst nach der Pause auftreten werde. Bis dahin setzt Kermes aber alles daran, mit ihrer Bühnen-Show auch Opernmuffel für diese Gattung zu begeistern. Simone Kermes mit der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Ekhart Wycik bei ihrer Auftrittsarie "Vedrà turbato il mare" Das wird zwar nicht immer dem Inhalt der einzelnen Arien gerecht, dürfte einen Großteil des Publikums jedoch nicht stören, da Kermes auch kein Problem darin sieht, bei einer Arie begeistert mitzuklatschen, was der distinguierte Opernbesucher wahrscheinlich eher mit "Musikantenstadl" verbindet. Aber bei dem Charme, den Kermes bei ihrem Gesang versprüht, kann man es ihr wirklich nicht verübeln. Den Anfang macht die Arie "Vedrà turbato il mare" aus der relativ unbekannten Oper Mitridate von Nicola Antonio Porpora, eine Gleichnis-Arie über den Sturm auf hoher See, dem ein Reisender trotzt, der auf die Rückkehr der friedvollen Ruhe hofft. Kermes zeigt sich in dieser Arie bei den Koloraturen noch nicht ganz so beweglich wie im weiteren Verlauf des Abends. Ihre Stimme klingt hier für die schnellen Läufe ein wenig zu schwer. Besser gelingen ihr die folgende Arie und Cabaletta der Amalia aus Verdis relativ selten gespielter Schiller-Vertonung I masnadieri. Hier punktet sie mit großer Dramatik und beweglicher Stimmführung. So hat man Lucia di Lammermoor bei ihrer Wahnsinnsszene gewiss noch nicht gesehen: Simone Kermes in recht schrägem Outfit mit der Flötistin der Neuen Philharmonie Westfalen. Geschmacksache ist Kermes' anschließende Interpretation der berühmten Wahnsinnsszene aus Donizettis Lucia di Lammermoor, und das betrifft nicht nur ihr Glitzer-Outfit mit den unbeschreiblichen Absätzen bei den silbern glänzenden Schuhen, mit denen sie die Bühne betritt. Das sieht zwar verrückt aus, hat mit dem verklärten Wahnsinn Lucias aber herzlich wenig zu tun. Wer die Oper nicht kennt, wird nicht verstehen, in welcher Gefühlslage sich die Protagonistin in dieser Situation befindet. Stattdessen haut Kermes die halsbrecherischen Koloraturen zwar stimmlich sauber, dabei aber mit einer Fröhlichkeit heraus, dass man das Gefühl hat, Lucia würde gerade ein fröhliches Fest feiern. Wer Lucia di Lammermoor liebt, wird bei dieser Interpretation sicherlich ein wenig verwirrt in die Pause geschickt. Simone Kermes im Duett mit Roland Kaiser Nach der Pause geht es dann mit Schlagern und Roland Kaiser weiter. Nach einem kurzen Arrangement "Fünf Kaiser-Titel in 50 Sekunden", bei denen der kundige Kaiser-Fan wohl keine Probleme haben dürfte, die angespielten Titel zu identifizieren, folgt der Titelsong der Arztserie Dr. Stephan Frank - Der Arzt, dem die Frauen vertrauen, den Peter Wagner-Rudolph, Bernd Meinunger und Andy Sedlmayr 1994 für Kaiser komponierten. Für das Konzert ist der Titel zu einem Duett arrangiert, bei dem Kermes Kaiser mit Koloraturen begleitet, die stellenweise an den Lauf der Königin der Nacht erinnern. Leider sind die Mikrofone bei diesem Lied schlecht ausgesteuert, so dass man Kaiser und Kermes stellenweise nicht gut hören kann, obwohl Kermes bei den Opernarien unverstärkt keinerlei Probleme hatte, über das Orchester zu kommen. Für den restlichen Schlager-Part überlässt Kermes Kaiser die Bühne. Mit seinem Background-Chor präsentiert er seine 2016 erschienene Single "Halt mich noch einmal fest" und ein Medley mit Songs von Udo Jürgens, bei dem das Publikum begeistert in die einzelnen Lieder einstimmt. Es folgt ein Block mit Filmmusik, bei dem Kermes "Over the Rainbow" aus Harold Aldens Wizard of Oz und "May It Be" aus Lord of the Rings präsentiert. Während Kermes' Sopran für "Over the Rainbow" beinahe schon zu schwer ist, findet sie bei "May It Be" zu einer sehr eindringlichen Interpretation, wobei sie erneut mit ungewöhnlichen Absätzen den Blick auf ihre Schuhe zieht. Am Ende geht es dann wieder zurück zur Oper. Da man mit der Filmmusik mittlerweile in den USA angekommen ist, folgen nun Kompositionen von George Gershwin und Leonard Bernstein. Den Anfang macht das legendäre "Summertime" aus Porgy and Bess, das Kermes mit rundem Sopran und großer Emotion präsentiert. Zu einem Höhepunkt des Abends entwickelt sich die letzte Arie "Glitter and Be Gay" aus Bernsteins Candide. Hier gelingt es Kermes beeindruckend, auch die Schattenseiten der glitzernden "Traumfabrik" zum Ausdruck zu bringen. Wenn sie von den halsbrecherischen Koloraturen in einen tiefen Seufzer verfällt und dann mit Sprechgesang das Schicksal der im Bordell gelandeten Cunégonde spürbar macht, geht ihre Interpretation unter die Haut und wirkt wesentlich ernsthafter als in Lucias Wahnsinnsszene vor der Pause. Die Neue Philharmonie Westfalen meistert unter der musikalischen Leitung von Ekhart Wycik den Genre-Mix beachtlich, auch wenn man sich im Barockbereich einen etwas filigraneren Klang gewünscht hätte. Als Zugabe präsentiert Kermes dann noch "Son qual nave in ria procella" aus Zenobia in Palmira von Leonardo Leo und bringt hierbei mit halsbrecherischen Koloraturen und sauberen Läufen den Saal zum Toben. Natürlich darf auch eine Zugabe mit Roland Kaiser nicht fehlen, und so gibt es zum Abschluss sogar noch zweimal zum Mitsingen "Warum hast du nicht nein gesagt", ein Song, mit dem Kaiser 2014 mit Maite Kelly einen großen Erfolg feierte und den er nun ebenso überzeugend mit Kermes vorträgt. FAZIT Simone Kermes dürfte mit ihrer herzerfrischenden Art und dem Genre-Mix in diesem Konzert die klassische Musik auch Leuten näher gebracht haben, die nur wegen Roland Kaiser ins Konzerthaus gekommen sind. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2017
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AusführendeSimone Kermes, Sopran Roland Kaiser, Special Guest Neue Philharmonie Westfalen Ekhart Wycik, Dirigent
WerkeGeorg Friedrich Händel Nicola Antonio Porpora Giuseppe Verdi "Tu del mio Carlo - Carlo vive?" Gaetano Donizetti "Il dolce suono" Roland Kaiser Peter Wagner-Rudolph, Bernd Meinunger, Nino de Angelo / Vladimir Titenkov Udo Jürgens John Williams Harold Arlen Enya, Roma Ryan und Nicky Ryan John Barry George Gershwin Ouvertüre aus Strike Up the Band Leonard Bernstein
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