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Musikfestspiele
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Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
18.07.2017 - 27.08.2017


Pygmalion

Acte de ballett (Ballet-Oper) in fünf Szenen
Libretto von Sylvain Ballot de Savot (nach Houdar de La Motte)
Musik von Jean-Philippe Rameau

davor:
La Muse de l'Opéra ou Les Caractères lyriques
Kantate für eine Stimme
Libretto von François-Augustin Paradis de Moncrif
Musik von Louis-Nicolas Clérambault

und
Les Caractères de la Danse

Musik von Jean-Féry Rebel

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 50 (eine Pause)

Koproduktion mit den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci und dem Centre de baroque de Versailles

Premiere im Tiroler Landestheater in Innsbruck am 20. August 2017
(rezensierte Aufführung: 21.08.2017)




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Über allem steht der Tanz

Von Thomas Molke / Fotos von Rupert Larl

Jean-Philippe Rameau zählt zu den bedeutendsten französischen Komponisten der Aufklärung, der einen großen Beitrag zur Entwicklung der Bühnenwerke weg von der höfischen Tragédie-lyrique eines Jean-Baptiste Lully hin zu einer neuen Gewichtung des Tanzes geleistet hat, der nicht mehr nur die Funktion eines Divertissements übernimmt, sondern direkt in die Handlung eingreift. Nachdem er zunächst mit großen Ballets heroïques wie beispielsweise Les Indes galantes Triumphe feierte, widmete er sich nach 1745 dem Acte de ballet zu, einer Miniaturoper, die aus wenigen Szenen besteht und von einem Divertissement gekrönt wird, in dem sich Ballette, virtuose Arien und Chöre vermischen. Ein Glanzpunkt dieses Genres stellt sein Pygmalion dar, eine Vertonung der bei Ovid überlieferten Metamorphose über den begnadeten Bildhauer, der sich in seine selbst geschaffene Statue verliebt und von den Göttern erwirkt, dass diese zum Leben erweckt wird. Diese Menschwerdung lässt sich natürlich besonders gut im Tanz ausdrücken. Dass dieses Werk heutzutage relativ selten auf der Bühne zu erleben ist, mag unter anderem an der Kürze des Stückes liegen. So kann man mit dieser Kurzoper allein keinen Abend bestreiten, sondern muss sie mit etwas anderem kombinieren. Natalie van Parys hat sich entschieden, dem Acte de ballet zwei Stücke von weiteren französischen Komponisten voranzustellen, die wie Rameau in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung der französischen Musik gespielt haben: Louis-Nicolas Clérambault und Jean-Féry Rebel.

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Die Muse der Oper (Chantal Santon-Jeffery) entfacht auf der Bühne einen Sturm (dargestellt von der Tanz-Compagnie Les Cavatines)

Den Anfang macht Clérambaults Kantate La Muse de l'Opéra ou Les Caractères lyriques. Die französische Kantate gehörte mit der Instrumentalsonate zum bevorzugten Mode-Genre der Pariser Salons in den letzten Jahren der Herrschaft Ludwigs XIV. und der "Régence". Clérambault gilt dabei als bedeutendster Repräsentant dieser Gattung und behandelte darin nicht nur mythologische und pastorale Themen sondern auch philosophische. In La Muse de l'Opéra kommt die Muse der Oper höchstpersönlich zu Wort und stellt nacheinander die Kunstgriffe vor, mit denen das Theater die Bewunderung der Zuschauer hervorruft. Antoine Fontaine hat dafür einen glänzenden Thron entworfen, auf dem Chantal Santon-Jeffery als Muse in einem opulenten Kostüm von Alain Blanchot ihre Majestät erstrahlen lässt. Die Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie Les Cavatines scheinen in diesen Thron eingearbeitet zu sein, weil ihre Köpfe als eine Art Bilder Teil des Thrones werden. Wenn die Muse nun im folgenden "le puissant effort de l'Art" (die kraftvolle Energie der Kunst) in kurzen Szenen zum Leben erweckt, treten die Tänzerinnen und Tänzer in pittoresken Kostümen aus dem Thron heraus und bebildern die einzelnen Szenen mit bewegendem Ausdruck. Zuerst entsteht eine pastorale Szene mit Schäfern, die von einem bedrohlichen Sturm unterbrochen wird. Doch der Sturm weicht dem friedlichen Zwitschern von Vögeln, bevor sich nach einer geruhsamen Nacht die Unterwelt auftut und die Furien der Unterwelt in einem "Prélude infernal" ans Tageslicht gelangen. Doch die Muse beruhigt den Zuschauer im Anschluss, dass ja auf der Bühne alles nur Spiel sei. Chantal Santon-Jeffery gestaltet die Muse mit variablem Sopran, der die unterschiedlichen Szenen charakterlich genauso klar gestaltet wie das virtuos aufspielende Orchester Les Talens Lyriques unter der Leitung von Christophe Rousset.

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Die Tanz-Compagnie Les Cavatines in Rebels Les Caractères de la Danse

Nach diesem gut 20-minütigen Stück folgt Jean-Féry Rebels Les Caractères de la Danse. Seine choreographischen Symphonien gelten als Vorläufer des Handlungsballetts. Während dem Tanz in der Oper und dem Sprechtheater nämlich bis dahin nur eine untergeordnete Funktion eingeräumt worden war, konzentrierte sich Rebel allein auf diese choreographische Kunst. Am deutlichsten wird dies in dem knapp 15-minütigen Stück Les Caractères de la Danse, das einen kurzen Streifzug durch die Vielfalt des französischen barocken Tanzes macht und die einzelnen Tänze nahtlos ineinander übergehen lässt. Die sechs Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie Les Cavatines setzt diesen Reigen in langen roten Gewändern mit fließenden Bewegungen um. Dabei wird die Entwicklung des französischen Tanzes verdeutlicht. Während der Beginn mit "Courante" und "Menuet" im strukturellen Zwang des barocken Tanzes behaftet ist, löst sich ab der "Sarabande" die Symmetrie der Figuren, und es entsteht Raum für ein freieres Bewegungsvokabular. Auch in diesem kurzen Stück glänzt das Orchester Les Talens Lyriques unter der Leitung von Christophe Rousset mit großer Flexibilität in der sich ständig verändernden Rhythmik.

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Pygmalion (Anders J. Dahlin) hat sich in seine Statue (Samantha Louis-Jean) verliebt.

Nach der Pause geht es dann mit Rameaus Pygmalion weiter. Neben der Titelfigur und der Statue treten hier noch der Liebesgott Amor als die personifizierte Liebe und Céphise auf, bei der nicht ganz klar ist, ob sie Pygmalions Geliebte oder Frau ist oder nur anhimmelt. Jedenfalls leidet sie darunter, dass er ihr zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Doch Pygmalion hat nur Augen für sein geschaffenes Werk. Die Statue sitzt zu Beginn mit dem Rücken zum Publikum in einem mythologisch anmutenden langen weißen Gewand in einem Pavillon, der mit seinen Säulen und Verzierungen ebenfalls an den Prunk des Grand Siècle erinnert. Der Pavillon steht in einem auf Leinwände gemalten Garten, der an französische Parkanlagen dieser Zeit erinnert. Pygmalion scheint in seinem Kostüm jedoch einer späteren Epoche zu entspringen und wirkt als "Street-Art"-Künstler neben Céphise als "It-Girl" und dem Chor eher modern. Amor erinnert in seinem Kostüm an die Entstehungszeit des Stückes. Nachdem die Statue zum Leben erwacht ist und mit Pygmalion die Bühne verlassen hat, parodieren die Tänzerinnen und Tänzer die ganze Episode in einem Divertissement, bevor die Statue am Ende in einem modernen kurzen Kleid auftritt und sich Pygmalion erneut in dieses Mädchen verliebt. Am Ende verleiht das komplette Ensemble in recht modernen Bewegungen seiner Freude über die neue Liebe Ausdruck.

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Ausgelassener Tanz im Schlussbild (in der Mitte von links: Statue (Samantha Louis-Jean), Céphise (Chantal Santon-Jeffery), dahinter Amor (Jodie Devos) und Pygmalion (Anders J. Dahlin), rechts und links: Tanz-Compagnie Les Cavatines und Chor NovoCanto)

Anders J. Dahlin verfügt als Pygmalion über einen weichen Haute-contres, der die Leidenschaft des jungen Mannes glaubhaft zum Ausdruck bringt. Leider geht sein Gesang stellenweise in dem forsch aufspielenden Klang des Orchesters unter. Hier hätte Rousset das Orchester ein wenig drosseln sollen. Tänzerisch macht Dahlin am Ende eine gute Figur. Samantha Louis-Jean kombiniert als zum Leben erwachende Statue zarten Gesang mit fließenden Bewegungen im Tanz. So kann sie mit den Tänzerinnen und Tänzern der Compagnie Les Cavatines durchaus mithalten. Chantal Santon-Jeffery legt die Partie der Céphise als betont schrille Figur an, die sich eher für Mode und Kleidung interessiert und somit Pygmalions Begeisterung für die antike Statue überhaupt nicht nachvollziehen kann. Am Ende wirkt sie allerdings doch sehr geknickt darüber, dass Pygmalion sich einer anderen Frau zugewandt hat. Vielleicht kann sie sich mit Amor trösten, der von Jodie Devos mit leuchtendem Sopran interpretiert wird. Die Tanz-Compagnie Les Cavatines setzt bei der Parodie der Geschichte komische Akzente. So gibt es auch am Ende dieses Teils großen Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Natalie van Parys gelingt mit ihren Choreographien ein bewegender Streifzug durch den französischen Tanz der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so dass das Interesse geweckt wird, mehr aus dieser Epoche kennen zu lernen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christophe Rousset

Regie und Choreographie
Natalie van Parys

Bühnenbild
Antoine Fontaine

Kostüme
Alain Blanchot

Licht
Hervé Gary

Choreinstudierung
Wolfgang Kostner



Orchester Les Talens Lyriques

Tanz-Compagnie Les Cavatines

Chor NovoCanto


Solisten

La Muse de l'Opéra / Céphise
Chantal Santon-Jeffery

Pygmalion
Anders J. Dahlin

La Statue
Samantha Louis-Jean

L'Amour
Jodie Devos

 


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