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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2017 - 22.08.2017


Le Siège de Corinthe

Tragédie lyrique in drei Akten
Libretto von Luigi Balocchi und Alexandre Soumet
Musik von Gioachino Rossini

In französischer Sprache mit französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (zwei Pausen)

Premiere in der Adriatic Arena in Pesaro am 10. August 2017
(rezensierte Aufführung: 13.08.2017)


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Rossini Opera Festival

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Kampf um Plastikflaschen

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Auch wenn sich die beiden Rossini-Festivals in Bad Wildbad und Pesaro in ihrer Programmgestaltung nicht miteinander absprechen, kommt es bisweilen vor, dass die Stückauswahl zu einem direkten Vergleich einlädt wie zuletzt 2013, als bei beiden Festivals Rossinis letzte Oper Guillaume Tell auf dem Programm stand, oder die Weiterentwicklung eines Werkes zeigt. So stand in diesem Jahr in Bad Wildbad Rossinis ernste Oper Maometto II auf dem Spielplan, die Rossini 1826 zu seiner ersten französischsprachigen Oper Le Siège de Corinthe umarbeitete. Dabei änderte er nicht nur den Titel und erweiterte die Oper auf drei Akte inklusive einer für die französische Oper obligatorischen Balletteinlage, sondern behielt von den ursprünglichen Figuren nur den historisch belegten osmanischen Sultan und Eroberer Konstantinopels Mehmed II. bei. Handelt Maometto II von dessen Belagerung der venezianischen Kolonie Negroponte auf Euböa im Jahr 1470, fällt die Wahl in Le Siège de Corinthe auf eine griechische Stadt, die für das damalige französische Opernpublikum wesentlich interessanter gewesen sein dürfte. Die Eroberung der griechischen Stadt Mesolongi im April 1826 durch die Türken und der daraus resultierende Mythos über den Freiheitskampf der Griechen bewegte die Franzosen damals so sehr, dass es Rossini opportun erschien, die Handlung der Oper nach Korinth zu verlegen. Und Rossini sollte mit dieser Entscheidung Recht behalten. Le Siège de Corinthe wurde nicht nur in Paris ein riesengroßer Erfolg und stand in den folgenden Jahren dort über 100 Mal auf dem Spielplan. Auch die italienische Übersetzung L'assedio di Corinto verzeichnete in Italien einen wesentlich größeren Erfolg als Maometto II und konnte sich noch einige Jahre im Repertoire halten.

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Cléomène (John Irvin, Mitte) will seine Tochter Pamyra (Nino Machaidze) mit Néoclès (Sergey Romanovsky, links) vermählen.

Die Handlung basiert auf der historisch belegten Eroberung der griechischen Stadt Korinth durch die Osmanen im Jahr 1458, die in der Realität weit weniger blutig vonstatten ging als in der Oper. Hier entscheiden sich die Griechen unter ihrem Anführer Cléomène, die Stadt bis zum letzten Blutstropfen vor dem Ansturm der Osmanen zu verteidigen. Cléomène verspricht seinem Offizier Néoclès die Hand seiner Tochter Pamyra. Doch Pamyra gesteht ihrem Vater, dass sie bereits einem gewissen Almanzor ewige Treue geschworen habe, dem sie vor einiger Zeit in Athen begegnet sei. Cléomène überreicht ihr daraufhin einen Dolch und fordert sie auf, sich selbst zu töten, bevor sie in die Hand der Osmanen fällt. Kurz darauf wird Cléomène gefangen genommen. Als Pamyra den Eroberer Mahomet um Gnade für ihren Vater bittet, erkennt sie in ihm ihren Geliebten Almanzor. Cléomène fühlt sich von seiner Tochter verraten und verflucht sie. Schweren Herzens folgt sie Mahomet in sein Lager. Néoclès versucht, sie zu befreien, gerät dabei allerdings in Gefangenschaft. Pamyra rettet ihn vor der Hinrichtung, indem sie ihn als ihren Bruder ausgibt. Während Mahomet seine Hochzeit mit Pamyra vorbereitet, gelingt den Griechen ein Teilsieg, und die Osmanen müssen erneut zum Kampf ausrücken. Dabei können Pamyra und Néoclès fliehen. Sie ziehen sich in das Grabgewölbe zurück, wo sie sich nach einem weiteren Sieg der Osmanen auf den Märtyrertod vorbereiten. Pamyra versöhnt sich mit ihrem Vater und lässt sich vor dem Grab ihrer Mutter mit Néoclès vermählen. Die siegreichen Osmanen dringen in die Katakomben ein. Pamyra tritt Mahomet entgegen und erdolcht sich. In diesem Moment bricht das Gewölbe zusammen und gibt den Blick auf die brennende Stadt frei.

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Mahomet (Luca Pisaroni, Mitte), Cléomène (John Irvin, rechts), Pamyra (Nino Machaidze) und das Volk (im Hintergrund: Chor) mit dem "Auge der Ethik"

Die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus verzichtet in ihrer Inszenierung auf eine politische Inszenierung und wählt einen sehr abstrakten Ansatz, der mit seinen verwirrenden Bildern jedoch relativ abstrus bleibt. Dazu hat Carlus Padrissa die Bühne mit riesigen Plastikwasserflaschen ausgestattet, die wohl die Stadtmauern Korinths symbolisieren sollen. Betrachtet man den Boden mit seiner sandfarbenen rissigen Musterung, bekommt man das Gefühl, dass hier Wassermangel herrschen könnte, was bei einer Belagerung an sich ja nicht ganz ungewöhnlich ist. Im Verlauf des Stückes werden immer wieder mit wenig Wasser gefüllte Plastikflaschen auf die Bühne getragen, die in ein Loch im Boden geschüttet werden und anschließend in die Mauer aus Plastikflaschen integriert werden. Während der Ouvertüre wird diese Aktion von Pamyra und Ismène ausgeführt, wobei im Hintergrund ein Gedicht von Lord Byron auf die Rückwand projiziert wird. Aus dem Programmheft entnimmt man zwar, dass Lord Byron ein feuriger Verfechter der griechischen Unabhängigkeit gewesen ist, die die Pariser während der Uraufführung der Oper bewegt hat, aber da dieser Aspekt in der Inszenierung nicht weiter verfolgt wird, fragt man sich dabei: Was soll das? Und die Fragen hören nicht auf. An den Seiten werden zwei Tafeln mit den Wörtern "Mort" und "Vie" heruntergelassen. Vielleicht ist das die Entscheidung, die Pamyra treffen soll. Aber was sollen die abstrakten Portraits von Lita Cabellut, die darunter sichtbar werden? Noch verwirrender wird das Ganze, wenn es dann um das "ethische Auge" geht, und diese Bilder anschließend durch den Saal getragen werden und den Zuschauern auf den Seiten für einen Moment sicherlich die Sicht rauben dürften.

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Pamyra (Nino Machaidze) bittet Mahomet (Luca Pisaroni, links) um Gnade für ihren Vater Cléomène (John Irvin, Mitte) (rechts: Omar (Iurii Samoilov)).

Der zweite Akt wird nicht besser. Die Plastikflaschen sind nun neu sortiert und bieten neben den scheinbaren Mauern im Hintergrund auch noch eine Art Höhle, in die sich Mahomet mit Pamyra zu einer Art Schäferstündchen während des Balletts zurückziehen. Man spielt in Pesaro die Oper mit den Balletteinlagen, allerdings ohne Ballett. Stattdessen flimmert erneut ein Gedicht von Lord Byron über die Rückwand - wieso eigentlich neben Englisch und Italienisch auch in Russisch und Spanisch? Dann gibt es einen Kampf auf der Bühne um eine Plastikflasche, was wieder Bezug zur Wasserknappheit vom Anfang nimmt, mit der Musik allerdings leider überhaupt nicht korreliert. Noch alberner sind die Füße, die zu Beginn des zweiten Aktes während Pamyras Arie "Ô patrie infortunée" wie eine Art Wasserballett aus Luken aus dem Boden herausragen und Pamyras Gewissensbisse, die die Arie eigentlich transportieren soll, der Lächerlichkeit preisgeben. Genauso wenig ernst nehmen kann man die Schunkelbewegungen des Chors, wenn sie sich auf den Kampf bis zum letzten Blutstropfen einschwören.

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Pamyra (Nino Machaidze) muss sich zwischen ihrer Heimat und Mahomet (Luca Pisaroni) entscheiden.

Sorge bereiten können die Zuschauerreaktionen im dritten Akt, wenn Hiéros in einer großen Szene die 500 Jahre andauernde Sklaverei prophezeit und das Volk zu einem kollektiven Selbstmord aufruft. Es lässt sich nicht leugnen, dass Rossini an dieser Stelle absolut mitreißende Musik komponiert hat, die den aus heutiger Sicht erschreckenden Text verherrlicht. Aber hier geht die Inszenierung noch einen Schritt weiter. Hiéros geht während dieser Szene durch die Reihen des Saals und bezieht die Zuschauer in das Spiel mit ein. Statisten versuchen, das Publikum zu bewegen sich zu erheben und quasi Teil des bevorstehenden Märtyrertodes zu werden. Das sollte dem Publikum eigentlich zu weit gehen. Stattdessen macht ein Großteil des Publikums mit und verfällt anschließend sogar noch in frenetischen Jubel. Hat das Publikum hier nicht verstanden, worum es inhaltlich geht, oder entschuldigt die Tatsache, dass man sich im Theater befindet, alles? Am Ende müssen natürlich die Mauern aus Plastikflaschen fallen, darauf hat man ja wahrscheinlich von Anfang an gewartet, doch dass sie Mahomet unter sich begraben, macht keinen Sinn. Aber das stört bei den zahlreichen szenischen Ungereimtheiten dann auch nicht mehr.

Musikalisch entschädigt der Abend für die Schwächen der Inszenierung, auch wenn das Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai unter der Leitung von Roberto Abbado zumindest in der Ouvertüre noch nicht mit perfektem Rossini-Klang aufwarten kann. Die Tempi sind zu Beginn noch ein bisschen ungenau. Erst im weiteren Verlauf des Abends findet Abbado mit den Musikern einen guten Zugang zu Rossinis dramatischer Musik. Luca Pisaroni ist darstellerisch und stimmlich ein großartiger Mahomet. Mit profundem Bass-Bariton verleiht er dem osmanischen Sultan die erforderliche Autorität und begeistert vor allem in seiner Auftrittskavatine, in der er sich als sicherer Sieger über das belagerte Korinth präsentiert. Nino Machaidze punktet als Pamyra mit dramatischem Sopran und enormer Beweglichkeit in den Läufen, auch wenn ihr die französische Sprache überhaupt nicht liegt. Ohne Übertitel könnte man den von ihr gesungenen Text auch bei guten Französischkenntnissen stellenweise gar nicht verstehen. Ihre große Arie zu Beginn des zweiten Aktes "Ô patrie infortunée", in der sie das Schicksal der Stadt beklagt, und ihr anschließendes Duett mit Pisaroni, in der Mahomet Pamyras Sorgen mit einer glücklichen Zukunft für sie beide zerstreuen möchte, zählen zu den zahlreichen musikalischen Höhepunkten des Abends.

Sergey Romanovsky meistert die anspruchsvolle Partie des Néoclès mit strahlendem Tenor und muss nur in den extremen Spitzentönen in seiner großen Arie im dritten Akt leicht forcieren. Ansonsten strömt sein Tenor höhensicher und weich und findet mit Machaidzes Sopran in ihrem Gebet vor seiner großen Arie zu einer bewegenden Innigkeit. John Irvin stattet die Partie des unbeugsamen Vaters Cléomène mit kräftigem Tenor aus. Die beiden Terzette mit Romanovsky und Machaidze im ersten und dritten Akt stellen weitere musikalische Glanzpunkte des Abends dar. Carlo Cigni gestaltet die Partie des Hiéros mit dunklem Bass und bewegt vor allem in seiner großen Prophezeiung im dritten Akt. Die kleineren Partien sind mit Cecilia Molinari als Pamyras Vertrauter Ismène, Iurii Samoilov als Mahomets Diener Omar und Xabier Anduaga als Adraste ebenfalls hochkarätig besetzt. Der Coro del Teatro Ventidio Basso unter der Leitung von Giovanni Farina rundet den Abend stimmgewaltig ab, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Musikalisch ist der Abend ein Hochgenuss. Die Inszenierung kann leider nicht überzeugen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Roberto Abbado

Regie
La Fura dels Baus

Regie und Bühnenbild
Carlus Padrissa

Kostüme, Bilder und Video
Lita Cabellut

Licht
Fabio Rossi

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai


Solisten

Mahomet II
Luca Pisaroni

Cléomène
John Irvin

Pamyra
Nino Machaidze

Néoclès
Sergey Romanovsky

Hiéros
Carlo Cigni

Adraste
Xabier Anduaga

Omar
Iurii Samoilov

Ismène
Cecilia Molinari

 


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