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Zwischen Religiösem und Profanemvon Thomas Molke / Foto: © Volker Beushausen / Ruhrtriennale
Nachdem Philippe Herreweghe vor zwei Spielzeiten als "Artist in Residence" in der Philharmonie Essen ein breites Spektrum von Johann Sebastian Bach bis zu Anton Bruckner abgedeckt hat, spezialisiert er sich mit seinem 1970 gegründeten Ensemble Collegium Vocale Gent, das auf historische Aufführungspraxis setzt und so einen neuen Zugang zur klassischen Musik vom Barock bis zum 19. Jahrhundert sucht, während der dreijährigen Intendanz von Johan Simon vor allem auf kirchliche Werke des Barock und präsentiert nach Bachs großer h-Moll-Messe im letzten Jahr in der Jahrhunderthalle zum Ende des Festivals nun gleich zu Beginn Claudio Monteverdis Marienvesper. Als Aufführungsort ist die Wahl auf die Maschinenhalle der 1966 geschlossenen Zeche Zollern gefallen. Das stillgelegte Steinkohle-Bergwerk im Nordwesten Dortmunds gilt als eines der schönsten und außergewöhnlichsten Zeugnisse der industriellen Vergangenheit und scheint somit prädestiniert für Monteverdis Vesper, die den alten Stil der liturgischen Musik mit neuen Elementen anreichert und somit aus den überlieferten Zwängen die Kirchenmusik befreit. Reinoud Van Mechelen (rechts) mit Philippe Herreweghe (Rücken vorne) und Mitgliedern des Collegium Vocale Gent Erschienen ist das Werk wahrscheinlich 1608, ein Jahr nach der Uraufführung von Monteverdis L'Orfeo. Herzog Vincenzo Gonzaga hatte in Mantua einen neuen Ritterorden zu Ehren des Erlösers gegründet, und es ist anzunehmen, dass Monteverdi in diesem Zusammenhang den Auftrag erhielt, eine Vesper zu komponieren. Zwei Jahre später reiste Monteverdi jedenfalls mit der Vespro della beata Vergine und der Messe In illo tempore im Gepäck nach Rom, um sich selbst dem damaligen Papst als Komponist zu empfehlen und seinem Sohn Ferdinando zu ermöglichen, an einem Priesterseminar in Rom studieren zu können. Beide Anliegen fanden jedoch kein Gehör. Vielleicht waren dem damaligen Papst die Werke zu fortschrittlich. Die Vesper besteht aus insgesamt 13 Teilen. Den Kern bilden die fünf Psalmen 109, 112, 121, 126 und 147, eine Hymne und das abschließende "Magnificat", in dem die schwangere Maria die ebenfalls schwangere Elisabeth besucht und ein Loblied auf den Herrn anstimmt. Dorothee Mields (2. von rechts) und Barbora Kabátková (rechts) beim "Pulchra es, amica mea" Monteverdi nutzt in allen Teilen den sogenannten konzertanten Stil, indem er den Einsatz der Stimmen und Instrumente virtuos variiert. Neben dem von Herreweghe gegründeten Chor Collegium Vocale Gent treten acht Solisten auf, denen vor allem in den Motetten zwischen den Psalmen besondere Aufgaben zukommen. Dass im Programmheft Benedict Hymas und William Knight als Countertenöre genannt werden, muss wohl ein Druckfehler sein, da Hymas die erste Motette "Nigra sum" mit hellem Tenor zur Laute ansetzt und auch Knight als Solist im tenoralen Bereich bleibt. Barbora Kabátková überzeugt nicht nur als Solo-Sopran mit weicher Stimmführung, sondern übernimmt stellenweise auch noch das Dirigat beim Chor. Während Kabátková und ihre Kollegin Dorothee Mields beim innigen Sopran-Duo "Pulchra es, amica mea" noch nebeneinander auf der linken Seite stehen, wechselt Kabátková anschließend auf die rechte Seite, so dass die beiden Solistinnen wie die Damen des Chors die Herrenstimmen einrahmen. Fast wie in der Kirche (Solisten von links: Dorothee Mields, Barbora Kabátková, Benedict Hymas, Philippe Herreweghe, Reinoud Van Mechelen, Peter Kooij, Wolf Matthias Friedrich, Samuel Boden und William Knight mit dem Collegium Vocale Gent) Für den Anfang der Vesper verwendet Monteverdi auf den Einleitungstext des "Deus in adiutorium" die instrumentale Toccata, mit der seine Oper L'Orfeo beginnt, und zeigt damit, dass sein Werk die Grenzen des Kirchenmusikstils direkt zu Beginn überschreitet und opernhafte Züge annimmt. Das Orchester arbeitet unter der Leitung von Herreweghe mit feinsinnigem Gefühl diesen Effekt heraus. Besondere Erwähnung verdient die letzte Motette "Audi coelum". Reinoud Van Mechelen tritt dabei hinter den Chor zurück, um als zartes Echo die Worte widerhallen zu lassen, die Samuel Boden mit großem Ausdruck vorträgt. Dabei fungiert das Echo auch als kongeniale Antwort, wenn das Wort "gaudio" (mit Freude) eben nur als "audio" (ich höre) zurückgeworfen wird oder "vita" (das Leben) als "ita" (So ist es) erschallt. Großartig gelingt dabei auch das Ende, wenn vom "solamen" (Trost) das "Amen" als Antwort übrig bleibt. Da möchte man als Zuhörer am liebsten mit dem Chor und den Solisten gleich selbst in das folgende Lob "Lauda, Jerusalem" einstimmen. Einen weiteren Höhepunkt stellt die "Sonata sopra Sancta Maria" dar, auf die die eindringliche Bitte "Sancta Maria, ora pro nobis" (Heilige Maria, bitte für uns) folgt. Hier überzeugen die vier Chordamen des Collegium Vocale Gent mit eindringlichem Gesang in zahlreichen rhythmischen Variationen. Das abschließende "Magnificat" bringt noch einmal die Vielschichtigkeit des Werkes mit ständigem Wechsel zwischen Sologesängen und Tutti-Passagen in polyphoner Stimmführung zum Ausdruck. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.
Philippe Herreweghe arbeitet mit dem Collegium Vocale Gent und den acht Solisten die stilistischen Besonderheiten von Monteverdis Marienvesper hervorragend heraus. Die Maschinenhalle der Zeche Zollern bietet dafür ein kongeniales Ambiente. Weitere Rezensionen zur Ruhrtriennale 2017 Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische Leitung
Chor und Orchester Collegium Vocale Gent
SolistenSopran
Tenor Bass
Weitere |
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