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Frieden zum Abschlussvon Thomas Molke / Foto: © Volker Beushausen / Ruhrtriennale 2017
An diesem Wochenende endet die dreijährige Amtszeit von Johan Simons als Intendant der Ruhrtriennale, und natürlich hat Simons zum Abschluss ein besonderes Werk ausgewählt: Beethovens Missa solemnis. Da Simons' Intendanz sich unter anderem durch die Entdeckung neuer Spielstätten ausgezeichnet hat - so nutzte er für die Eröffnungspremiere Accattone 2015 erstmals die Zeche Lohberg in Dinslaken als Aufführungsort -, findet auch die Missa solemnis an einem Ort statt, der bis jetzt noch nicht für die Ruhrtriennale genutzt worden ist, und zwar in dem am 27. Oktober 2016 eröffneten Anneliese Brost Musikforum Ruhr in Bochum, in dem die Bochumer Symphoniker seit der letzten Spielzeit ihr neues Zuhause gefunden haben. Da es sich bei diesem Konzert um eine Koproduktion mit den Bochumer Symphonikern handelt, die ihre Spielzeit mit einem Schwerpunkt unter dem Titel "Beethoven Experience" eröffnet haben, und die Kartennachfrage so groß war, wurde ein Zusatztermin für den 1. Oktober anberaumt. Steven Sloane Beethovens außergewöhnlich groß angelegte Missa solemnis zählt zu seinen Spätwerken und war ursprünglich für die Inthronisation des Erzherzogs Rudolph als Erzbischof von Olmütz am 9. März 1820 geplant. Allerdings gelang es Beethoven nicht, das Werk rechtzeitig fertigzustellen. Während er bereits 1819 am "Kyrie" und "Gloria" arbeitete, kam seine Arbeit beim "Credo" 1820 zunächst einmal zum Stillstand, weil er sich an der Ausarbeitung der Textstelle "Et vitam venturi" verzettelt haben soll. Erst nach der Inthronisation gelang es ihm schließlich, das "Credo" zu Ende zu bringen. Doch auch der Abschluss der letzten beiden Teile zog sich noch bis August 1822 hin. Eine komplette Aufführung seiner Missa sollte Beethoven nicht mehr erleben. Im Rahmen einer Benefizveranstaltung für die Witwen ehemaliger Mitglieder der Philharmonischen Vereinigung am 7. April 1824 wurden das "Kyrie", "Credo" und "Agnus Dei" unter dem Titel "Drei große Hymnen mit Solisten und Chor" gespielt. Das Konzert, in dem auch die neunte Symphonie auf dem Programm stand, fand zwar großen Zuspruch beim Publikum, brachte finanziell aber nicht viel ein, und da weder die kaiserliche Familie noch der Erzherzog Rudolph bei dem Konzert anwesend waren, führte diese Aufführung auch nicht zur Verbreitung des Werkes. Für den liturgischen Rahmen war die Messe mit ihren knapp 80 Minuten beinahe zu lang, wie die erste Komplettaufführung in der Kirche St. Peter und Paul 1830 im böhmischen Warnsdorf zeigte, so dass sie in der Folgezeit fast nur in Konzertsälen zu erleben war. Die Bochumer Symphoniker mit Steven Sloane (vorne), dahinter von links: Mika Kares, Lothar Odinius, Maria Riccarda Wesseling und Birgitte Christensen, ganz hinten: Tschechischer Philharmonischer Chor Brno Für die Aufführung im Anneliese Brost Musikforum ist der Tschechische Philharmonische Chor Brno unter der Leitung von Petr Fiala verpflichtet worden, der durch voluminösen Klang überzeugt, auch wenn die Textverständlichkeit ausbaufähig ist. Die Männer werden von den Damen eingerahmt, was bei den getragenen Choralpassagen des "Kyrie" direkt zu Beginn zu einem bewegenden Klangerlebnis führt. Beim "Christe eleison" setzen dann die Solisten ein, von denen drei bereits in den letzten beiden Jahren der Ruhrtriennale zu erleben waren. Maria Riccarda Wesseling interpretierte vor zwei Jahren in der Jahrhunderthalle Fricka im Rheingold, und Mika Kares war als ihr Gatte Wotan zu erleben. Birgitte Christensen übernahm 2016 die Titelpartie in Glucks Alceste. Christensen überzeugt an diesem Abend mit leuchtendem Sopran. Wesseling setzt mit warmem Mezzo samtige Akzente. Kares punktet mit dunklem Bass. Für die Tenorpartie konnte Lothar Odinius verpflichtet werden, der die Höhen sauber aussingt. Steven Sloane arbeitet mit den Bochumer Symphonikern den symphonischen Stil des Werkes differenziert heraus und versteht es, mal die Solisten, dann den Chor und dann wiederum einzelne Musiker in den Mittelpunkt zu rücken. Eine musikalische Steigerung erlebt das Werk im zweiten Satz, dem "Gloria", in dem zunächst die Themen geschickt variiert werden und jede einzelne Zeile des "Gloria" auf eine neue Weise hervorgehoben wird. Beim "Gratias agimus tibi" setzen dann die Solisten neue Akzente, so dass sich alles bis zum "In gloria Dei patris" hin steigert, bevor es dann in einem groß angelegten "Amen" kulminiert. Daran schließt sich dann das "Credo" an, in dem theatralisch-dramatische Strukturen erkennbar werden. Die Stelle "Et resurrexit tertia die" wird mit solcher Vehemenz präsentiert, dass man beinahe glaubt, den auferstandenen Christus auf der Bühne vor sich zu sehen. Im furiosen Finale dieses dritten Satzes begeistert der Chor mit großer Präzision bei den anspruchsvollen Wechseln in den Tempi. Der vierte Satz beginnt dann verhältnismäßig ruhig. Hier begeistert der erste Geiger der Bochumer Symphoniker mit einem eindrucksvollen Solo. Die Violine übernimmt den Part des Heiligen Geistes, der in der Menschwerdung Christi zur Erde herabgestiegen ist und nun mit den Menschen in einen Dialog tritt. Diese eindringlich interpretierte Passage gehört sicherlich zu den bewegendsten Momenten des Stückes. Es folgt ein flehentliches "Miserere nobis" im letzten Satz, das in das strahlende Friedensgebet "Dona nobis pacem" in D-Dur übergeht. Nachdem es zunächst von leicht verwirrenden und kriegerischen Klängen der Trompete unterbrochen wird, findet das Werk doch noch zu einem ruhigen Abschluss. Das Publikum spendet allen Beteiligten großen Beifall.
Mit Beethovens Missa solemnis findet Johan Simons' Intendanz einen würdigen Abschluss. Weitere Rezensionen zur Ruhrtriennale 2017 Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische Leitung Chorleitung
Bochumer Symphoniker Tschechischer Philharmonischer Chor Brno
SolistenSopran
Mezzosopran
Tenor Bass
Weitere |
- Fine -