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Rhein-Legende auf der GeisterbahnVon Thomas Molke / Fotos: © Toni Suter Alfredo Catalani gehört zu einer Reihe italienischer Opernkomponisten, die im Repertoire der Musiktheater ein Schattendasein führen. Vereinzelt findet man noch seine letzte Oper La Wally auf dem Spielplan, aus der die Arie "Ebben? Ne andrò lontano" durch den französischen Spielfilm Diva wieder großen Bekanntheitsgrad erlangte und seitdem bei Galakonzerten zu den beliebten Stücken für dramatischen Sopran zählt. Catalanis Versuch, einen Gegenpol zu Giuseppe Verdi und dem aufkommenden Verismo zu bilden, war schon zu seinen Lebzeiten kein großer Erfolg vergönnt. Zu sehr verband man seine märchenhaften Sujets und Tonsprache mit der Richard Wagners, die im Italien des ausgehenden 19. Jahrhunderts als unzeitgemäß empfunden wurde. Dabei hatte Catalani alles daran gesetzt, nicht mit seinem großen deutschen Idol verglichen zu werden. Als er sich das erste Mal mit dem Loreley-Mythos beschäftigte, verlegte er die Geschichte vom Rhein an die Ostsee und nannte die Protagonistin, die mit ihrem Gesang die Männer verführt und an den Klippen in den Tod stürzen lässt, Elda. Erst zehn Jahre später überarbeitete er das 1880 nur mit mäßigem Erfolg aufgenommene Stück komplett und gab ihm den Titel Loreley. Mit großem Jubel wurde die Uraufführung 1890 gefeiert, und das Werk konnte sich sogar bis in die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts im Repertoire der italienischen Opernbühnen halten, wurde dann aber endgültig von Puccinis Opern verdrängt. Die St. Galler Festspiele, die sich auf Raritäten des Musiktheaters spezialisiert haben, widmen sich in diesem Jahr Catalanis Fassung der Rhein-Legende. Walter (hier: Timothy Richards) will sich von Loreley (hier: Ausrine Stundyte) trennen, um Anna di Rehberg zu heiraten. Erzählt wird die Geschichte des jungen Adeligen Walter, der eigentlich Anna di Rehberg, die Nichte des Markgrafen Rudolfo heiraten soll, sich aber in das schöne Fischermädchen Loreley verliebt hat. In seiner Verzweiflung vertraut er sich seinem Freund Hermann an, ohne zu wissen, dass Hermann selbst in Anna verliebt ist und einen Weg sucht, seinen Rivalen um die Gunst Annas aus dem Weg zu räumen. Hermann schmiedet einen bösen Plan. Er rät Walter, der schönen Loreley zu entsagen und Anna zu heiraten, weil er darauf vertraut, dass Walter erneut den Reizen der schönen Loreley erliegen wird. Außerdem hofft er, Annas Zuneigung zu gewinnen, wenn er ihr von Walters Untreue erzählt. Des Weiteren bittet er die Geister des Rheins, Loreley zur Rache an Walter zu verführen, wenn er sich wirklich von ihr trennt. Als Walter Loreley von sich weist, versprechen ihr die Geister des Rheins betörende Schönheit, wenn sie sich als Gegenleistung Alberich, dem König des Rheins, schenkt. Loreley stürzt sich in die Fluten und mutiert zur zauberhaft schönen Wassernixe, die fortan auf einem Felsen mit ihrem Gesang die Schiffer ins Verderben zieht. Bei der Hochzeit Annas mit Walter taucht Loreley dann auch auf ihrem Felsen auf und zieht Walter in ihren Bann. Anna bricht tot zusammen. Walter ist erneut Loreleys Reizen erlegen und bittet sie um Verzeihung. Doch Loreley empfindet nichts mehr für ihn, so dass er seinem Leben ein Ende setzt. Hermann (hier: Alfredo Daza) warnt Anna (hier: Tatjana Schneider) vor Walters Untreue. Das Regie-Team um David Alden überträgt die Handlung weder auf die Gegenwart, noch wählt es einen mythologischen Ansatz. Stattdessen entwirft Alden eine Scheinrealität in einem Freizeitpark, für den Bühnenbildner Gideon Davey eine Geisterbahn konzipiert hat, die quer über die Bühne in das Maul eines Teufels auf der linken Seite führt. Auf der rechten Seite befindet sich vor einer Art verwunschenem Wald, aus dem die Geisterbahn auftaucht, ein Looping mit zahlreichen bunten Glühbirnen. Spielautomaten deuten auf der linken Seite weiteren Freizeitspaß an. Im Hintergrund sieht man ein riesiges Schloss, das in solch einem Ambiente natürlich auch nicht fehlen darf und wohl den Sitz des Markgrafen Rudolfo darstellt. Auf einer weiteren Rückwand lässt sich der große Steinfelsen auf die Bühne schieben, auf dem Loreley die Schiffer mit ihrem Gesang betört. Zu Beginn der Ouvertüre treten von allen Seiten Männer in schwarzen Anzügen auf, die mit schwarzen Aktenkoffern wohl die Park-Manager darstellen und mit ihren Masken vor dem Gesicht an Comicfiguren erinnern. Was die drei leicht verwirrten jungen Frauen zu bedeuten haben, die währenddessen durch das Bühnenbild irren und dabei von weiteren Männern in schwarzen Anzügen mit großen Kameras fotografiert werden, lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich stellen sie gefallene Mädchen dar, die die unerfüllte Liebe zu einem Mann in den Wahnsinn getrieben hat. Sollen das Anspielungen auf Loreley sein, die in ihrer Enttäuschung wesentlich drastischere Konsequenzen zieht, als nur sich selbst das Leben zu nehmen? Der Chor bei der bevorstehenden Hochzeit Der Chor der Holzfäller, Fischer und Jäger, der zu Beginn auftritt trägt überdimensionale Masken, die das Volk wie Figuren aus einer Märchenwelt erscheinen lassen. Nur Loreley, Walter, Hermann, Anna und ihr Onkel tragen keine Masken und wirken wie reale Menschen. Wieso Walter dabei zunächst in einem blauen Anzug mit schwarzem Hemd und Goldkettchen wie ein Zuhälter auftritt, wird nicht ganz klar. Soll das vielleicht bereits eine Anspielung auf die "Bar Loreley" sein, in der er im letzten Akt seiner Geliebten als einer Prostituierten begegnet? Zur Hochzeit mit Anna tritt er nämlich in glänzender Rüstung wie ein Schwanenritter auf. Anna trägt als Braut ein wunderbar aufwändiges Hochzeitskleid, was ihren Fall noch tragischer macht. Hermann vollzieht optisch im Stück einen seltsamen Wandel. Während er zunächst in seinem karierten Anzug ein wenig spießig und langweilig wirkt, kehrt er nach seiner Anrufung der Geister des Rheins entstellt aus der Geisterbahn zurück. Als ob er einen schweren Unfall gehabt habe, ist seine rechte Körperhälfte verbrannt und verwundet. Da wird gut nachvollziehbar, dass Anna seinen mahnenden Worten keinen Glauben schenkt und sich auch nicht dazu durchringen kann, Hermann ihr Herz zu schenken. Loreley (hier: Ausrine Stundyte) unterbricht die Hochzeit. Loreleys Verwandlung in die todbringende Nixe wird großartig in Szene gesetzt. Zunächst sieht man eine Schneiderin an einem feuerroten Gewand arbeiten. Beim nächsten Auftritt erscheint sie in einer Gondel der Geisterbahn. Diese wird von Loreley angehalten. Loreley nimmt das rote Kleid an sich, springt in die Fluten und erscheint kurz darauf in dem roten Gewand auf der Spitze des Felsen. Wenn sie dann im zweiten Akt die Hochzeit zwischen Walter und Anna verhindert, hat das rote Gewand solche Ausmaße angenommen, dass es die ganze Bühne bedeckt. Während das Volk erschrocken vor dem Kleid zurückweicht, erliegt Walter ihrem Charme und verlässt seine Braut. Doch Loreley entschwindet auf seltsame Weise, wahrscheinlich durch eine Luke im Bühnenboden. Nun tritt sie in einer Art Bordell mit zahlreichen weiteren Wassernixen auf, die alle riesige Köpfe tragen, die an Chucky, die Mörderpuppe, erinnern. Während die anderen Nixen an blutgetränkten Tischen Matrosen verführen, widmet sich Loreley Walter, gibt sich allerdings erschreckend kühl und lässt ihn schließlich einsam zurück, so dass er sich im Looping mit einer Schnur erhängt. Loreley (hier: Ausrine Stundyte) ist taub für Walters Flehen. Musikalisch werden das Sinfonieorchester St. Gallen, das unter der Bühne untergebracht ist und die Solisten verstärkt, was einen künstlicheren Klang erzeugt, als man ihn aus dem Opernhaus gewohnt ist. Bei den Chören hat man aufgrund der Masse den Eindruck, dass sie nicht verstärkt worden sind, was klanglich zwar gut ist, die Solisten und das Orchester zum Chor aber in ein leichtes Ungleichgewicht bringt. Dennoch leisten die von Michael Vogel einstudierten Chöre hier Beachtliches und werden auch in der Personenregie von Alden gut in Szene gesetzt. Elena Rossi verfügt als Loreley über einen vollen, dramatischen Sopran, der in den Höhen enorme Strahlkraft besitzt. Absolut glaubhaft gelingt ihr stimmlich und darstellerisch der Wandel vom unglücklich verliebten Mädchen zur todbringenden Nixe. Ihr Bund mit dem Gott des Rheins am Ende des ersten Akt avanciert zu einem dramatischen Höhepunkt des Abends. Derek Taylor verfügt als ihr Geliebter Walter über einen strahlenden Tenor, der auch die Höhen sauber aussingt. In den Duetten mit Rossi findet er stimmlich und darstellerisch zu einer betörenden Innigkeit. Vittorio Vitelli glänzt als Hermann mit kräftigem Bariton und macht mit seinem intensiven Spiel Walters Rivalen ebenfalls zu einer tragischen Figur. Sheida Damghani überzeugt als unschuldige Anna mit einem mädchenhaften, leichten Sopran, der ihre Unschuld noch unterstreicht. Tomislav Lucic rundet als Rudolfo das Solisten-Ensemble mit profundem Bass ab. Stefan Blunier lotet mit dem Sinfonieorchester die romantisch anmutenden Klänge von Catalanis Partitur mit großer Präzision aus und lässt das Publikum in der wie ein Leitmotiv immer wiederkehrenden Verführungsmelodie Loreleys regelrecht schwelgen. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Catalanis Oper mag zwar inhaltlich sehr kitschig sein, hat musikalisch allerdings großartige Momente und verdient es, häufiger auf den Spielplan gestellt zu werden.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Kostüme
Choreographie
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
Opernchor St. Gallen Theaterchor Winterthur Prager Philharmonischer Chor Kinderchor des Theaters St. Gallen Sinfonieorchester St. Gallen Tanzkompanie des Theaters St. Gallen Statisterie des Theaters St. Gallen
Solisten *rezensierte Aufführung
Loreley
Walter
Hermann
Anna di Rehberg
Margravio Rudolfo
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- Fine -