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Seidene Tücher und LeiternVon Thomas Molke / Fotos: © Paula Malone Carty Als Gioachino Rossini im Teatro San Moisè in Venedig seine zweite Farsa L'inganno felice zur Uraufführung brachte, war der Erfolg so groß, dass der dortige Impresario Antonio Cera ihn sofort für drei weitere Farse verpflichtete. Diese Gattung war im opernbegeisterten Venedig zur damaligen Zeit ein absoluter Renner, da die Werke ohne großen Etat auf die Bühne gebracht werden konnten. So gab es ein Kosten sparendes Einheitsbühnenbild, und das Personal war auf wenige Charaktere begrenzt. Auf einen Chor wurde vollständig verzichtet, und auch das Orchester wurde reduziert. So ist Rossinis dritte Farsa La scala di seta regelrecht prädestiniert dafür, dass sie im Rahmen der so genannten "Short Works" beim Wexford Festival Opera im Whites Hotel auf dem Programm steht. Dem Stück war bei der Uraufführung jedoch kein so großer Erfolg vergönnt wie L'inganno felice, was unter anderem daran gelegen haben mag, dass Rossini im Jahr der Uraufführung insgesamt fünf Opern komponierte und deshalb aus Zeitgründen seinen Librettisten Giuseppe Foppa einfach die vier Jahre zuvor in Paris uraufgeführte Opéra comique L'échelle de soie von Pierre Gaveaux ins Italienische übersetzen ließ. Ein Großteil des damaligen Publikums in Venedig dürfte zwar die französische Oper nicht gekannt haben, sah allerdings in dem Stück bloß eine fantasielose Abänderung der damals auch in Venedig viel gespielten Oper Il matrimonio segreto von Domenico Cimarosa. Dennoch konnte sich die brillante Ouvertüre im Gegensatz zur restlichen Oper einen festen Platz im Konzertrepertoire sichern. Giulia (Galina Bakalova) spannt den Diener Germano (Filippo Fontana) als Komplizen ein. Erzählt wird die Geschichte der jungen Waisen Giulia, die bei ihrem Onkel und Vormund Dormont gemeinsam mit seiner Tochter Lucilla lebt. Giulia hat heimlich ihren Geliebten Dorvil geheiratet und empfängt ihn jede Nacht in ihrer Kammer über eine seidene Leiter, die sie zu diesem Zweck aus dem Fenster herabhängen lässt. Doch ihr Onkel plant, sie mit dem vermögenden Blansac zu verheiraten, in den wiederum Lucilla verliebt ist. Giulia will Blansac mit ihrer Cousine verkuppeln und spannt Germano, den Diener ihres Onkels, als Komplizen ein. Dieser wiederum weiß nicht, dass Giulia bereits mit Dorvil verheiratet ist, und bildet sich ein, dass Giulia seine Gefühle erwidert und deshalb Blansac nicht heiraten will. Blansac hingegen betrachtet Giulias Ablehnung als Herausforderung und beabsichtigt sehr zum Missfallen Lucillas, Giulia jetzt erst recht zu erobern. Beim nächtlichen Rendezvous steigen dann sowohl Dorvil als auch Blansac über die seidene Leiter ein und stiften einige Verwirrungen, die in einen Tumult münden, der dann auch noch Dormont auf den Plan ruft. Giulia gesteht, dass sie und Dorvil bereits ein Ehepaar sind, und Blansac macht das Angebot, statt Giulia Dormonts Tochter Lucilla zur Frau zu nehmen. So gibt es am Ende zwei glückliche Paare und einen völlig verwirrten Diener, der nicht begreift, was eigentlich genau passiert ist. Blansac (Nicholas Morton) zeigt sich auch Lucilla (Cecilia Gaetani) gegenüber nicht abgeneigt. Das Regie-Team um Nathan Troup verlegt die Handlung ins Theatermilieu und lässt die Geschichte in der Garderobe einer gefeierten Opernsängerin spielen. Dormont ist Giulias Manager, dem sehr an der Karriere seines Stars gelegen ist. Blansac betrachtet er als einen geeigneten Verehrer, der Giulias Ruhm absolut förderlich ist. Da passt natürlich Dorvil, den Giulia heimlich geheiratet hat, nicht ins Bild. Lucilla übernimmt die Rolle einer vielversprechenden jungen Sängerin, und Germano ist für Giulia das Mädchen für alles. Dieser Ansatz trägt die Geschichte eigentlich nicht, zumal die angegrauten Haare, die die Maske den beiden Frauen verpasst hat, die beiden Mädchen wesentlich älter machen, als es die Geschichte verlangt bzw. erlaubt. Wieso sollte sich eine gefeierte Opernsängerin von ihrem Manager vorschreiben lassen, wen sie heiratet? Wieso sollte einem Manager nicht die eigene Tochter bei dem Aufbau einer Karriere wichtiger sein? Dass das Konzept aber trotzdem aufgeht und die Inszenierung dem Publikum großen Spaß bereitet, ist zum einen dem fantasievollen Bühnenbild von Luca Dalbosco und zum anderen der großen Spielfreude des Ensembles zu verdanken. Dalbosco stattet die Garderobe der Sängerin mit zahlreichen Holzleitern aus, die mit langen roten Tüchern bedeckt sind. Diese Tücher stellen zum einen die seidene Leiter dar, über die Dorvil jeden Abend zu seiner heimlichen Braut gelangt, dienen als Vorhang für die Auftritte der Diva und bieten den Solisten zahlreiche Versteckmöglichkeiten in dem Verwirrspiel. Giulia (Galina Bakalova) zwischen drei Verehrern (von links: Dorvil (Ji Hyun Kim), Germano (Filippo Fontana) und Blansac (Nicholas Morton)) Galina Bakalova überzeugt als Giulia mit strahlendem Sopran und großer Komik. Während der Ouvertüre hat sie mit einer hohen weißen Perücke einen theatralischen Auftritt vor den anderen Solisten, bei dem sie sich mit übertriebenem Pathos einen Gummidolch in die Brust stößt. Mit egozentrischer Selbstverliebtheit nimmt sie auch die ihr zugedachten Blumen entgegen, wobei sie sich für die Karte des edlen Gönners reichlich wenig interessiert. Im weiteren Verlauf legt sie jedoch das divenhafte Spiel ab und zeigt sich mehr als kokette junge Frau, die versucht, ihr Geheimnis zu wahren und einer Ehe mit Blansac zu entgehen. Die Koloraturen singt sie sauber aus. Ji Hyun Kim stattet ihren Ehemann Dorvil mit geschmeidigem Tenor aus, bleibt im Spiel allerdings ein bisschen blass. Cecilia Gaetani hingegen begeistert als Lucilla mit verführerischem Spiel und voluminösem Mezzo. Nicholas Morton gestaltet den Blansac mit machohaftem Spiel und punktet mit markantem Bariton. Dabei ist es ihm völlig gleichgültig, welche Frau er am Ende bekommt. Chase Hopkins legt den Dormont recht hektisch an und überzeugt mit lyrischem Tenor. Dormont (Chase Hopkins, rechts) will endlich wissen, was in seinem Haus gespielt wird (von links: Germano (Filippo Fontana), Blansac (Nicholas Morton), Lucilla (Cecilia Gaetani), Dorvil (Ji Hyun Kim) und Giulia (Galina Bakalova)). Die Paraderolle des Stückes kommt dem Diener Germano zu, der von Filippo Fontana mit großem Spielwitz präsentiert wird. Schon in die Ouvertüre baut er den ersten Gag ein, wenn er heimlich an den für Giulia bestimmten Süßigkeiten nascht und eine Praline nach dem Probieren angewidert wieder in die Packung legt. Auch im weiteren Verlauf setzt er durch eine großartige Mimik darstellerische Akzente. Sein Buffo-Bariton besitzt in den Höhen genügend Durchschlagskraft und verfügt auch in den Tiefen über das erforderliche Volumen. Mit großem Tempo bewegt er sich durch die Inszenierung, sorgt für zahlreiche Verwicklungen und avanciert so zum Publikumsliebling der Veranstaltung. Besonderes Lob verdient auch Tina Chang, die den Abend musikalisch am Klavier begleitet und mit frischem und beweglichem Spiel nahezu vergessen lässt, dass man bei dieser Aufführung auf ein komplettes Orchester verzichten muss. So gibt es am Ende großen und verdienten Beifall für alle Beteiligten.
FAZIT Auch wenn die Grundidee, die Geschichte im Theater anzusiedeln, nicht wirklich greift, gelingt es den spielfreudigen Solisten in einem fantasievollen Bühnenbild, die Inszenierung doch noch zu einem Erfolg werden zu lassen.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2017 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungTina Chang Regie Bühne und Kostüme Licht Solisten
Dormont
Giulia
Lucilla
Dorvil Blansac Germano
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- Fine -