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Verworrene Rache einer MutterVon Thomas Molke / Fotos von Clive Barda Obwohl Luigi Cherubini von seinen Zeitgenossen sehr bewundert wurde - Beethoven bezeichnete ihn sogar als einen der größten dramatischen Komponisten seiner Zeit -, kam sein Opernschaffen in Paris, wo er lange Zeit als Direktor des Pariser Konservatoriums enormen Einfluss auf die französische Musikgeschichte ausübte, nicht zuletzt durch die Ankunft Rossinis schnell aus der Mode. Für die Franzosen klang seine Musik anschließend zu Deutsch. In Italien hingegen unterstellte man ihm einen französischen Stil, mit dem man sich nicht anfreunden konnte, und in Deutschland warf man ihm vor, sich für keine musikalische Richtung entscheiden zu können. Erst in den letzten Jahren ist seinen Kompositionen nicht zuletzt durch den großen Einsatz des italienischen Dirigenten Ricardo Muti wieder mehr Beachtung geschenkt worden. Eine Sonderstellung in Cherubinis Opernschaffen nimmt Medea ein, die als französische Tragédie lyrique Médée am 13. März 1797 am Théâtre Feydeau in Paris ihre Uraufführung erlebte. Bekannt ist heute jedoch vor allem die italienische Fassung von Carlo Zangarini, die Arturo Toscanini 1909 mit Rezitativen, die Franz Lachner 1855 statt der gesprochenen Dialoge eingeführt hatte, an der Mailänder Scala herausbrachte, und die in den 1950er Jahren vor allem mit einem großen Namen in Verbindung gebracht wurde: Maria Callas, die die Partie wie keine andere Sängerin prägte und mit der sich heutzutage jede Sopranistin in dieser Rolle unfreiwillig messen muss. Mit Lise Davidsen hat man allerdings in Wexford eine Sängerin verpflichtet, die diesen Vergleich keineswegs scheuen muss. Jason (Sergey Romanovsky) will Glauce (Ruth Iniesta), die Tochter des Königs von Korinth, heiraten. Die Oper basiert auf den gleichnamigen Tragödien von Euripides und Pierre Corneille und lässt wie die beiden Tragödien die Vorgeschichte weg, in der Medea dem Argonauten Jason aus Liebe geholfen hat, das goldene Vlies aus ihrer Heimat Kolchis zu rauben, und er ihr im Gegenzug ewige Liebe geschworen hat. Bei der Flucht aus Kolchis haben die beiden Medeas Bruder getötet und seine Stücke im Meer verstreut, um Medeas Vater bei der Verfolgung der Argonauten aufzuhalten. Nun sind die beiden in Korinth angekommen, wo sich Jason in die Tochter des Königs Creon verliebt, die bei Euripides Glauke, bei Corneille Krëusa, in der französischen Fassung der Oper Dircé und in der italienischen Version wieder Glauce heißt. Dafür will er sich von Medea trennen und ihr obendrein auch noch die beiden gemeinsamen Söhne nehmen. Medea versucht zunächst vergeblich, Jason zurückzugewinnen, doch ihre magischen Kräfte, die ihm äußerst willkommen waren, um sich das goldene Vlies anzueignen, sind ihm mittlerweile unheimlich. Daher schlägt Medeas Verzweiflung in Hass um, zumal die Korinther sie gewaltsam aus der Stadt verbannen wollen. König Creon gewährt ihr einen Tag Aufschub, um sich noch von ihren beiden Kindern verabschieden zu können. Doch Medea nutzt diesen Tag für eine grausame Rache. Zunächst vergiftet sie den Schleier, den Glauce bei der Hochzeit trägt, so dass Jasons Braut bei der Hochzeit vor seinen Augen qualvoll stirbt. Dann tötet sie auch noch die beiden gemeinsamen Söhne und lässt den Königspalast von Korinth in Flammen aufgehen. Dafür will sich Jason (Sergey Romanovsky) von seiner Ehefrau Medea (Lise Davidsen, hier mit Rioch Kinsella als Sohn), der er ewige Treue geschworen hat, trennen. Der Regisseurin Fiona Shaw mag die Figur der Medea sehr vertraut sein, da sie als Schauspielerin mehrere Jahre in dieser Rolle auf der Bühne gestanden hat und ihre Darstellung sogar für den Tony Award nominiert worden ist. Für die Inszenierung wirkt sich diese Kenntnis aber keineswegs positiv aus, da man nicht genau weiß, wo Shaw mit ihrem Ansatz eigentlich hin will. Sie verlegt die antike Geschichte in ein modernes Kinderzimmer, das in der Mitte der Bühne von einem riesigen Felsen dominiert wird, der wohl als eine Art Bindeglied zur Vorgeschichte fungiert. Während der Ouvertüre sieht man nämlich drei Kinder, die die Geschichte um den Raub des goldenen Vlies nachspielen. Ein Kind stellt in einem langen roten Mantel Medeas Bruder dar, der bei Medeas und Jasons Flucht aus Kolchis getötet wird. Diesen toten Bruder lässt Shaw im weiteren Verlauf des Stückes als stumme Rolle immer wieder auftauchen. Dabei wird nicht ganz klar, ob er eigentlich Gegenspieler oder Verbündeter Medeas sein soll. Am Ende trägt er die beiden toten Söhne auf den Felsen und versinkt mit Medea, der toten Glauce im Bühnenboden, während der Felsen in einer Videoprojektion von schäumenden Wellen umspült wird. Albern wirkt auch, dass Medea sich an eine Nähmaschine setzt, um den vergifteten Schleier mit dem Diadem für Glauce vorzubereiten. Der tote Bruder fungiert hier als Handlanger, der das Gift auf den Schleier träufelt. Genauso unklar bleibt, wieso der erste Akt in einem Fitnessraum spielt. Sollen hier die Braut Glauce und die Hochzeitsgäste sich vor der Hochzeit sportlich betätigen und noch schnell einige Kalorien verbrennen, um besser in die Hochzeitsgarderobe zu passen? Noch unverständlicher sind die Barockkostüme, in die Glauce und einige der Mädchen - sollen das die Brautjungfern sein? - schlüpfen. Neben den beiden Söhnen taucht auch noch ein kleines Mädchen bei Medea und ihrer Amme Neris auf, das sich überhaupt nicht zuordnen lässt. Ein Kind von Medea und Jason ist dieses Mädchen wohl nicht, da es nach dem Mord an den beiden Söhnen - Medea erstickt die beiden mit einem Kissen im Bett - unter dem Bett zurückbleibt. Dass sich Medea im zweiten Akt beim Streitgespräch mit Jason auch noch mit zwei Dolchen duellieren muss, wirkt ebenfalls deplatziert. Völlig verwirrend ist auch, wieso der Chor beim Schlussapplaus in festlichen Kostümen auftritt, die in der Inszenierung gar nicht vorgekommen sind. Ist hier noch kurzfristig etwas am Konzept geändert worden und damit Budget für Kostüme unnötig verschwendet worden? Diese Fragen lassen sich wohl nicht abschließend klären. Medea (Lise Davidsen) ist verzweifelt.
Bei allem Ärger über die Inszenierung bietet die hochkarätige Besetzung
zumindest musikalischen Trost.
Neris (Raffaella Lupinacci, hinten) versucht,
Medea (Lise Davidsen, vorne) zu trösten.
FAZIT
Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Festspielniveau und lässt keine
Wünsche offen. Für Fiona Shaws Inszenierung kann man das leider nicht sagen.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2017 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungStephen Barlow Regie Bühne und Kostüme Licht Choreographie Video Chorleitung
Chor des
SolistenMedea
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- Fine -