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Finstere Geschichte in düsterem AmbienteVon Thomas Molke / Fotos: © Paula Malone Carty Die so genannten "Short Works", die an den Nachmittagen mit einstündigen Kurzopern oder gekürzten Kammerfassungen gängiger Repertoire-Stücke seit vielen Jahren das Festival ergänzen, haben nun schon seit geraumer Zeit ihren Status als Geheimtipp abgelegt und können es vielfach mit den großen Produktionen im O'Reilly Theatre im National Opera House aufnehmen. Einen großen Verdienst daran hat sicherlich der italienische Regisseur Roberto Recchia, der in den vergangenen Jahren mit Mozarts Die Zauberflöte, Donizettis L'elisir d'amore und Rossinis La Cenerentola in einer jeweils kompakten Fassung das Publikum begeisterte. In diesem Jahr hat er sich Verdis Rigoletto vorgenommen, die erste Oper der so genannten "Trilogia popolare", zu der außerdem noch Il trovatore und La traviata zählen. Und auch wenn La traviata in der Rangliste der beliebtesten Opern noch vor Rigoletto steht, dürfte die berühmte Tenorarie "La donna è mobile" schon allein durch die Werbung einen noch größeren Bekanntheitsgrad in allen Bevölkerungsschichten erlangt haben. Auch bei diesem Werk gelingt es Recchia, in der gekürzten Fassung den Kern der Oper herauszudestillieren, so dass man kaum merkt, dass fast eine Stunde Musik und ein ganzes Orchester fehlen. Rigoletto (Charles Rice) trägt seine tote Tochter von der Bühne. Die Höflinge schauen zu. Im Programmheft stellt Recchia die Frage, was einem Regisseur bei der Inszenierung eines Stückes, das einen derartigen Bekanntheitsgrad genießt, überhaupt noch für Möglichkeiten bleiben, wenn man nicht eine moderne Neudeutung oder Aktualisierung vornehmen will. Und Recchia entscheidet sich, noch tiefer in die Psyche der Charaktere einzutauchen. Was er dort findet, ist ein Blick in den Abgrund. So kommt er zu dem Ergebnis, dass alle Figuren in dem Stück mit Ausnahme von Gilda abgrundtief schlecht sind. Selbst die Titelfigur betrachtet er als einen personifizierten Teufel, mit dem man zwar am Ende Mitleid hat, wenn er seine tote Tochter in den Armen hält, was aber keineswegs sein grausames Verhalten Monterone gegenüber oder die Anheuerung eines Mörders rechtfertigt. Deshalb treten auch alle Figuren außer Gilda in einem dunklen Anzug auf. Rigoletto unterscheidet sich von den anderen nur durch seinen Buckel und einen grünen Überwurf, der ihn als Narren identifiziert. Den Herzog lässt Recchia mit Krone auftreten, was wohl als Anspielung auf Verdis ursprüngliche Intention verstanden kann, die Geschichte wie die literarische Vorlage bei Victor Hugo am französischen Königshof spielen zu lassen, was die Zensur der damaligen Zeit jedoch verhinderte. Gilda hebt sich von dieser dunklen Gesellschaft durch ein helles Kleid ab, was ihre Unschuld hervorheben soll. Monterone (Thomas D Hopkinson, links) verflucht Rigoletto (Charles Rice, Mitte). Das Ende stellt Recchia direkt an den Beginn der Oper. Wenn das Publikum den Saal betritt, liegt bereits der Sack mit Gildas Leiche auf der Bühne. Zu den ersten Takten der Musik beugt sich Rigoletto gebrochen über seine tote Tochter, während sich die Höflinge mit diabolischen Masken im Hintergrund an seinem Leid ergötzen. Dann trägt Rigoletto seine tote Tochter von der Bühne, und die eigentliche Handlung beginnt. Recchia verzichtet in seiner Inszenierung größtenteils auf ein Bühnenbild und arbeitet vielmehr mit düsteren Lichteffekten und jede Menge Bühnennebel. Zwei Podeste und ein grüner Vorhang im Hintergrund reichen ihm aus, die Geschichte auf den Punkt zu bringen. Am Ende verzichtet er darauf, Gilda aus dem Sack noch einmal "auferstehen" zu lassen. Stattdessen tritt sie als eine Art Geist hinter ihrem Vater auf, der dabei den Sack mit ihrem Leichnam in den Armen hält, und lässt die letzten Töne nur in der Fantasie Rigolettos erklingen. Dabei trägt sie auf ihrem Kleid ein Herz, das von einem Dolch durchstoßen worden ist und entschwindet am Ende im Nebel. Für die Wirtshausszene werden die beiden Podeste auseinandergezogen. Während der Herzog auf dem einen Podest beim berühmten Quartett "Bella figlia dell' amore" versucht, Maddalena zu verführen, beobachten Rigoletto und seine Tochter das Geschehen von der Seite. Das zweite Podest dient dann als Tür, an die Gilda trotz der bewiesenen Untreue ihres Geliebten hämmert, um seine Ermordung zu verhindern. Rigoletto (Charles Rice) will seine Tochter Gilda (Giuliana Gianfaldoni) vor den Höflingen schützen. Giuliana Gianfaldoni hat beim Wexford Festival Opera bereits in der Hauptproduktion Margherita von Jacopo Foroni als Giustina mit großartigen Koloraturen glänzen können. Auch als Gilda begeistert sie mit glasklaren Höhen, die die Zerbrechlichkeit der jungen Frau unterstreichen. Das berühmte "Caro nome" avanciert durch Gianfaldonis eindringliche Interpretation zu einem Höhepunkt der Aufführung. Charles Rice stattet die Titelpartie mit großer Durchschlagskraft in den Höhen und kräftigem Volumen in den Tiefen aus. Seine große Arie "Cortigiani", mit der er die Höflinge anklagt und seine eigene Verzweiflung zum Ausdruck bringt, geht in Rices eindringlicher Interpretation unter die Haut. Auch im Zusammenspiel mit Gianfaldoni findet Rice zu einer betörenden Innigkeit, die zum einen die tiefen Gefühle zwischen Vater und Tochter aufzeigen und zum anderen musikalischen Genuss auf höchstem Niveau bieten. Giorgio D'Alonzo gelingt am Klavier eine eindringliche Begleitung, die das große Orchester kaum vermissen lässt. Gilda (Giuliana Gianfaldoni) hat sich in den Herzog (Aidan Coburn) verliebt. Leider ist die Partie des Herzogs für Aidan Coburn eine Nummer zu groß. Während er bei seiner Auftrittsarie "Questa o quella" die Töne zwar noch halten kann, sie aber ohne differenzierte Nuancierung oder tenoralen Schmelz herausschmettert, bekommt er im Laufe der Vorstellung immer größere stimmliche Probleme. In der berühmten Arie "La donna è mobile" misslingt ihm dann auch noch das Ende, weil er von einem Hustenreiz gequält wird. Dabei fällt es ihm auch immer schwerer, die eigene Unzufriedenheit zu überspielen und als verführerischer Don Juan in der Rolle zu bleiben. Beim Quartett "Bella figlia dell' amore" hat man schon beinahe das Gefühl, er wolle sich lieber bei Maddalena ausweinen als sie verführen. Coburn sollte sich mit derart anspruchsvollen Partien noch ein wenig Zeit lassen, um sich nicht seine Stimme zu ruinieren. In den weiteren Partien lassen vor allem Toni Ne žić als Sparafucile und Thomas D Hopkinson als Count Monterone aufhorchen. Nežić verfügt über einen schwarzen Bass, der die Skrupellosigkeit des gedungenen Mörders glaubhaft unterstreicht. Hopkinson verleiht dem alten Monterone bei seinem Fluch mit profundem Bass enorme Autorität. Veta Pilipenko gefällt als Maddalena mit warmem Mezzosopran und verführerischem Spiel. Des Weiteren ergänzen die drei mit Vivien Conacher (Giovanna) auch noch die Höflinge, die von Malachy Frame (Count Ceprano), Simon Chalford Gilkes (Matteo Borsa) und Steven Griffin (Marullo) interpretiert werden, und ersetzen damit überzeugend den fehlenden Chor. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Roberto Recchia erweist sich auch dieses Jahr wieder als Meister, der es versteht, eine große Oper des Standard-Repertoires als Kurzfassung ohne modernen Schnickschnack auf den Punkt zu bringen.
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Wexford Festival Opera 2017 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGiorgio D'Alonzo Regie Bühne und Kostüme Licht Solisten
Rigoletto
Gilda
Duke of Mantua
Sparafucile
Maddalena Giovanna Count Ceprano Matteo Borsa Count Monterone Marullo
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