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Wexford Festival Opera
19.10.2017 - 05.11.2017


Risurrezione

Oper in vier Akten
Libretto von Cesaro Hanau nach dem Roman Resurrection von Leo Tolstoy
Musik von Franco Alfano

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Premiere im O'Reilly Theatre im National Opera House in Wexford am 21. Oktober 2017
(rezensierte Aufführung: 27.10.2017)



 

 

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Doppelte Auferstehung

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Franco Alfano ist heute größtenteils nur noch dafür bekannt, dass er Puccinis Turandot beendet hat. Durch diesen Ruhm sind seine eigenen Opern ziemlich in Vergessenheit geraten. Dabei war er vorher ein erfolgreicher Komponist des Verismo, der auch außerhalb Italiens in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts große Erfolge feiern konnte. Sein erster und vielleicht größter Erfolg war die am 30. November 1904 in Turin uraufgeführte Oper Risurrezione, die auf Leo Tolstoys fünf Jahre zuvor erschienenem letzten Roman Resurrection (in Deutschland erschienen unter dem Titel Auferstehung) basierte, der zum einen zu Tolstoys Exkommunikation aus der Russischen Orthodoxen Kirche führte und zum anderen Tolstoys Ruf als Moralphilosophen festigte. Alfano hatte 1902 in Paris eine Bühnenfassung von Henry Bataille gesehen und war von der Geschichte so begeistert, dass er sie sofort vertonen wollte. Ursprünglich wollte er Batailles Stück als Grundlage für eine französische Oper nehmen, doch Bataille forderte eine derart hohe Beteiligung an den Aufführungsrechten, dass Alfano sich entschied, Cesare Hanau ein Libretto von der italienischen Übersetzung des Romans anfertigen zu lassen. Nachdem man beim Wexford Festival Opera 1982 Alfanos Lieblingsoper Sakùntala präsentiert hat, versucht man nun, mit dem Werk Risurrezione eine "Wiederauferstehung" des vergessenen Komponisten einzuleiten.

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Katiusha (Anne Sophie Duprels) hat dunkle Vorahnungen.

Dem Titel der Oper kommt dabei eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen bezieht er sich auf die Auferstehung Christi, da die Oper mit einer Art Choral am Ostersonntag beginnt und endet. Zum anderen wird damit der Leidensweg der jungen Katiusha beschrieben, die nach einer Reihe persönlicher Schicksalsschläge am Ende doch noch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft findet und sich wie neu geboren fühlt. Als junges Mädchen arbeitet sie als Dienstmädchen im Landhaus der Sofia Ivanovna, die sie als Baby gerettet und bei sich aufgenommen hat. Dort tritt sie auf Sofias Neffen, den Prinzen Dimitri, und verliebt sich in ihn. Dimitri nutzt die Gefühle der jungen Frau aus und verführt sie, bevor er erneut in den Krieg gegen die Türken zieht. Katiusha wird schwanger und aus dem Haus geworfen. An einem Bahnhof wartet sie sieben Monate später auf Dimitri und hofft auf seine Unterstützung. Doch Dimitri erscheint gemeinsam mit einer anderen Frau und nimmt Katiusha nicht wahr, bevor er in den Zug steigt. Völlig verzweifelt kann Katiusha sich nur noch durch Prostitution über Wasser halten. Ihr Kind stirbt kurz nach der Geburt. Zehn Jahre später wird sie angeklagt, einen Kunden vergiftet zu haben, und soll für 20 Jahre nach Sibirien geschickt werden. Dimitri befindet sich bei ihrer Verurteilung in der Jury vor Gericht und fühlt sich schuldig, weil er sie einst im Haus seiner Tante verführt hat. Er bietet ihr an, sie zu heiraten und sie damit vor dem Transport nach Sibirien zu bewahren. Doch Katiusha lehnt ab. Also folgt er ihr nach Sibirien, um das an ihr begangene Unrecht ungeschehen zu machen. In Sibirien hat sich der Mitgefangene Simonson in Katiusha verliebt und möchte sie heiraten. Dimitri bietet ihr ein letztes Mal die Freiheit und seine Liebe an. Katiusha gesteht ihm, dass sie ihn zwar all die Jahre immer geliebt habe, aber dennoch Simonson heiraten werde. Durch dieses Bekenntnis finden Katiusha und Dimitri ihren Frieden und nehmen "neu geboren" voneinander Abschied.

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Die verzweifelte Katiusha (Anne Sophie Duprels, rechts) wartet mit ihrer Freundin Anna (Romina Tomasoni, links) am Bahnhof auf Dimitri.

Das Regie-Team um Rosetta Cucchi zeichnet Katiushas Weg bis zur "Wiederauferstehung" in bewegenden Bildern. Im ersten Akt beherrscht ein Prospekt mit dem Bild The Demon Seated des russischen Malers Mikhail Vrubel als Rückwand die Szene. Das Bild bezieht sich auf ein Gedicht von Mikhail Lermontov und zeigt einen leidenden Dämonen, der sich in eine Prinzessin verliebt, sie jedoch mit einem Kuss getötet hat. Damit wird auf den Prinzen Dimitri angespielt, der Katiusha mit der gemeinsam verbrachten Nacht ebenfalls ins Verderben stürzt. Im Gegensatz zum Dämon gibt es für Dimitri und Katiusha jedoch am Ende trotzdem noch Hoffnung. Bereits im ersten Akt schimmert hinter dem Prospekt ein Kornfeld durch, dessen Bedeutung erst ganz am Schluss der Oper klar wird. Nachdem Katiusha Dimitri vergeben hat und beide nun in der Lage sind, befreit voneinander ein glückliches Leben zu führen, taucht dieses Kornfeld in dem weißen kahlen Bühnenbild, das das unwirtliche Sibirien beschreibt, wieder auf. Die weiße Rückwand wird nach vorne herabgelassen und zeigt die hohen Ähren eines Feldes, durch das Katiusha im Anschluss verträumt einer besseren Zukunft entgegengeht. Claudia Pernigotti hat historisierende Kostüme entworfen, die die Inszenierung in der Zeit ihrer Entstehung spielen lassen. Tiziano Santi konzipiert auch für den zweiten und dritten Akt aufwändige Bühnenbilder, die auf jedwede Aktualisierung verzichten. Der Bahnhof wird durch eine riesige Halle angedeutet, in der hinter matten Scheiben die Umrisse der Wartenden zu sehen sind. Selbst der Zug, in den Dimitri am Ende des zweiten Aktes steigt, ist zu erkennen. Der dritte Akt zeigt den Trakt eines Frauengefängnisses in aller Tristheit.

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Trauriges Wiedersehen nach zehn Jahren: Katiusha (Anne Sophie Duprels) und Dimitri (Gerard Schneider)

Rätsel gibt ein junges Mädchen in einem weißen Kleid auf, das wie ein Geist aus einer anderen Welt in den vier Akten immer wieder auftaucht. Im ersten Akt sieht Katiusha das junge Mädchen in dem Kornfeld hinter dem Prospekt mit dem Gemälde, bevor sie von Dimitri verführt wird. Ist diese Figur Katiushas Alter Ego und soll hier eine Warnung sein, sich nicht mit dem Prinzen auf eine gemeinsame Nacht einzulassen? Im zweiten Akt taucht das Mädchen am Bahnhof auf und ist im dritten Akt auch mit den zahlreichen Frauen im Gefängnis. Im Gefängnis versteckt sich das Kind unter einem Tisch und ist verängstigt, zeigt somit vielleicht die wahren Gefühle Katiushas, die diese hinter einer Fassade der Stärke zu verbergen versucht. Dass Katiusha im Gefängnis keineswegs so stark und abgebrüht ist, wie sie zunächst vorgibt, wird deutlich, wenn Dimitri ihr ein Foto ihrer Jugend überreicht und ihr bewusst wird, was aus ihr geworden ist. In Sibirien taucht das Mädchen zunächst nicht auf. Erst als das Kornfeld herabgelassen wird, sieht man das Mädchen wie im ersten Akt durch das Feld schlendern. Nun findet Katiusha zu dem Kind und geht gemeinsam mit dem Mädchen der Sonne entgegen. Es ist fraglich, ob bei diesem Schlussbild die Grenze des Kitsches nicht überschritten wird. Das Publikum ist jedenfalls begeistert und bricht in großen Jubel aus, bevor der letzte Ton aus dem Orchestergraben verklungen ist.

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Hoffnung auf eine bessere Zukunft: Katiusha (Anne Sophie Duprels) und das Mädchen

Musikalisch hat die Oper großartige Momente, so dass man sich wirklich fragt, warum dieses Stück völlig in Vergessenheit geraten ist. Vieles klingt in der Partitur nach Puccini, was vielleicht auch der Grund dafür gewesen ist, dass man Alfano damit beauftragt hat, Puccinis unvollendete Oper fertigzustellen. Francesco Cilluffo gelingt es mit dem Orchester des Wexford Festival Opera, die emotionsgeladene Musik zum Blühen zu bringen und dem Publikum einen wahren Ohrenschmaus zu präsentieren. Anne Sophie Duprels verfügt als Katiusha über einen großen dramatischen Sopran, auch wenn sie an einzelnen Stellen in den Höhen ein wenig schrill klingt. Darstellerisch arbeitet sie die verschiedenen Facetten der jungen Frau überzeugend heraus. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihr Gebet im zweiten Akt, wenn sie auf Dimitris Unterstützung hofft. Gerard Schneider stattet den Prinzen Dimitri mit kräftigem Tenor und sauberen Höhen aus, entwickelt sich aber erst ab dem dritten Akt zu einem positiven Charakter, wenn er Verantwortung für das Unglück übernimmt, in das sein Verhalten Katiusha gestürzt hat. Nach den leichtfertigen Liebesschwüren im ersten Akt bekommt das Duett im dritten Akt musikalisch eine gewisse Tiefe, die von Schneider und Duprels bewegend umgesetzt wird. Charles Rice begeistert als Simonson mit markantem Bariton und erhält im vierten Akt gleich zwei große Nummern, in denen er glänzen kann. Da wird es gut verständlich, dass sich Katiusha für ihn entscheidet, obwohl sie Dimitri immer noch liebt. Auch die übrigen Rollen sind musikalisch und darstellerisch überzeugend besetzt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Alfanos bewegende Musik kann mit den Repertoire-Opern Puccinis in jeder Hinsicht mithalten. Es bleibt zu hoffen, dass diesem vernachlässigten Komponisten in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Francesco Cilluffo

Regie
Rosetta Cucchi

Bühne
Tiziano Santi

Kostüme
Claudia Pernigotti

Licht
D. M. Wood

Chorleitung
Errol Girdlestone



Orchester des
Wexford Festival Opera

Chor des
Wexford Festival Opera


Solisten

Prinz Dimitri
Gerard Schneider

Katiusha
Anne Sophie Duprels

Simonson
Charles Rice

Sofia Ivanovna
Louise Innes

Korableva / Vera
Veta Pilipenko

Matrena Pavlovna / Anna
Romina Tomasoni

Matrena / Fenitchka
Iona Pipelea

Impiegato Stazione
Simon Gilkes

La Gobba
Laura Margaret Smith

La Rossa
Cecilia Gaetani

Una Donna
Louise Wayman

Kritzloff / Contadino
Henry Grant Kerswell

Capo Guardiano
Nicholas Morton

Guardiano
Cormac Lawlor

Un Mujich
Toni Ne
žić

Contadino / Official
Malachy Frame

Il Cosacco
David Howes

Detenuta
Galina Bakalova
Vivien Conacher
Lucilla Graham
Anna Jeffers
Emily Onsloe
Bethany Kallan Remfry

Detenuta / La Serva
Eliza Safjan

Fedia
Niamh White /
Megan Moran

Nora
Catherine Gaul


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