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"Best Of" in einem vergessenen MeisterwerkVon Thomas Molke / Fotos: © Andreas Kühn Obwohl Rossinis Eduardo e Cristina bei der Uraufführung in Venedig am 24. April 1819 ein grandioser Erfolg beschert war, der zahlreiche Aufführungen in ganz Europa nach sich zog, blieb das Werk seit der Rossini-Renaissance der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts relativ unbeachtet. Die einzige moderne Aufführung erfolgte beim Festival Rossini in Wildbad 1997. Selbst das Rossini Opera Festival in Pesaro hat sich mit dieser Oper noch nicht auseinandergesetzt. Als Grund mag angeführt werden, dass es sich bei diesem Stück um ein Pasticcio handelt, das mehr oder weniger aus Rossinis Opern Ermione, Adelaide di Borgogna, Ricciardo e Zoraide und Stefano Pavesis 1810 uraufgeführter Oper Odoardo e Cristina besteht, was in heutiger Zeit als Makel betrachtet wird. Dabei hatte Rossini mit dem Impresario des Teatro San Benedetto in Venedig, Giuseppe Cortesi, vertraglich festgelegt, dass ein Großteil der neuen Oper aus bereits komponierter Musik bestehe, die lediglich in Venedig noch nicht zur Aufführung gekommen war. So wurde unter anderem für das Werk der Titel "Best Of Rossini" geprägt, der einer Verbreitung in der Neuzeit jedoch auch nicht hilfreich war. Das Festival Rossini in Wildbad unternimmt nun 20 Jahre nach der modernen Erstaufführung erneut den Versuch, das Werk repertoiretauglich zu machen. Die Geschichte spielt am Hof des schwedischen Königs Carlo zur Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung mit Russland. Der schwedische General Eduardo hat gerade die Russen erfolgreich geschlagen, und Carlo will zur Feier des Sieges seine Tochter Cristina mit dem schottischen Prinzen Giacomo vermählen. Doch Cristina ist bereits heimlich mit Eduardo verheiratet und hat mit ihm sogar einen gemeinsamen Sohn, Gustavo, von dem ihr Vater jedoch nichts weiß. Also versucht sie, die Hochzeit mit Giacomo hinauszuzögern, unter dem Vorwand, dass sie immer noch zu sehr um ihre vor einem Jahr verstorbene Mutter trauere. Als Carlo sie gewaltsam zum Altar führen will, fliegt Cristinas Geheimnis auf. Carlo fordert seine Tochter auf, sofort den Vater des Kindes zu nennen, doch Cristina verweigert die Antwort. Da tritt Eduardo hervor und gesteht, Vater des Kindes zu sein und Cristina heimlich geheiratet zu haben. Carlo will alle drei hinrichten lassen, als die Russen erneut angreifen. Eduardo wird von seinem Freund Atlei aus dem Kerker befreit, kann die Stadt ein weiteres Mal retten und bittet um Gnade für Cristina und den gemeinsamen Sohn. Carlo ist von seiner Tugend gerührt und akzeptiert ihn als Schwiegersohn, während Giacomo altruistisch auf Cristina verzichtet. Gianluigi Gelmetti mit dem Camerata Bach Chor Pozna ńFür das Dirigat dieser konzertanten Aufführung konnte der Rossini-Spezialist Gianluigi Gelmetti verpflichtet werden, der nicht nur das Rossini Opera Festival in Pesaro in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entscheidend geprägt sondern auch für Rossini in Wildbad indirekt eine wichtige Rolle gespielt hat. So zählten zu seinen Schülern an der Accademia Musicale Chigiana in Siena unter anderem der jetzige musikalische Leiter des Belcanto Opera Festivals, Antonino Fogliani, und José Miguel Pérez-Sierra, der dem Festival ebenfalls schon mehrere Jahre verbunden ist. Im Rahmen der musikalischen Leitung von Eduardo e Cristina wird er mit dem neu geschaffenen Ehrenpreis Rossini in Cima (Rossini auf dem Gipfel) ausgezeichnet. Schon während der Ouvertüre des Stückes wird klar, dass Gelmetti diesen Preis mehr als verdient hat. Mit absoluter Präzision arbeitet er mit den Virtuosi Brunenses die Feinheiten der Ouvertüre, die aus den beiden Ouvertüren zu Ricciardo e Zoraide und Ermione zusammengesetzt ist, heraus und macht musikalisch dem Prädikat "Best of Rossini" alle Ehre. So sind der von Ania Michalak einstudierte Camerata Bach Chor Pozna ń, die Solisten und das Orchester genau aufeinander abgestimmt.
Schlussapplaus: von links: Atlei (Xiang Xu),
Giacomo (Baurzhan Anderzhanov), Carlo (Kenneth Tarver), Eduardo (Laura
Polverelli), Gianluigi Gelmetti, Cristina (Silvia Dalla Benetta), Ania Michalak
und der Camerata Bach Chor Poznań
Stimmlich bewegt sich die Aufführung auf Festspielniveau
und empfiehlt damit gleichzeitig die CD-Aufnahme, die von dieser konzertanten
Aufführung bei Naxos eingespielt wird. Das Liebespaar ist mit Silvia Dalla
Benetta als Cristina und Laura Polverelli als Eduardo hochkarätig besetzt. Dalla
Benetta punktet in ihrer Kavatine im ersten Akt, "È svanita ogni speranza", wenn
sie keinen Ausweg mehr weiß, wie sie eine Vermählung mit Giacomo verhindern
soll, mit dramatischen Höhen, die die Verzweiflung der jungen Frau glaubhaft zum
Ausdruck bringen. Wenn sie im zweiten Akt im Kerker fürchtet, dass ihr Mann und
ihr Sohn den kriegerischen Auseinandersetzungen bereits zum Opfer gefallen sind,
bringt sie auch diese Leiden in ihrer großen Arie "Ah non, non fu riposo" mit
sauber angesetzten Spitzentönen und flexiblen Koloraturen zum Ausdruck. Dabei
verfügt sie insgesamt über einen runden, vollen Sopran mit enormer
Durchschlagskraft. Polverelli begeistert mit einer samtigen Mittellage und
großer Beweglichkeit in den Läufen. Dabei gelingt es ihr, die unterschiedlichen
Emotionen des jungen Generals glaubhaft herauszuarbeiten. In ihrer ersten
Kavatine "Vinsi, ché fui d'eroi" blickt sie mit freudigen Koloraturen dem
Wiedersehen mit Cristina entgegen, bis sie erkennen muss, dass Carlo einen
anderen Mann für seine Tochter bestimmt hat. Absolut heldenhaft stürzt sich
Polverelli dann im großen Rondo im zweiten Akt "La pietà che in sen serbate" mit
großen Oktavsprüngen und halsbrecherischen Koloraturen in den Kampf, weil
Eduardo zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu verlieren hat. Mit Dalla Benetta
findet Polverelli in den beiden Duetten zu einer betörenden Innigkeit.
Kenneth Tarver kommt, wie schon vor zwei Jahren in
Bianca e Falliero, die undankbare Rolle des strengen Vaters zu (siehe auch
unsere Rezension).
Erneut begeistert er mit stupenden Höhen und einer profunden Mittellage, die die
Unerbittlichkeit des schwedischen Königs unterstreicht. Mit sauberen
Spitzentönen glänzt er in seiner großen Arie "D'esempio all'alme infide", wenn
er seine Tochter zwingen will, den Namen des Kindsvaters zu nennen, und sie
anschließend absolut unerbittlich in den Kerker werfen lässt. Auch im großen
Duett mit Dalla Benetta im zweiten Akt macht er mit großer Härte stimmlich
deutlich, dass zwischen Vater und
Tochter keine Verständigung mehr möglich ist. Umso unglaubwürdiger wirkt dann
der Schluss, wenn der König nach Eduardos erneutem Sieg gegen die Russen einlenkt und
sich Cristina auch noch dankbar dafür zeigt, dass sie nun mit Eduardo vereint
werden darf. Anderzhan Baurzhanov kommt wie vor zwei Jahren in Bianca e
Falliero die Rolle des verschmähten Liebenden zu. Dabei kann man wirklich
Mitleid mit ihm haben, weil der schottische Prinz Giacomo eine durchweg
sympathische Figur ist, der sogar bereit ist, Cristina mit dem unehelichen
Kind zu heiraten, und alles daran setzt, sie vor der Hinrichtung zu bewahren.
Leider ist seine Arie im zweiten Akt, die Rossini wahrscheinlich aus Pavesis Oper übernommen hat, gestrichen worden, weil sie
vielleicht stilistisch
nicht wirklich in die Oper passt. Von Baurzhanovs markantem Bass hätte man
nämlich an diesem Abend gerne noch ein bisschen mehr gehört. Xiang Xu rundet als
Eduardos Freund Atlei mit strahlendem Tenor die Leistung des Solisten-Ensembles
hervorragend ab, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.
FAZIT
Die Aufführung überzeugt zwar durch eine großartige Besetzung, aber vielleicht
möchte man doch lieber die einzelnen Opern hören, aus denen das Werk
zusammengesetzt ist, zumal das Stück dramaturgisch einige Längen aufweist und
inhaltlich mehr als fragwürdig ist.
Weitere Rezensionen zu Rossini in
Wildbad 2017 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGianluigi Gelmetti Chor
Camerata Bach Chor Pozna ńVirtuosi Brunenses
SolistenCarlo, König von Schweden
Cristina, seine Tochter
Eduardo, General der schwedischen
Streitmacht
Giacomo, königlicher Prinz von Schottland
Atlei, Leutnant der königlichen Wachen und
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- Fine -