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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
07.07.2017 - 23.07.2017


Eduardo e Cristina

Ernste Oper in zwei Akten
Libretto von Andrea Leone Tottola und Gherardo Bevilacque Aldobrandini nach Odoardo e Cristina von Giovanni Schmidt
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung in der Trinkhalle am 16. Juli 2017

 

 

 

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"Best Of" in einem vergessenen Meisterwerk

Von Thomas Molke / Fotos: © Andreas Kühn

Obwohl Rossinis Eduardo e Cristina bei der Uraufführung in Venedig am 24. April 1819 ein grandioser Erfolg beschert war, der zahlreiche Aufführungen in ganz Europa nach sich zog, blieb das Werk seit der Rossini-Renaissance der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts relativ unbeachtet. Die einzige moderne Aufführung erfolgte beim Festival Rossini in Wildbad 1997. Selbst das Rossini Opera Festival in Pesaro hat sich mit dieser Oper noch nicht auseinandergesetzt. Als Grund mag angeführt werden, dass es sich bei diesem Stück um ein Pasticcio handelt, das mehr oder weniger aus Rossinis Opern Ermione, Adelaide di Borgogna, Ricciardo e Zoraide und Stefano Pavesis 1810 uraufgeführter Oper Odoardo e Cristina besteht, was in heutiger Zeit als Makel betrachtet wird. Dabei hatte Rossini mit dem Impresario des Teatro San Benedetto in Venedig, Giuseppe Cortesi, vertraglich festgelegt, dass ein Großteil der neuen Oper aus bereits komponierter Musik bestehe, die lediglich in Venedig noch nicht zur Aufführung gekommen war. So wurde unter anderem für das Werk der Titel "Best Of Rossini" geprägt, der einer Verbreitung in der Neuzeit jedoch auch nicht hilfreich war. Das Festival Rossini in Wildbad unternimmt nun 20 Jahre nach der modernen Erstaufführung erneut den Versuch, das Werk repertoiretauglich zu machen.

Die Geschichte spielt am Hof des schwedischen Königs Carlo zur Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung mit Russland. Der schwedische General Eduardo hat gerade die Russen erfolgreich geschlagen, und Carlo will zur Feier des Sieges seine Tochter Cristina mit dem schottischen Prinzen Giacomo vermählen. Doch Cristina ist bereits heimlich mit Eduardo verheiratet und hat mit ihm sogar einen gemeinsamen Sohn, Gustavo, von dem ihr Vater jedoch nichts weiß. Also versucht sie, die Hochzeit mit Giacomo hinauszuzögern, unter dem Vorwand, dass sie immer noch zu sehr um ihre vor einem Jahr verstorbene Mutter trauere. Als Carlo sie gewaltsam zum Altar führen will, fliegt Cristinas Geheimnis auf. Carlo fordert seine Tochter auf, sofort den Vater des Kindes zu nennen, doch Cristina verweigert die Antwort. Da tritt Eduardo hervor und gesteht, Vater des Kindes zu sein und Cristina heimlich geheiratet zu haben. Carlo will alle drei hinrichten lassen, als die Russen erneut angreifen. Eduardo wird von seinem Freund Atlei aus dem Kerker befreit, kann die Stadt ein weiteres Mal retten und bittet um Gnade für Cristina und den gemeinsamen Sohn. Carlo ist von seiner Tugend gerührt und akzeptiert ihn als Schwiegersohn, während Giacomo altruistisch auf Cristina verzichtet.

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Gianluigi Gelmetti mit dem Camerata Bach Chor Poznań

Für das Dirigat dieser konzertanten Aufführung konnte der Rossini-Spezialist Gianluigi Gelmetti verpflichtet werden, der nicht nur das Rossini Opera Festival in Pesaro in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entscheidend geprägt sondern auch für Rossini in Wildbad indirekt eine wichtige Rolle gespielt hat. So zählten zu seinen Schülern an der Accademia Musicale Chigiana in Siena unter anderem der jetzige musikalische Leiter des Belcanto Opera Festivals, Antonino Fogliani, und José Miguel Pérez-Sierra, der dem Festival ebenfalls schon mehrere Jahre verbunden ist. Im Rahmen der musikalischen Leitung von Eduardo e Cristina wird er mit dem neu geschaffenen Ehrenpreis Rossini in Cima (Rossini auf dem Gipfel) ausgezeichnet. Schon während der Ouvertüre des Stückes wird klar, dass Gelmetti diesen Preis mehr als verdient hat. Mit absoluter Präzision arbeitet er mit den Virtuosi Brunenses die Feinheiten der Ouvertüre, die aus den beiden Ouvertüren zu Ricciardo e Zoraide und Ermione zusammengesetzt ist, heraus und macht musikalisch dem Prädikat "Best of Rossini" alle Ehre. So sind der von Ania Michalak einstudierte Camerata Bach Chor Poznań, die Solisten und das Orchester genau aufeinander abgestimmt.

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Schlussapplaus: von links: Atlei (Xiang Xu), Giacomo (Baurzhan Anderzhanov), Carlo (Kenneth Tarver), Eduardo (Laura Polverelli), Gianluigi Gelmetti, Cristina (Silvia Dalla Benetta), Ania Michalak und der Camerata Bach Chor Poznań

Stimmlich bewegt sich die Aufführung auf Festspielniveau und empfiehlt damit gleichzeitig die CD-Aufnahme, die von dieser konzertanten Aufführung bei Naxos eingespielt wird. Das Liebespaar ist mit Silvia Dalla Benetta als Cristina und Laura Polverelli als Eduardo hochkarätig besetzt. Dalla Benetta punktet in ihrer Kavatine im ersten Akt, "È svanita ogni speranza", wenn sie keinen Ausweg mehr weiß, wie sie eine Vermählung mit Giacomo verhindern soll, mit dramatischen Höhen, die die Verzweiflung der jungen Frau glaubhaft zum Ausdruck bringen. Wenn sie im zweiten Akt im Kerker fürchtet, dass ihr Mann und ihr Sohn den kriegerischen Auseinandersetzungen bereits zum Opfer gefallen sind, bringt sie auch diese Leiden in ihrer großen Arie "Ah non, non fu riposo" mit sauber angesetzten Spitzentönen und flexiblen Koloraturen zum Ausdruck. Dabei verfügt sie insgesamt über einen runden, vollen Sopran mit enormer Durchschlagskraft. Polverelli begeistert mit einer samtigen Mittellage und großer Beweglichkeit in den Läufen. Dabei gelingt es ihr, die unterschiedlichen Emotionen des jungen Generals glaubhaft herauszuarbeiten. In ihrer ersten Kavatine "Vinsi, ché fui d'eroi" blickt sie mit freudigen Koloraturen dem Wiedersehen mit Cristina entgegen, bis sie erkennen muss, dass Carlo einen anderen Mann für seine Tochter bestimmt hat. Absolut heldenhaft stürzt sich Polverelli dann im großen Rondo im zweiten Akt "La pietà che in sen serbate" mit großen Oktavsprüngen und halsbrecherischen Koloraturen in den Kampf, weil Eduardo zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu verlieren hat. Mit Dalla Benetta findet Polverelli in den beiden Duetten zu einer betörenden Innigkeit.

Kenneth Tarver kommt, wie schon vor zwei Jahren in Bianca e Falliero, die undankbare Rolle des strengen Vaters zu (siehe auch unsere Rezension). Erneut begeistert er mit stupenden Höhen und einer profunden Mittellage, die die Unerbittlichkeit des schwedischen Königs unterstreicht. Mit sauberen Spitzentönen glänzt er in seiner großen Arie "D'esempio all'alme infide", wenn er seine Tochter zwingen will, den Namen des Kindsvaters zu nennen, und sie anschließend absolut unerbittlich in den Kerker werfen lässt. Auch im großen Duett mit Dalla Benetta im zweiten Akt macht er mit großer Härte stimmlich deutlich, dass zwischen Vater und Tochter keine Verständigung mehr möglich ist. Umso unglaubwürdiger wirkt dann der Schluss, wenn der König nach Eduardos erneutem Sieg gegen die Russen einlenkt und sich Cristina auch noch dankbar dafür zeigt, dass sie nun mit Eduardo vereint werden darf. Anderzhan Baurzhanov kommt wie vor zwei Jahren in Bianca e Falliero die Rolle des verschmähten Liebenden zu. Dabei kann man wirklich Mitleid mit ihm haben, weil der schottische Prinz Giacomo eine durchweg sympathische Figur ist, der sogar bereit ist, Cristina mit dem unehelichen Kind zu heiraten, und alles daran setzt, sie vor der Hinrichtung zu bewahren. Leider ist seine Arie im zweiten Akt, die Rossini wahrscheinlich aus Pavesis Oper übernommen hat, gestrichen worden, weil sie vielleicht stilistisch nicht wirklich in die Oper passt. Von Baurzhanovs markantem Bass hätte man nämlich an diesem Abend gerne noch ein bisschen mehr gehört. Xiang Xu rundet als Eduardos Freund Atlei mit strahlendem Tenor die Leistung des Solisten-Ensembles hervorragend ab, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Aufführung überzeugt zwar durch eine großartige Besetzung, aber vielleicht möchte man doch lieber die einzelnen Opern hören, aus denen das Werk zusammengesetzt ist, zumal das Stück dramaturgisch einige Längen aufweist und inhaltlich mehr als fragwürdig ist.

Weitere Rezensionen zu Rossini in Wildbad 2017



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gianluigi Gelmetti

Chor
Ania Michalak

 

Camerata Bach Chor Poznań

Virtuosi Brunenses


Solisten

Carlo, König von Schweden
Kenneth Tarver

Cristina, seine Tochter
Silvia Dalla Benetta

Eduardo, General der schwedischen Streitmacht
Laura Polverelli

Giacomo, königlicher Prinz von Schottland
Baurzhan Anderzhanov

Atlei, Leutnant der königlichen Wachen und
Eduardos Freund

Xiang Xu


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