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Klangvokal
Musikfestival Dortmund
11.05.2018 - 10.06.2018

Giovanna d'Arco

Dramma lirico in einem Prolog und drei Akten
Libretto von Temistocle Solera
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Kooperation mit dem WDR Funkhausorchester Köln

Aufführung im Konzerthaus Dortmund  am 27. Mai 2018

 

 

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Musikgenuss der Extraklasse zwischen Belcanto und Dramatik

Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum

Die Geschichte von der stürmischen Überfahrt, die als Inspirationsquelle für eine Ouvertüre diente, kennt man eigentlich von Richard Wagner, wenn es um die Entstehungsgeschichte seines fliegenden Holländers geht. Doch auch sein ewiger Rivale Giuseppe Verdi kann mit einer vergleichbaren Erzählung aufwarten. Bei ihm soll es eine Kutschenfahrt im umbrischen Appenin-Gebirge gewesen sein, bei der in dunkelster Nacht inmitten von Regen und Sturm ein plötzlicher Erdrutsch die Straße zerstörte, was Verdi zunächst an der Weiterreise hinderte und ihm die Idee für die Introduktion zu seiner siebten Oper Giovanna d'Arco gegeben haben soll. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich heute schwerlich überprüfen. Jedenfalls betrachtete Verdi diese Komposition kurz nach der Vollendung 1845 als sein "bisher bestes Werk". Giovanna d'Arco stellt Verdis erste Beschäftigung mit einem Drama von Friedrich Schiller dar, dem später noch I masnadieri (Die Räuber), Luisa Miller (Kabale und Liebe) und Don Carlo folgen sollten. Die Oper steht am Anfang seiner später als "Galeerenjahre" bezeichneten Schaffensperiode, in der er sich nach seinem großen Erfolg mit Nabucco verpflichtete, Opern gewissermaßen wie am Fließband zu komponieren und ist in ihrer musikalischen Struktur noch ganz im Zeichen seiner jungen Sturm- und Drang-Phase gestaltet. Das Klangvokal Musikfestival hat sich anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums aus mehreren Gründen für dieses Frühwerk entschieden. Zum einen stellt es eine Rückbesinnung auf das erste Festival vor zehn Jahren dar, in dem man Verdis I due Foscari präsentierte und dem in den weiteren Jahren mit Il corsaro und Ernani noch weitere Werke aus Verdis früher Schaffensphase folgten. Zum anderen hat man mit Marina Rebeka eine herausragende Sängerin gewinnen können, die damit nicht nur in Dortmund ihr Rollen-Debüt gibt, sondern die auch seit ihrem grandiosen Debüt an der Wiener Staatsoper in Simon Boccanegra von der Presse als "frühe Anna Netrebko" gefeiert wird.

Auch wenn Verdis Librettist Solera bestritt, Friedrich Schillers Drama als Vorlage für die Oper verwendet zu haben, deuten bei allen Unterschieden zahlreiche Parallelen darauf hin, dass die Oper Schillers Drama näher steht als der historischen Jungfrau von Orleans, Jeanne d'Arc, die im Hundertjährigen Krieg die Franzosen zu einem Sieg gegen die Engländer und die Burgunder führte, durch Verrat jedoch in Gefangenschaft geriet und auf Befehl des Herzogs Bedford am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen wegen angeblicher Verstöße gegen die Gesetze der Kirche auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Das Libretto folgt wie Schiller dem unhistorischen Schluss, in dem Giovanna tödlich verwundet die Jungfrau Maria sieht und vom Volk zur Heiligen stilisiert wird. Auch ist Giovannas Vater Giacomo (bei Schiller Thibeaut d'Arc) anders als die historische Figur Jacques D'Arc davon überzeugt, dass seine Tochter mit dem Teufel paktiert. Die rund 30 Figuren bei Schiller werden in der Oper auf fünf Charaktere reduziert. Eliminiert werden beispielsweise Agnes Sorel, die empfindsame Maitresse des französischen Königs, und der englische Ritter Lionel, zu dem sich Schillers Johanna hingezogen fühlt. Stattdessen bauen Verdi / Solera eine Liebesbeziehung zwischen dem französischen König Carlo VII. und Giovanna ein, was wohl der Gattung Oper geschuldet sein dürfte. Anders als bei Schiller beschuldigt Giovannas Vater in der Oper seine Tochter nicht nur öffentlich der Ketzerei und lässt sie verhaften, sondern löst ihr anschließend die Fesseln, um sie zum tödlichen Kampf gegen die Engländer in die Schlacht zu schicken.

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von links: Giacomo (Vittorio Vitelli), Carlo (Jean-François Borras), Giovanna (Marina Rebeka), Daniele Callegari, Talbot (Baurzhan Anderzhanov) und Delil (Bryan López González), dahinter WDR Funkhausorchester Köln und der LandesJugendChor Nordrhein-Westfalen

Bereits bei der Ouvertüre beschreibt das WDR Funkhausorchester Köln unter der musikalischen Leitung von Daniele Callegari mit einem dramatischen Klang die bedrohliche Stimmung, die das Publikum an das kurz vor der Vorstellung vor dem Konzerthaus erlebte Gewitter erinnert, so dass man sich gut vorstellen kann, dass Verdi in einer stürmischen Nacht zur Komposition dieser Musik inspiriert worden ist. Mit zarten Motiven halten die Holzbläser dagegen und weisen bereits auf den späteren Auftritt Giovannas hin, der es zunächst gelingt, die Niederlage für das französische Volk abzuwenden. Der LandesJugendChor Nordrhein-Westfalen unter der Leitung von Christiane Zywietz-Godland und Hermann Godland trumpft in der Eröffnungsszene mit großer Verzweiflung auf und punktet bei den Auftritten als Soldaten mit kämpferischem und voluminösem Klang. Die Frauenstimmen, die die Herren des Chores einrahmen verleihen dem Chor an einzelnen Stellen eine sphärischen Atmosphäre, die für Giovanna die Geister aus einer anderen Welt zu Wort kommen lässt. Am Ende glaubt man im Chor sogar die Engel zu hören, die Giovanna in den Himmel begleiten. Besonders bewegend gelingt die Anfangsszene im 2. Akt. Wenn Giacomo vor der Kathedrale seine Tochter beschuldigt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, begleitet der Chor als zischelnde bedrohliche Masse das eindringliche Terzett von Giovanna, Carlo und Giacomo, in dem Giacomo seine Tochter verflucht und Carlo sie inständig bittet, die Vorwürfe zurückzuweisen.

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Marina Rebeka bei ihrem Rollen-Debüt als Giovanna d'Arco

Marina Rebeka wird mit ihrem Rollen-Debüt als Giovanna ihrem vorauseilenden Ruf mehr als gerecht. Mit großer Intensität gestaltet sie stimmlich die Titelpartie und punktet mit dramatischen Höhen, ohne dabei in den Spitzentönen scharf zu klingen. Direkt in ihrer Auftrittskavatine "Sempre all'alba", wenn Giovanna des Nachts unter einer Eiche im Wald bei Domrémy vor einer Kapelle niederkniet und überzeugt ist, auserwählt zu sein, Frankreich zu retten, punktet Rebeka mit leuchtend klaren Höhen. Mit einem verführerischen Walzer wird sie dabei von bösen Dämonen verlockt, während die Engel sie an ihren göttlichen Auftrag erinnern. Bewegend präsentiert Rebeka dann im ersten Akt in der großen Romanze "O fatadia foresta" ihre Gefühle für den König, denen sie sich verzweifelt zu widersetzen versucht. Rebeka glänzt hierbei mit großer Dramatik. Bei ihrer Verurteilung dreht sie dann stimmlich so auf, dass sie sich gegen den ganzen Chor und die anderen Solisten mit dramatischen Höhen durchzusetzen weiß. In der Kerkerszene schlägt sie dann in ihrer Verzweiflung wiederum sehr weiche Töne an, die ihren Vater schlussendlich von ihrer Unschuld überzeugen. Heroisch gibt sie sich im dritten Akt, wenn sie erneut zur Rettung des Volkes gegen die Engländer in den Kampf zieht und dann glücklich über den neuen Sieg im Tod ihren himmlischen Frieden findet.

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Schlussapplaus: von links: Giacomo (Vittorio Vitelli), Carlo (Jean-François Borras), Giovanna (Marina Rebeka) und Daniele Callegari mit dem WDR Funkhausorchester Köln

Vittorio Vitelli steht als Giovannas Vater Giacomo Rebeka an eindringlicher Interpretation mit dunklem Bariton in nichts nach. Bewegend gelingt das Duett der beiden im dritten Akt, "Or dal padre bendetta", in dem Giacomo voller Glück erkennt, dass seine Tochter nicht gesündigt hat. Umso unerbittlicher gibt er sich zuvor im ersten und zweiten Akt, wenn er zunächst dem englischen Kommandeur Talbot (Baurzhan Anderzhanov mit wunderbar schwarz gefärbtem Bassbariton) die Auslieferung seiner Tochter verspricht und anschließend in seiner großen Arie im zweiten Akt seine Tochter nach der Krönungszeremonie vor dem gesamten Hof beschuldigt, einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein. Jean-François Borras gestaltet den französischen König Carlo VII. mit höhensicherem Tenor und profunder Mittellage. Zu erwähnen ist seine große Romanze im Prolog, wenn er an der geheimnisvollen Stelle im Wald angekommen ist, wo er Helm und Schwert niederlegen soll, um Frankreich zu retten. Mit weichen Höhen gestaltet Borras den König darin absolut leichtgläubig und naiv, so wie er auch später hilflos mit ansieht, wie seine Geliebte Giovanna aus der Stadt gejagt wird. Bryan López González gefällt in der kleinen Rolle des französischen Offiziers Delil mit leichtem Tenor. So gibt es am Ende für alle Beteiligten großen, verdienten Beifall.

FAZIT

Das Klangvokal Musikfestival glänzt einmal mehr stimmlich und musikalisch mit einem frühen Verdi. Marina Rebeka liefert ein in jeder Beziehung gelungenes Rollen-Debüt als Giovanna ab, so dass es bedauerlich ist, dass dieses Konzert nur einmal aufgeführt wird.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2018

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniele Callegari

 

WDR Funkhausorchester Köln

LandesJugendChor Nordrhein-Westfalen
(Einstudierung: Christiane Zywietz-Godland,
Hermann Godland

 

Solisten

Carlo VII., König von Frankreich
Jean-François Borras

Giovanna, Tochter von Giacomo
Marina Rebeka

Giacomo, Schäfer in Domrémy
Vittorio Vitelli

Delil, ein französischer Offizier
Bryan López González

Talbot, ein englischer Kommandeur
Baurzhan Anderzhanov

 

 

Weitere
Informationen

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Klangvokal Dortmund
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