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Anspruchsvolle Kammermusik bei sommerlichen Temperaturen
Von Hiltrut Böhm
Ein schwüler Sommerabend, vier international erfolgreiche Solisten und zwei Klavierquartette, die zum Anspruchsvollsten gehören, das die Kammermusikliteratur zu bieten hat: Es-Dur op.47 von Robert Schumann und A-Dur op. 26 von Johannes Brahms.
Entgegen der Ankündigung im Programmheft hatte man sich offenbar kurzfristig entschlossen, mit Brahms zu beginnen. Ein weiser Entschluss, ist doch sein Quartett allein schon vom Umfang her das aufwändigere Werk und erfordert von allen Beteiligten, den Hörenden wie den Musizierenden, ein besonderes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit.
Zwischen seiner Uraufführung 1862 in Wien und dem Beginn der Arbeit daran lagen sechs Jahre, in denen Brahms es sich nicht leicht gemacht hatte: Jede Melodie, jede rhythmische Finesse, jede Phrasierung war bis ins Detail durchdacht und selbst bei den Proben zur Uraufführung veränderte er nochmals ganze Passagen. Dann jedoch sparten selbst die verwöhnten Wiener Kritiker nicht mit Lob. So schrieb beispielsweise Selmar Bagge: "Das Clavierquartett in A-Dur, eine durchweg verständliche, fein und interessant gearbeitete, liebenswürdige Composition, fand sehr viel Beifall, namentlich die beiden mittleren Sätze."
Ja, die mittleren Sätze, namentlich das Adagio! Es fällt nicht schwer, einen Zusammenhang zu der vermuteten Beziehung des Komponisten mit Clara Schumann herzustellen: Eine wunderbar innige Melodie, sich wiederholende Seufzer-Phrasen, dazwischen düstere Arpeggios als Anspielung auf das Schubert-Lied "Die Stadt", das mit den Worten "wo ich die Liebste verlor." endet. Ein ganzer Kosmos an Leidenschaft und Hingabe entfaltet sich in diesem Adagio. Auch in den anderen Sätzen sind immer wieder diese zum Hinschmelzen zärtlichen Melodien zu finden, sei es nun in dem frühlingshaft-leichten Kopfsatz, dem Zitat reichen Scherzo oder dem Finale im ungarischen Stil.
Und da Brahms selbst ein hervorragender Pianist war, sparte er nicht mit virtuosen Schwierigkeiten. Für Martin Helmchen ist das offenbar kein Thema: Er lässt die Finger perlend über die Tastatur des Flügels gleiten, lässt verschlungenste Stimmführungen durchsichtig werden, gestaltet mit dynamischer Ausdruckskraft und vergisst dabei doch nie, dass sein Instrument nur die eine Hälfte des Ensembles darstellt. Unprätentiös, immer dem Werk verpflichtet, hält er sich, und das nicht nur räumlich, im Hintergrund. So bleibt Veronika Eberle, Pauline Sachse und Quirine Viersen allemal Raum, um ihre wertvollen Instrumente auch im Pianissimo zum Klingen zu bringen. Sie musizieren mit Verve und nehmen die Zuhörer mit in die vielschichtige Gefühlswelt des jungen Brahms. Sie tun dies, dem heutigen Klangideal verpflichtet, mit glockenreinem, gänzlich unsentimentalem Ton. Ein wahrer Ohrenschmaus sind die hinreißenden Solostellen der Violine.
Im Gegensatz zu Brahms hat Schumann sein Klavierquartett in nur fünf Wochen skizziert und instrumentiert - ein Meisterstück, das ihm nach "furchtbar durchwachten Nächten" Ende 1842 gelungen war. Gleich der spannungsgeladene Beginn stellt eine Herausforderung an die Musizierenden dar. Nur wer intensiven Kontakt hält, miteinander fühlt und atmet, wird ihn adäquat wiedergeben können. Hier nun zeigen die vier Künstler, dass sie im Laufe des Abends immer mehr zu einer Einheit verschmolzen sind, die mit gelöster Spielfreude und sprühendem Temperament das Publikum begeistert. In Veronika Eberle, Pauline Sachse, Quirine Viersen und Martin Helmchen hat Schumanns grandioses Werk seine kongenialen Interpreten.
Sie huschen im Scherzo in atemberaubendem Tempo unisono über Saiten und Tasten und lassen vergessen, mit welch komplizierten Rhythmen Schumann häufig aufwartet. Hingebungsvoll schwelgen sie im romantischen Wohlklang des Andantes mit seinem lyrischen Thema. Dass Quirine Viersen am Schluss dieses Satzes Schumanns Anweisungen nicht Folge leistet und sehr selbstbewusst eine Oktave höher endet, als es der Komponist vorgesehen hat, ist nur vernünftig und außerdem: Schöner könnte dieser Ton gar nicht verklingen. Im rasanten Finale, das mit einem Fugato-Einsatz der Viola zupackend eröffnet wird und im Accelerando-Aufgang seinen wirkungsvollen Abschluss findet, zeigen die vier noch einmal all ihr Können, ihre Musikalität, ihre Begeisterung für die Kammermusik.
Nach diesem Kräfte zehrenden Auftritt beließ man es ohne die vom Publikum erhoffte Zugabe. Auch das war eine weise Entscheidung: Schumann ist Abschluss genug! Er soll nun das letzte Wort haben: "Schließt, die ihr zusammengehört, den Kreis fester, dass die Wahrheit der Kunst immer klarer leuchte, überall Freude und Segen verbreitend."
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Kissinger Sommer 2018 Vier gefeierte Solisten Rossini-Saal Bad Kissingen 4. Juli 2018 AusführendeVeronika Eberle, ViolinePauline Sachse, Viola Quirine Viersen, Violoncello Martin Helmchen, Klavier ProgrammJohannes BrahmsKlavierquartett A-Dur op.26 Robert Schumann Klavierquartett Es-Dur op.47
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