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Klavierfestival Ruhr 2018

Bochum, Anneliese Brost Musikforum Ruhr, 28. Mai 2018



Arcadi Volodos
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Klavierfestival Ruhr

Schubert als Musikdramatiker

Von Stefan Schmöe / Fotos: Peter Wieler

Die frühsommerliche Unwetterlage über Mitteleuropa, so schien es, forderte ihren Tribut: Arcadi Volodos konnte nicht wie geplant am Vortag anreisen, weil sein Flug abgesagt wurde, und dann wurde er am Tag des Konzerts nach Amsterdam umgeleitet, von wo er offenbar ziemlich knapp nach Bochum chauffiert wurde - jedenfalls begann das Konzert mit ein paar Minuten Verspätung, um dem Pianisten wenigstens noch ein kurzer Moment für das Einspielen und Einhören in die Raumakustik einzuräumen. Es blieb der Eindruck, dass Volodos für Schumanns Papillons noch nicht die gewünschte Ruhe gefunden hatte: Die wohl mit nonchalanter Leichtigkeit gedachte Einleitung wirkte fahrig und ein wenig überstürzt. Womöglich wollte Volodos diese an der Gedanken- und Empfindungswelt Jean Pauls orientierten Miniaturen mit improvisatorischer Leichtigkeit angehen, sehr frei und wie spontan aus dem Augenblick empfunden. Es blieb aber bei einer Ansammlung vieler wunderschöner Einzelheiten, mit ebenso großer Souveränität wie Delikatesse dahingezaubert, die aber nicht zusammenfanden. So klang es denn, bei allem Respekt vor den klangtechnischen Finessen, mehr routiniert als inspiriert.

Volodos schien dann auch nicht unglücklich, bei Brahm' größer und voller dimensionierten Klavierstücken op. 76 angekommen zu sein, die nicht so sehr den Zauber des ganz kurzen Moments einfangen wie die Papillons, sondern dramatischeren Zugriff erlauben. Für Brahms hat der Pianist eine andere Klangvorstellung als für Schumann (und anders wiederum als im zweiten Teil des Konzerts für Schubert), geprägt von vollen Akkorden, die über den unterschiedlichen Charakter der acht Kompositionen hinweg so etwas wie eine verbindende Klammer bilden. Sie geraten Volodos ein wenig zu direkt, zu geheimnislos im Vergleich zu dem, was er an anderen Stellen aus dem Steinway an Nuancen herausarbeitet, und er neigt dazu, allzu schnell in ein pauschales Forte zu verfallen, mitunter fast hastig, als sei er froh, über die heikleren Piano-Passagen (auch wenn diese großartig gelangen) hinweggekommen zu sein.

Nach der Pause, bei Schuberts letzter Sonate B-Dur D960, ist der Eindruck ein entspannterer. Gleichwohl präsentierte sich Volodos auch hier als Meister des (immer wieder überraschenden) Details, der plötzlich Anschlag und Lautstärke ändert, etwa wenn im Kopfsatz das Hauptthema wie aus anderen Welten aufleuchtet. Die Interpretation scheint stark vom Detail her gedacht. Das zeigt sich bereits am eben diesem Thema, das Volodos eben nicht liedhaft schlicht und streng im Rhythmus, sondern mit Rubato und kleinen Verzögerungen spielt. Nur ist diese sehr bewusste Ausgestaltung in anderen Kontext nicht mehr stringent, wenn dort rhythmische Strenge verlangt ist, Volodos der Melodie durch abrupt wechselnde Klangfarbe gleichzeitig Signalcharakter verleiht. Den Bass-Triller am Ende des Themas hebt er dämonisch hervor, nach meinem Geschmack zu deutlich, und auch dadurch bekommt die Musik eine schauspielhafte Komponente: Schuberts Sonate als Musik-Drama voller überraschender Wendungen.

Überraschend dagegen die geradezu unerbittliche Strenge, mit der Volodos den langsamen Satz angeht, wobei er den Spannungsbogen der Melodie faszinierend durchhalten kann, während die Begleitung Winterreise-Trostlosigkeit verbreitet - für mich der Höhepunkt dieses Konzerts. In das Scherzo stürzt er dann demonstrativ hektisch, gibt mit dem Tempo aber nach ein paar Takten bereits nach - diese Freiheiten sind sicher Geschmackssache. Das Finale mit seinen einkomponierten Überraschungseffekten gibt Volodos noch einmal viele Gelegenheiten, die Bandbreite seiner spieltechnischen Möglichkeiten auszukosten. Und es gehört zu den Vorzügen des Klavierfestivals, eine solche streitbare, aber spannende Interpretation neben dem entspannteren und weniger prätentiösen Zugang des jungen Koreaners JeungBeum Sohn zum selben Werk oder Mitsuko Uchidas "unromantischere" Interpretation anderer Schubert-Sonatenhören zu können.

Für die stehenden Ovationen bedankte sich Volodos mit vier Zugaben: Den ersten beiden der Intermezzi op. 117 von Johannes Brahms, der Melodie in E-Dur (aus Morceaux de fantaisie op. 3/3) von Rachmaninow und einer hochromantisch interpretierten Fassung des Largo-Satzes aus Bachs Orgelkonzert d-Moll BWV 596, das wiederum auf Vivaldi zurück geht. Bei allen vier Stücken erlebt man noch einmal den Klangzauberer, und bei den Zugaben sei es auch erlaubt, diese hart an der Grenze zur Sentimentalität zu spielen, und noch mehr: Der Hang zum lässigen Arpeggieren verlieh allen vier Werken eine entspannt-jazzige Note. Ein wenig gibt Volodos hier den Barpianisten, der, von allen musikhistorischen Zwängen befreit, vor sich hinträumt.




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Klavierfestival Ruhr 2018
Bochum, Anneliese Brost Musikforum Ruhr
28. Mai 2018


Ausführende

Arcadi Volodos, Klavier


Programm

Robert Schumann:
Papillons op.2

Johannes Brahms:
Acht Klavierstücke op. 76

- Pause -

Franz Schubert:
Sonate Nr. 21 B-Dur D960

Zugabe:

Johannes Brahms:
Intermezzo Nr. 1 Es-Dur op. 117/1

Johannes Brahms:
Intermezzo Nr. 2 b-Moll op. 117/2

Sergei Rachmaninow:
Melodie in E-Dur
aus: Morceaux de fantaisie op. 3/3

Antonio Vivaldi /
Johann Sebastian Bach
:
Largo aus dem Orgelkonzert in d-Moll BWV 596



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