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Flucht von der HochzeitstorteVon Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)
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Selimo (Levy Sekgapane, 2. von links vorne)
erfährt von Mustafà (Davide Giangregorio, vorne links), dass seine Geliebte
Adina im Serail des Califo (Vito Priante, Mitte) lebt.
Die Geschichte erinnert an eine Variante von Mozarts berühmter Entführung aus
dem Serail, dürfte allerdings eher auf ein Libretto von Felice Romani für
Francesco Basilis zweiaktige komische Oper Il califo e la schiava
zurückgehen. Basilis Oper kam zwar erst 1819 zur Uraufführung, aber es wird
gemutmaßt, dass Romani dieses Libretto vorher schon einmal Rossini angeboten,
dieser es jedoch zugunsten von La gazza ladra abgelehnt und es nun für
den Kompositionsauftrag, den er parallel zu seinem Mosè in Egitto
abwickelte, wieder hervorgeholt habe. Die Handlung spielt im Serail des
Kalifen von Bagdad, der sich in die junge Sklavin Adina verliebt hat und sie
heiraten möchte, weil sie ihn an seine frühe Jugendliebe Zora erinnert. Adina,
die ihren Geliebten Selimo verloren hat und diesen für tot hält, fühlt sich vom
Werben des Kalifen geschmeichelt und ist bereit, die Verbindung mit dem älteren
Mann einzugehen, auch wenn sie ihn nicht wirklich liebt. Da taucht plötzlich
der tot geglaubte Selimo wieder auf. Adina beschließt, mit ihm zu fliehen. Doch
der Fluchtplan wird vom Kalifen entdeckt, und Selimo soll hingerichtet werden.
Als Adina bei ihren erfolglosen Bitten für das Leben des Geliebten das
Bewusstsein verliert, entdeckt der Kalif ein Schmuckstück, das Adina als seine
Tochter ausweist. Folglich beschließt er, den vermeintlichen Nebenbuhler zu
begnadigen und mit seinem wieder gefundenen Kind zu vermählen.
Adina (Lisette Oropesa) plant mit Selimo (Levy
Sekgapane, vorne rechts) die gemeinsame Flucht.
Das Regieteam um Rosetta Cucchi setzt die Geschichte als knallbuntes Spektakel
um. Tiziano Santis Bühnenbild besteht aus einer riesigen Hochzeitstorte in
mehreren Ebenen. Im unteren Bereich eröffnet sich hinter den Tortenwänden ein
luxuriös ausgestatteter Zimmer des Kalifen mit Badewanne und orientalisch
anmutenden Kacheln. In der ersten Etage ist Adina mit zwei Dienerinnen
untergebracht, die in ihren knallroten Kleidern genauso wie das übrige Personal
des Kalifen an Figuren aus einem Märchenland à la Oz erinnern. Die dritte Ebene
entpuppt sich im Verlauf des Stückes als Kerker, in den Selimo für die geplante
Hinrichtung gesperrt wird. Ein Akrobat wird als Henker aus dem Schnürboden
herabgelassen, der an dem Henkersseil atemberaubende Kunststücke vollzieht. Auf
der Torte thront ein Hochzeitspärchen, dem Cucchi in einer ausgefeilten
Personenregie eine ganz eigene Geschichte gibt. Während die Torte nämlich für
die bevorstehende Hochzeit mit weiteren Baiser-Häubchen perfektioniert wird,
bekommt das Pärchen auf der Hochzeitstorte Streit. Vergeblich bemüht sich der
Bräutigam im weiteren Verlauf des Stückes um die Braut, die sein Werben zurückweist. Damit wird die Geschichte
um den Kalifen und Adina gewissermaßen gedoppelt. Erst als Adina am Ende mit Selimo vermählt wird, findet auch das Paar auf der Torte wieder zueinander.
Alì (Matteo Macchioni, vorne rechts) berichtet
dem Califo (Vito Priante, hinten Mitte) von Adinas heimlichem Treffen mit dem
unbekannten Sklaven.
Die Inszenierung beginnt bereits vor der Aufführung im Saal. Im Foyer sind die
Diener mit zahlreichem Blumenschmuck verteilt, und der Kalif betritt mit Adina
und einer riesigen Entourage genauso wie das Publikum den Saal über das Parkett.
Auf dem Prospekt, der den Vorhang ersetzt, wird feierlich die Vermählung Adinas
mit dem Kalifen angekündigt, und der Kalif schreitet mit seiner zukünftigen
Braut Aufmerksamkeit heischend, wie man es von unliebsamen Pseudo-Prominenten kennt,
durch den Saal. Wenn der Prospekt am Ende der Vorstellung wieder herabgelassen
wird, ändert ein Diener noch schnell die Namen und ersetzt den Kalifen durch Selimo. Der Pomp bei dieser neuen Hochzeit bleibt folglich der gleiche. Sehr
liebevoll sind auch die Buchsbäume um die Hochzeitstorte gestaltet, die in ihren
Formen ebenfalls an eine Märchenwelt erinnern. In der Personenregie setzt Cucchi
alles daran, den "Semiseria"-Charakter des Stückes nicht zu stark zu betonen.
Wenn Selimo mit Adina fliehen will, lassen beispielsweise die beiden
Dienstmädchen derart viel Gepäck aus der ersten Etage herab, dass eine
erfolgreiche Flucht mit allen Koffern eigentlich gar nicht mehr möglich ist.
Adinas Frage nach ihrer Ohnmacht, ob sie verrückt sei, wird von dem sie
tröstenden Chor nicht gerade verneint. Das Schmuckstück, an dem der Kalif in
Adina am Ende seine Tochter erkennt, ist bei Cucchi kein Medaillon, sondern ein
Armreif, den Adina unter ihrem Gewand getragen hat. Sonst hätte der Kalif sie
vielleicht auch vorher schon als seine Tochter erkannt.
Happy End auf der Hochzeitstorte: auf der
mittleren Ebene: Adina (Lisette Oropesa) und Selimo (Levy Sekgapane), unten
Mitte: Califo (Vito Priante) mit zwei Sklavinnen
Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Vito Priante begeistert
als Califo mit profundem Bass und großer Beweglichkeit in den Läufen. Ein
Höhepunkt stellt seine große Arie "D'intorno il Serraglio" dar, in der er nach
einem Gespräch mit seinem Diener Alì befürchtet, dass seine geliebte Adina ihn
hintergehen will. Hier punktet Priante mit großem dramatischem Ausdruck. Lisette Oropesa legt die Partie der Adina als eine Art Luxusweibchen an, das dem
Reichtum des Kalifen erlegen ist, was bereits in ihrer Auftrittskavatine "Fragolette
fortunate" deutlich wird, wenn sie mit den gepflückten Erdbeeren die
Hochzeitstorte schmücken will und ihr Leben sichtlich genießt. Die glasklar
ausgesungenen Koloraturen werden von Oropesa wunderbar in Szene gesetzt. So
jubiliert sie im Finale mit den Koloraturen beispielsweise über das neue
Hochzeitskleid, das ihr nun zur Vermählung mit Selimo überreicht wird. Auch die
flehentlichen Bitten um das Leben des Geliebten werden von ihr stimmlich und
szenisch in wunderbarem Einklang umgesetzt. Levy Sekgapane verfügt als Selimo
über einen sehr hellen Tenor, der in den Höhen große Strahlkraft besitzt. So
stellt seine Arie "Giusto ciel, che i dubbi miei", in der er sich Mut für die
geplante Flucht mit der Geliebten zuspricht, einen weiteren musikalischen
Höhepunkt des Abends dar.
Matteo Macchioni legt die Partie des Dieners Alì sehr effeminiert an. So stöbert er
in seiner Sorbetto-Arie "Pur troppo la donna", in der er kurz vor dem Finale
sein Unverständnis über das Verhalten der Frauen ausdrückt, in Adinas Kleidern
und tauscht seine Schuhe gegen Pomps aus. Dabei überzeugt er stimmlich
mit einem hohen und geschmeidig fließenden Tenor. Davide Giangregorio hat zwar
als Diener Mustafà keine eigene Arie, gefällt aber durch dunklen Bass und
komisches Spiel. Auch der von Mirca Rosciani einstudierte Coro del Teatro della
Fortuna M. Agostini überzeugt durch homogenen Klang und große Spielfreude. Diego
Matheuz rundet mit dem Orchestra Sinfonica G. Rossini mit frischem Rossini-Klang
aus dem Graben den Abend wundervoll ab, so dass es am Ende für alle Beteiligten
verdienten und großen Beifall gibt, in den sich auch das Regie-Team unter großem
Jubel einreiht.
FAZIT
Rossinis Adina mag zwar im Schaffen des Schwans von Pesaro keine allzu
große Rolle spielen, die hochkarätige Besetzung und die unterhaltsame
Inszenierung machen das Stück aber dennoch hörens- und sehenswert.
Weitere Rezensionen zu dem
Rossini Opera Festival 2018 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungDiego Matheuz Regie Bühnenbild Kostüme Licht Chorleitung
Orchestra Sinfonica G. Rossini
Solisten
Califo
Adina
Selimo
Alì
Mustafà
|
- Fine -