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Rossini Opera Festival

Pesaro
11.08.2018 - 23.08.2018


Il viaggio a Reims

Dramma giocoso in einem Akt
Libretto von Luigi Balocchi
Musik von Gioachino Rossini

In
italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Wiederaufnahme-Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 15. August 2018


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Rossini Opera Festival

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Auf der Reise nach Nirgendwo

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Seit 2001 steht Rossinis letzte italienischsprachige Oper Il viaggio a Reims jedes Jahr beim Rossini Opera Festival an zwei Vormittagen in einer Inszenierung von Emilio Sagi auf dem Programm, die Elisabetta Courir beim alljährlichen Festival Giovane mit jungen Sängerinnen und Sängern der Accademia Rossiniana erarbeitet. Diese Cantata scenica, die Rossini als neuer künstlerischer Leiter des Théâtre Italien in Paris anlässlich der Krönung des französischen Königs Karl X. 1825 zur Uraufführung brachte, bietet jungen Künstlern, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, aufgrund der zahlreichen Rollen mit relativ gleichberechtigtem sängerischen Anspruch die Möglichkeit, einerseits Erfahrungen zu sammeln, die ihre jungen Stimmen nicht schädigen dürften, andererseits sich für Intendanten und Festspielleiter für künftige Engagements zu empfehlen. Bei dieser langjährigen Tradition der Nachwuchsförderung sind hier in Pesaro in den vergangenen Jahren einige Künstler entdeckt worden, die mittlerweile auch in den großen Opernproduktionen auf der Bühne stehen. Zu nennen ist hier beispielsweise Maxim Mironov, der 2005 als Conte di Libenskof debütierte und in diesem Jahr als Conte d'Almaviva große Erfolge feiert. Auch der Darsteller des Figaro (Davide Luciano) und die Interpretin der Rosina (Aya Wakizono) haben sich wie Mironov über die Accademia Rossiniana bereits für mehrere Partien in den großen Produktionen beim Festival empfohlen. Luciano begeisterte 2012 als Don Profondo und Wakizono setzte 2014 als Marchesa Melibea Akzente. 2014 gab auch der Tenor Matteo Macchioni sein Debüt als Cavalier Belfiore, der dieses Jahr als Diener Alì in Adina zurückkehrt. Xabier Anduaga, der 2016 als Cavalier Belfiore zu erleben war, übernimmt nach der Partie des Adraste in Le Siège de Corinthe im letzten Jahr nun die Rolle des Kreuzritters Ernesto in Ricciardo e Zoraide. In der gleichen Produktion sind auch Sofia Mchedlishvili als Fatima, Martiniane Antonie als Elmira und Ruzil Gatin als Zamorre zu erleben. Mchedlishvili dürfte als Contessa die Folleville aus dem letzten Jahr noch in genauso guter Erinnerung sein wie Antonie als Marchesa Melibea und Gatin als Conte di Libenskof. Wer also eine Gelegenheit sucht, die ersten musikalischen Schritte der Stars von morgen mitzuerleben, sollte sich bei einem Besuch in Pesaro diese beiden Vormittagsveranstaltungen nicht entgehen lassen, zumal die meisten Partien doppelt besetzt sind.

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Cavalier Belfiore (Manuel Amati) flirtet mit Corinna (Maria Laura Iacobellis).

Die Inszenierung der Oper über eine illustre Reisegruppe, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen, dort aber nie ankommt, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht, deshalb im Hotel bleibt und dort ihr eigenes Fest veranstaltet, bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird nur mit neuen Interpreten umgesetzt. Emilio Sagi siedelt die Szene auf einem Schiff an, das, wie der blaue Hintergrund andeutet, nirgendwo ankommt. Während das Personal des Kurhotels in der weißen Kleidung mit den Namensschildern eher an Krankenpfleger erinnert und die Gäste einheitlich in weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, wechseln alle Figuren, wenn klar ist, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann und folglich im Hotel gefeiert werden soll, die Kleidung und legen schwarze Abendgarderobe an, in der sie nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff ihre eigene Party feiern. Am Ende der Aufführung tritt zum feierlichen Schlussgesang Corinnas der König Karl X. als Kind mit Krone höchstpersönlich auf und schreitet mit drei Luftballons als Szepter Hände schüttelnd durch den Zuschauerraum. In diesem Jahr wird er von der Gesellschaft mehr wahrgenommen als in den Jahren zuvor. Dennoch ist ihm die Gesellschaft auf der Bühne zu skurril, so dass er sich schließlich an der Bühnenrampe niederlässt und, während die anderen mit Champagner feiern, sein Butterbrot verspeist und Cola trinkt.

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Madama Cortese (Lusine Makaryan, vorne Mitte mit Maddalena (Anastasia Medvedeva, rechts)) gibt dem Personal Anweisungen (hintere Reihe von links: Igor Onishchenko, Maria Laura Iacobellis, Pablo Gálvez, Aleksandra Sennikova, Antonio Garés, Shanul Sharma, Milla Mihova und Maria Barakova).

Das junge Ensemble, dem bei der Gestaltung der Bühnenfiguren im Rahmen des Regiekonzeptes großer Freiraum gelassen wird, besteht in diesem Jahr aus 16 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. Anastasia Medvedeva überzeugt als Maddalena darstellerisch mit großer Autorität, wenn sie mit strengem Regiment das übrige Personal in der Einleitung "Presto, presto" auffordert, das Schiffsdeck für die Gäste herzurichten. Lusine Makaryan gestaltet die Madama Cortese mit klaren, weichen Höhen und verfügt in den Koloraturen über einen sehr beweglichen Sopran, auch wenn sie bei den sehr schnell gesungenen Anweisungen an das Personal leichte Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Orchester hat und diesem bisweilen davonzueilen droht. Immer wieder schön anzusehen ist, wie das Personal mit Seifenblasen zu "Di vagghi raggi adorno" mit Seifenblasen eine verträumt kitschige Atmosphäre schafft, während die Hausherrin dafür Sorge tragen will, dass an diesem wunderschönen Tag alles zur Zufriedenheit der Gäste abläuft. Claudia Muschio setzt im Anschluss als Contessa di Folleville mit glasklaren Koloraturen und perlendem Sopran in ihrer großen Arie "Partir, oh ciel! desio" Akzente, in der sie ihrer Verzweiflung über den Verlust ihrer wertvollen Kleider durch ein Kutschenunglück freien Lauf lässt. Ihre Darstellung könnte allerdings noch ein bisschen exaltierter sein. Mit großem Spielwitz überzeugt Igor Onishchenko als Barone di Trombonok, der sich über Nicolò Doninis mangelnde medizinische Kenntnisse als Don Prudenzio lustig macht. Doninis Bariton klingt sehr vielversprechend.

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Don Profondo (Petr Sokolov, rechts) und Barone di Trombonok (Igor Onishchenko, links) versuchen, die beiden Rivalen Conte di Libenskof (Shanul Sharma, 2. von rechts) und Don Alvaro (Pablo Gálvez, 2. von links) im Streit um die Marchesa Melibea (Maria Barakova) zu beruhigen.

Einen großartigen Auftritt haben im Anschluss Maria Barakova als Marchesa Melibea und Shanul Sharma als Conte die Libenskof. Barakova setzt mit verführerischem Spiel ihre üppigen Formen gekonnt in Szene und legt die Marchesa mit sattem, sehr beweglichem Mezzo und gewaltigen Tiefen an. Auch in den Höhen verfügt ihre Stimme über eine enorme Durchschlagskraft. Dabei bringt sie Sharma mit ihrem ständigen Flirt mit Pablo Gálvez als Don Alvaro zur Weißglut. Sharma hält mit höhensicherem Tenor und großer Strahlkraft dagegen und lässt seiner Eifersucht freien Lauf, während Gálvez ihn mit markantem Bariton und machohaftem Spiel provoziert und nachvollziehbar macht, wieso sich die Marchesa zu diesem spanischen Edelmann hingezogen fühlt. Da haben Onishchenko und Petr Sokolov als Don Profondo schon einiges zu tun, um die beiden Streithähne von einem Kampf abzuhalten. Das anschließende Sextett mit Madama Cortese, die ebenfalls bemüht ist, die Situation nicht eskalieren zu lassen, avanciert zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt der Aufführung, der dann in die friedvolle Kavatine "Arpa gentil, che fida" der Corinna übergeht. Maria Laura Iacobellis begeistert als Corinna aus der Loge zum Klang der Harfe mit weichem Sopran und glasklaren Höhen, so dass nachvollziehbar wird, dass sie mit diesem beruhigenden Gesang den Frieden auf der Bühne wieder einkehren lässt. Mit kräftigem Bass läst Carles Pachón als Lord Sidney aufhorchen, der in seiner Arie "Invan strappar dal core" seine unerfüllte Liebe zu Corinna zum Ausdruck bringt. Flankiert wird er dabei von Aleksandra Sennikova, Milla Mihova, Anastasia Medvedeva und Lusine Makaryan, die mit roten ausgeschnittenen Papierherzen im Takt der Musik die Szene karikieren.

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Allgemeiner Jubel: Es geht zwar nicht nach Reims aber immerhin am nächsten Tag nach Paris (von links: Marchesa Melibea (Maria Barakova), Maddalena (Anastasia Medvedeva), Delia (Milla Mihova), Corinna (Maria Laura Iacobellis), Modestina (Aleksandra Sennikova), Contessa di Folleville (Claudia Muschio), Cavalier Belfiore (Manuel Amati), Madama Cortese (Lusine Makaryan), Don Luigino (Antonio Garéz), Don Profondo (Petr Sokolov), Barone di Trombonok (Igor Onishchenko), Conte di Libenskof (Shanul Sharma), Don Prudenzio (Nicolò Donini), Antonio (Alejandro Sánchez), Don Alvaro (Pablo Gálvez) und Lord Sidney (Carles Pachón)).

Es folgt das große Duett zwischen Iacobellis und Manuel Amati als Cavalier Belfiore, der zwar eigentlich mit der Contessa liiert ist, im Moment aber größeres Interesse an Corinna hat. Amati setzt den selbstverliebten Cavalier mit machohaftem Gehabe und wunderbarem Spielwitz in Szene und präsentiert sich auch sportlich in Höchstleistung. Sein Tenor versprüht in den Höhen einen strahlenden Glanz, muss in der mittleren Lage allerdings noch ein bisschen reifen. So lässt sich gut nachvollziehen, wieso sich Corinna eher zu dem heftig flirtenden Cavalier als zu dem stets in sich gekehrten, melancholischen Lord hingezogen fühlt. Im Anschluss gestaltet Sokolov die große Arie Don Profondos "Io! Medaglie incomparabili", in der er die Wertgegenstände für die Reise auflistet und dabei die einzelnen Gäste karikiert, mit beweglichem Buffo-Bass, der dem hohen Tempo des Parlando-Tons gut gewachsen ist. Auch darstellerisch gelingt es ihm, die einzelnen Gäste mit großem Spielwitz zu parodieren. Im großen Finale zu 14 Stimmen, in dem die Gäste beschließen, zunächst im Hotel zu bleiben und am nächsten Tag zur Contessa nach Paris zu reisen, begeistert das komplette Ensemble mit wuchtigem, homogenem Klang. Leider wird dabei auf den Koloraturen-Schlagabtausch zwischen Iacobellis und Muschio verzichtet, den sich die beiden Damen sicherlich mit Bravour geleistet hätten. Auch der giftige Blick zwischen den beiden Rivalinnen geht in dieser Aufführung ein wenig unter.

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Gemeinsame Feier zum Abschluss (von links: Antonio (Aleandro Sánchez), Modestina (Aleksandra Sennikova), Don Alvaro (Pablo Gálvez), Don Luigino (Antonio Garés), Delia (Milla Mihova), Barone di Trombonok (Igor Onishchenko), Madama Cortese (Lusine Makaryan), Don Profondo (Petr Sokolov), Cavalier Belfiore (Manuel Amati), Contessa di Folleville (Claudia Muschio), Don Prudenzio (Nicolò Donini), Maddalena (Anastasia Medvedeva), Conte di Libenskof (Shanul Sharma), Marchesa Melibea (Maria Barakova), Lord Sidney (Carles Pachón) und Corinna (Maria Laura Iacobellis))

Nach der Pause punkten noch einmal Barakova und Sharma als Marchesa und Conte in ihrem großen Versöhnungs-Duett, in dem sie sich erneut ihre Liebe gestehen, auch wenn die Marchesa bei den anschließenden Feierlichkeiten erneut dem Charme des Spaniers zu erliegen droht und die Gäste erneut eine kämpferische Auseinandersetzung der beiden Rivalen verhindern müssen. Interessant ist für deutsche Ohren immer wieder, dass Rossini im Rahmen der traditionellen Melodien, die die einzelnen Gäste bei der Feier am Endes des Stückes auf ihre Heimat anstimmen, mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhunderts komponierte, bereits die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat. Onishchenko gestaltet als Trombonok diese kurze "Hymne" mit kräftigem Bariton. Iacobellis bewegt dann noch einmal mit ihrer Hymne auf Karl X., König von Frankreich, mit glockenklarem Sopran. Abgerundet wird die Veranstaltung durch das akkurat aufspielende Orchester Filarmonica Gioachino Rossini unter der Leitung von Hugo Carrio, der die Musiker mit sicherer Hand durch die Partitur führt, so dass es am Ende großen, verdienten Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Auch wenn diese Inszenierung jedes Jahr gleich ist, machen die ständig wechselnden Nachwuchskünstler diese Veranstaltung immer wieder sehens- und vor allem hörenswert.

Weitere Rezensionen zu dem Rossini Opera Festival 2018



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hugo Carrio

Regie und Bühne
Emilio Sagi

Szenische Leitung
Elisabetta Courir

Kostüme
Pepa Ojanguren

 

Filarmonica Gioachino Rossini


Solisten

*rezensierte Aufführung

Corinna
*Maria Laura Iacobellis /
Aleksandra Sennikova

Marchesa Melibea
*Maria Barakova /
Laura Verrecchia

Contessa di Folleville
*Claudia Muschio /
Larisa Stefan

Madama Cortese
*Lusine Makaryan /
Milla Mihova

Cavalier Belfiore
*Manuel Amati /
Anatoliy Pogrebnyy

Conte di Libenskof
Shanul Sharma

Lord Sidney
*Carles Pachón /
Nicolò Donini

Don Profondo
Petr Sokolov

Barone di Trombonok
Igor Onishchenko

Don Alvaro
*Pablo Gálvez /
Alejandro Sánchez

Don Prudenzio
*Nicolò Donini /
Pablo Gálvez

Don Luigino / Zefirino / Gelsomino
Antonio Garés

Delia
*Milla Mihova /
Maria Laura Iacobellis

Maddalena
Anastasia Medvedeva

Modestina
*Aleksandra Sennikova /
Claudia Muschio

Antonio
*Alejandro Sánchez /
Carles Pachón

 


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