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Rossini Opera Festival

Pesaro
11.08.2018 - 23.08.2018


Ricciardo e Zoraide

Dramma serio per musica in zwei Akten
Libretto von Francesco Berio di Salsa
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 25' (eine Pause)

Premiere in der Adriatic Arena in Pesaro am 11. August 2018
(rezensierte Aufführung: 14.08.2018)


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Rossini Opera Festival

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Rossini-Rarität in opulenter Ausstattung

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Rossinis Dramma serio per musica Ricciardo e Zoraide gehört zu den absoluten Raritäten des Schwans von Pesaro und ist, wenn überhaupt, heute nur noch bei Festspielen zu erleben, die ihr Programm fernab des gängigen Repertoires auswählen. Dabei konnte Rossini bei der Uraufführung 1818 in Neapel einen riesigen Erfolg feiern, der sogar dazu führte, dass sich seine damaligen Kritiker mit dem neuen Musikstil des Pesaresen aussöhnten. Im "Giornale delle Due Sicilie" erschien sogar ein Brief, der angeblich aus dem Elysium vom verstorbenen Domenico Cimarosa stammte und in dem der anonyme Absender Rossini dafür pries, endlich die "modernen musikalischen Ausschweifungen" aufgegeben zu haben und zum wahren Stil der Opera seria zurückgekehrt zu sein. In der Tat wird die sehr verworrene Handlung lediglich in den Rezitativen entwickelt, während die musikalischen Nummern nur dazu dienen, die daraus entstandenen emotionalen Situationen auszumalen. Vielleicht ist aber auch gerade das der Grund dafür, dass dieses Werk selbst für Rossini in heutiger Zeit sehr antiquiert wirkt und sich selbst im Rahmen der Rossini-Renaissance bei der Wiederentdeckung 1990 und einer Wiederaufnahme 1996 beim Rossini Opera Festival in Pesaro nicht durchsetzen konnte. Jetzt hat man diese, wie einige heutige Forscher und Opernliebhaber sie bezeichnen, "kleine Schwester der großen ernsten Opern der neapolitanischen Phase Rossinis" erneut auf den Spielplan gestellt, und Marshall Pynkoski scheint zu versuchen, mit einer opulenten Ausstattung vor allem die Traditionalisten unter den Opernbesuchern für dieses Stück zu begeistern. Die hochkarätige Besetzung dürfte allerdings auch das restliche Publikum von den musikalischen Qualitäten dieser Oper überzeugen.

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Agorante (Sergey Romanovsky) begehrt Zoraide (Pretty Yende).

Die Geschichte geht zurück auf das Gedichtepos Ricciardetto, das Nicolò Forteguerri zwischen 1716 und 1725 aufgrund einer Wette in einem literarischen Zirkel als satirische Antwort auf die berühmte Tradition der bis ins Mittelalter zurückreichenden Rittergedichte verfasste. Darin berichtet Forteguerri in 30 Gesängen von Rinaldos jüngerem Bruder Ricciardetto, der sich mit den Paladinen Karls des Großen gegen eine riesige afrikanische Armee durchsetzt und am Ende Despina, die Tochter des afrikanischen Königs, gewinnt. Als Rossinis Librettist Francesco Berio di Salsa beschloss, dieses Werk als Vorlage für eine ernste Oper auszuwählen, musste er mit Blick auf die Begebenheiten in Neapel allerdings einige Änderungen vornehmen und konzentrierte sich nur auf eine Episode aus dem Epos. Aus Ricciardetto wurde Ricciardo, der Zoraide, die Tochter Ircanos, eines Fürsten asiatischer Herkunft, liebt, der in Afrika ein kleines Reich gegründet hat. Von dort ist er allerdings von Agorante, dem König von Nubien, vertrieben worden, als er sich weigerte, dem König seine Tochter Zoraide zur Frau zu geben. Auf der Flucht hat Zoraide ihren Vater verlassen, um dem Kreuzritter Ricciardo zu folgen, ist allerdings in Agorantes Gefangenschaft geraten. Bei dem Versuch, die Geliebte zu befreien, wird Ricciardo durch eine Intrige Zomiras, der eifersüchtigen Ehefrau des Königs, in eine Falle gelockt und soll gemeinsam mit Zoraides Vater Ircano, der ebenfalls unerkannt nach Nubien gekommen ist und in einem Duell um Zoraide von Ricciardo besiegt worden ist, hingerichtet werden. In letzter Sekunde können die Kreuzritter in Nubien eindringen und die Hinrichtung verhindern. Ricciardo verschont Agorantes und Zomiras Leben, was Ircano so beeindruckt, dass er dem Paladin die Hand seiner Tochter gewährt.

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Ricciardo (Juan Diego Flórez, im Boot mit Xabier Anduaga als Ernesto) will seine Geliebte Zoraide befreien.

Auf den ersten Blick mag man den Eindruck haben, dass Pynkoski von den dramaturgischen Schwächen und Logiklöchern des Stückes durch aufwändige Kostüme (Michael Gianfrancesco) und eine opulente Ausstattung ablenken will. So stellt Bühnenbildner Gerard Gauci einen riesigen Saal eines orientalisch anmutenden Palastes auf die Bühne, der sich mit zahlreichen Bühnenprospekten als sehr wandlungsfähig erweist. Optisch beeindrucken kann vor allem die Kerkerszene mit einem Prospekt, der nicht nur in einer großartigen Zeichnung den Eindruck einer dreidimensionalen Zelle vermittelt, sondern diesen Effekt auch noch in der Zeichnung durch aus Dachluken einfallendes Licht verstärkt. Wenn man vor dem Hintergrund eines wogenden Meeres, Ricciardo mit seinem Botschafter Ernesto in einer Barke über die Bühne fahren sieht, während vier Tänzer mit blauen Tüchern vor und hinter dem Boot wellenartige Bewegungen ausführen, fragt man sich vielleicht, ob das nicht zu viel des Guten ist. Aber Pynkoski setzt diesen Kitsch ganz bewusst ein, so wie Forteguerri mit seinem Epos ebenfalls eine liebevolle Karikatur der Rittergedichte entworfen hat. Aus diesem Grund fügt Pynkoski auch noch ein Ballett ein, dass teilweise an den unmöglichsten Stellen in klassischem Spitzentanz über die Bühne wirbelt und dem Zuschauer zumindest ein Schmunzeln entlocken dürfte. Wenn die Kreuzritter am Ende in Nubien eindringen, um Ricciardo und Zoraide vor der Hinrichtung zu bewahren, wird der Kampf von sechs Tänzern ausgeführt, von denen zwei als Kreuzritter gekennzeichnet sind. Zwei weitere wirken in ihrer spärlichen Bekleidung wie eine Karikatur von Eingeborenen, während die anderen beiden in ihren kriegerischen Kostümen zu Agorantes Heer gehören dürften. Dabei lässt sich allerdings nicht zuordnen, wer hier eigentlich gewinnt. Auch wenn die Tänzer die Verurteilten in filigranen Bewegungen umkreisen und den Henker mit einem Florett ausstatten, wird deutlich, dass die Choreographie von Jeannette Lajeunesse Zingg die Geschichte ironisch brechen soll.

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Liebesbekenntnisse bei Vollmond: Ricciardo (Juan Diego Flórez) und Zoraide (Pretty Yende)

Musikalisch bewegt sich der Abend auf sehr hohem Niveau. Da sind zunächst einmal Pretty Yende und Publikumsliebling Juan Diego Flórez in den Titelpartien zu nennen. Yende begeistert als Zoraide mit wunderbar perlenden Koloraturen und sauber angesetzten Spitzentönen. Besonders beeindrucken können die verschiedenen Farben ihres Soprans, mit denen sie einerseits das Leid und die Angst der jungen Frau, andererseits die große Hoffnung auf die Befreiung durch den Geliebten ausdrückt. Mit großer Emotionalität und stimmlicher Dramatik begeistert sie in der Szene kurz vor Schluss der Oper, wenn sie sich schweren Herzens entscheidet, Agorante doch zu heiraten, um ihren Vater Ircano zu retten. Flórez glänzt als Ricciardo mit stupenden Spitzentönen und wunderbar weichen Bögen. Mit beweglicher Stimme erlebt er in den zahlreichen Läufen ein Wechselbad der Gefühle. Ein musikalischer Glanzpunkt ist das große Duett im zweiten Akt, "Ricciardo!... che veggo?", in dem die beiden ihre Flucht planen. Hier reißen Yende und Flórez das Publikum regelrecht von den Sitzen und müssen eine gefühlte Ewigkeit in dem abschließenden Kuss verharren.

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Falsche Freundin: Zomira (Victoria Yarovaya, links) versucht, sich Zoraides (Pretty Yende, rechts) Vertrauen zu erschleichen.

Sergey Romanovsky verfügt als Ricciardos Gegenspieler Agorante über einen dunklen Tenor, der bis in den Bereich eines Baritons hinabreicht. In der dunklen Mittellage besitzt Romanovskys Tenor enormes Volumen. Bei den hohen Spitzentönen muss er in seiner Auftrittskavatine allerdings leicht forcieren. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist sein großes Duett mit Flórez zu Beginn des zweiten Aktes, "Donala a questo core", in dem Ricciardo als verkleideter Afrikaner dem König verspricht, Zoraide von Ricciardos Untreue zu überzeugen. Hier harmonieren Romanovskys dunkel gefärbter und Flórez' strahlender Tenor wunderbar miteinander, so dass man als Zuhörer beinahe wie der König dem falschen Spiel des Kreuzritters erliegt. Victoria Yarovaya begeistert als Agorantes eifersüchtige Gattin Zomira mit voluminösem, dunkel gefärbtem Mezzo, der deutlich macht, dass man sich diese Person nicht zur Feindin machen sollte. Wenn sie sich in ihrer großen Arie "Più non sente quest' alma dolente" am Ziel wähnt, weil sie den verkleideten Ricciardo erkannt hat und ihrem Mann die Augen über den vermeintlichen Verbündeten öffnen will, punktet Yarovaya mit großer Dramatik und beweglichen Koloraturen. Großartig gelingen ihr auch die Szenen mit Yende, in denen die Königin versucht, das Vertrauen der Nebenbuhlerin zu gewinnen. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist das Terzett im ersten Akt "Cruda sorte! Oh amor tiranno!" zwischen Romanovsky, Yende und Yarovaya, in dem die komplizierte Konstellation zwischen Agorante, Zoraide und Zomira herausgearbeitet wird. Während Agorante seiner Ehefrau klarzumachen versucht, dass sie Zoraide als Nebenfrau akzeptieren müsse, wenn sie Königin bleiben wolle, drückt Zoraide ihre Verzweiflung über die Situation aus. Zomira hingegen lässt ihrer Wut über die ihr widerfahrene Demütigung freien Lauf und schwört Rache.

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Ircano (Nicola Ulivieri, vorne links) will als unerkannter Ritter für die Freilassung Zoraides (Pretty Yende, mit Agorante (Sergey Romanovsky, rechts von ihr) und Ricciardo (Juan Diego Flórez, links von ihr)) kämpfen.

Nicola Ulivieri gestaltet die Partie des Ircano mit markantem Bass. Im Gedächtnis bleibt das großartige Quartett im zweiten Akt, "Contro cento e cento prodi", in der er unerkannt auftritt und für die Befreiung Zoraides kämpfen will. Gemeinsam mit Yende, Flórez und Romanovsky lässt er diese eindringliche Nummer zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt des Abends werden. Auch die kleinen Partien sind hochkarätig besetzt. Xabier Anduaga punktet als Ricciardos Gefährte Ernesto mit strahlendem Tenor und kräftigen Höhen. Sofia Mchedlishvili stattet Zoraides Vertraute Fatima mit klarem Sopran aus. Martiniana Antonie gestaltet die Partie von Zomiras Dienerin Elmira mit weichem Mezzo, so dass sich in beiden Fällen Dienerin und Herrin stimmlich in schönem Einklang befinden. Mit Ruzil Gatin als Zamorre hat ein weiterer Absolvent der Accademia Rossiniana aus dem letzten Jahr den Sprung auf die große Bühne in Pesaro geschafft. Der von Giovanni Farina geleitete Coro del Teatro Ventidio Basso gefällt durch homogenen Klang, und Giacomo Sagripanti lotet mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai die unterschiedlichen Farben der Partitur, die unter anderem eine Blasmusikkapelle auf bzw. hinter der Bühne vorsieht, differenziert aus. So gibt es am Ende langen und verdienten Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Die hochkarätige Besetzung bietet Belcanto-Genuss vom Feinsten, die opulente Ausstattung lässt über die dramaturgischen Schwächen der Vorlage hinwegsehen und betont unter anderem mit den Balletteinlagen, dass man das Stück nicht zu ernst nehmen sollte.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giacomo Sagripanti

Regie
Marshall Pynkoski

Choreographie
Jeannette Lajeunesse Zingg

Bühnenbild
Gerard Gauci

Kostüme
Michael Gianfrancesco

Licht
Michelle Ramsay

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai


Solisten

Agorante
Sergey Romanovsky

Zoraide
Pretty Yende

Ricciardo
Juan Diego Flórez

Ircano
Nicola Ulivieri

Zomira
Victoria Yarovaya

Ernesto
Xabier Anduaga

Fatima
Sofia Mchedlishvili

Elmira
Martiniana Antonie

Zamorre
Ruzil Gatin

 


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