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Musikfestspiele
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Ruhrfestspiele Recklinghausen
01.05.2018 - 17.06.2018

The Crazy Antiwar History Rallye -
Wilhelm II.

Rockmusikdrama
Text von Wolfsmehl
Musik von Sebastian Lohse

Aufführungsdauer: ca. 1 h 50' (keine Pause)

Koproduktion mit dem Théâtre National du Luxembourg und dem Stadttheater Minden

Uraufführung im Theater Marl am 16. Mai 201
8
(rezensierte Aufführung: 17.05.2018)

 

 

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Skurrile Geschichtsstunde mit "Wilhelm Imperator Rex"

Von Thomas Molke / Foto: © Alexandra Pitz

100 Jahre Ende des Ersten Weltkriegs sind für die Ruhrfestspiele und ihren scheidenden Intendanten Frank Hoffmann Anlass genug, einen Abend einer historischen Persönlichkeit zu widmen, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eine bedeutende, wenn auch keineswegs rühmliche Rolle in der deutschen Geschichte gespielt hat: Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen. Nachdem der deutsche Lyriker, Schriftsteller, Hörbuch- und Drehbuchautor Wolfsmehl, der mit bürgerlichem Namen Michael Kumeth heißt, bereits 2014 ein Bühnenstück und ein Hörspiel mit dem Titel Wilhelm II. verfasst hat, hat er sich nun erneut mit dem letzten Kaiser des Deutschen Reiches auseinandergesetzt und den Text zu einem Rockmusikdrama mit Musik von Sebastian Lohse geschrieben. Im Theater Marl erlebt diese Produktion nach drei Voraufführungen im vergangenen März im Stadttheater Minden nun seine Uraufführung.

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Kaiser Wilhelm II. (Susanne Bredehöft)

Die Geschichte handelt von den letzten 20 Jahren Wilhelms, die er im holländischen Doorn im Exil verbracht hat, und basiert auf Aufzeichnungen seines Flügeladjudanten, Sigurd von Ilsemann, der ihm als ergebener Sekundant bis zu seinem Tod 1941 treu zur Seite stand. Die orangefarbenen Sakkos der Musiker und der orangefarbene Rahmen um die Bühne mögen eine farbliche Anspielung auf den Ort der Handlung sein. Die Bühne wird dominiert von zahlreichen Tischen, mit denen wohl die Fülle der Möbel angedeutet werden soll, die Wilhelm bei seinem Einzug in dem holländischen Schlösschen auf 59 Güterwaggons herbeibringen ließ. Während er sich im Exil jeglicher Verantwortung für den Krieg entzieht, scheint sein einziges Lebensziel zu sein, Bäume des 35 Hektar großen Parks abzuholzen, während er vergeblich darauf wartet, dass die Deutschen "ihren Kaiser" wieder zurückholen. Stattdessen hat er dort mehrere Begegnungen mit dem Tod, dem er sich jedoch noch entziehen kann. Der Tod tritt wie ein Alter Ego des Kaisers auf. Beide tragen ein ähnliches historisierendes Kostüm, das sich nur in der Farbe unterscheidet. Beide führen ein Beil mit sich, wobei der Tod damit aber keine Bäume, sondern Menschen fällt. Körperlich ist der Tod allerdings in einer besseren Verfassung als Wilhelm.

Auch musikalisch hat der Tod das erste Wort. Nach einer diffusen Klangcollage, in die sich eine kindlich gespielte Blockflöte mischt, gibt er sich als "Imperator Rex" aus, als Gott, der den Menschen ihren Weg weist. Uli Pleßmann betritt als Tod die Bühne über den Zuschauerraum. Man ist sich bei dem ersten Lied nicht ganz sicher, ob der gesungene Text genau mit dem Rhythmus übereinstimmt. Alles wirkt noch etwas hektisch. Wenn der Tod später einen Pakt mit Wilhelm schließt, wird man unweigerlich an Goethes Faust erinnert. Allerdings hat Wilhelm keinesfalls die Größe von Goethes Helden. Susanne Bredehöft legt den Kaiser recht lächerlich an, wie man ihn aus zahlreichen Karikaturen kennt. Dabei macht sie aber keinen Hehl daraus, dass er unberechenbar ist und man vergeblich auf irgendeinen Gunstbeweis hofft. Von daher wundert man sich, dass Sigurd von Ilsemann (beeindruckend dargestellt von Thorsten Heidel) ihm so bedingungslos die Treue hält.

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Wilhelm (Susanne Bredehöft) und Sigurd von Ilsemann (Thorsten Heidel) beim Sägen

Lebensfreude entwickelt der Kaiser nur beim Sägen. Die von einer Frau gelieferten Baumstämme, sägt er genüsslich mit von Ilsemann im Takt zur Musik und strahlt dabei wie ein kleines Kind. Dabei setzt er alles daran, einen Rekord an gefällten Bäumen aufzustellen, wobei ihm eine Motorsäge helfen soll, die er bestellt hat, auf die er allerdings im Verlauf des Stückes vergeblich wartet. Sehr bitter ist der Vergleich der gefällten Bäume mit den zahlreichen gefallenen Soldaten im Ersten Weltkrieg, mit denen Wilhelm keinerlei Mitleid empfindet. Nur um seinen Dachshund trauert er und hat seinen Namen auf einer Tischschublade verewigt, die er wie einen Schrein vor den Tischen aufbaut. Ansonsten zeigt er beim Spiel mit einer Puppe einen kleinen Moment fast schon weibliche Züge, die aber sehr schnell wieder seiner militärischen Härte weichen, wenn er die Puppe auf seinem Helm aufspießt. Bredehöft gelingt es darstellerisch sehr gut, den Wahn dieses weltfremden Kaisers herauszuarbeiten.

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Wilhelm (Susanne Bredehöft) und "Unsere Deutsche" (Brigitte Urhausen)

Brigitte Urhausen spielt "Unsere Deutsche" als Inbegriff des deutschen Volkes. Tagtäglich liefert sie das Holz zum Hacken und Sägen und gibt sich beim Putzen der Tische freiwillig den lüsternen Blicken des Kaisers preis. Doch auf eine Belohnung hofft sie vergebens. Als sie den Kaiser darum bittet, ihren Sohn Johann, der sich im Krieg für den Kaiser verdient gemacht hat und jetzt ein Kriegsversehrter ist, im Schloss zu verstecken, damit er nicht in eine deutsche Heilanstalt kommt, weist der Kaiser dieses Ansinnen brüsk zurück. Etwas unklar bleibt der Auftritt des Amerikaners (Jubril Sulaimon), und auch die zahlreichen historischen Anspielungen versteht man wahrscheinlich nur, wenn man sich intensiv mit der Geschichte Wilhelms auseinandergesetzt hat. Wie aus dem "Rex" ein "Ex" wird, vermittelt der Abend jedoch trotzdem und liefert einen für jeden nachvollziehbaren Grund. Leider findet die erste Aufführung nach der Uraufführung vor zahlreichen leeren Reihen statt. Ob das gute Wetter oder das Fußball-Relegationsspiel die Zuschauer von einem Besuch des Theaters abgehalten hat, kann nur gemutmaßt werden. Vielleicht ist allerdings auch der verwirrende Titel The Crazy Antiwar History Rallye zu abschreckend. Die relativ wenigen Besucher spenden am Ende jedenfalls verdienten Beifall für die Leistung der Schauspieler.

FAZIT

Einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt der Abend nicht, dafür ist die Musikmischung aus Rock, Pop, Rap, Country und Blues zu beliebig und die Geschichte zu verwirrend.

Weitere Rezensionen zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2018

 

Produktionsteam

Regie
Stefan Maurer

Bühnen- und Kostümbild
Alexandra Pitz

Dramaturgie
Isa Schulz

 

Keyboard, Piano Bassgitarre, Gitarre (akustisch)
Christian von der Goltz

E-Baß, Kontrabaß, Tuba, Posaune
David Hagen

Drums
Matthias Trippner

 

Solisten

Wilhelm II.
Susanne Bredehöft

Unsere Deutsche
Brigitte Urhausen

Der Tod
Uli Pleßmann

Sigurd von Ilsemann
Thorsten Heidel

Ein Amerikaner
Jubril Sulaimon

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Ruhrfestspiele Recklinghausen
(Homepage)



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