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Wexford Festival Opera
19.10.2018 - 04.11.2018


Dinner at Eight

Oper in zwei Akten
Libretto von Mark Campbell nach dem gleichnamigen Stück von George S. Kaufman und Edna Ferber
Musik von William Bolcom

In englischer  Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit der Minnesota Opera

Premiere im O'Reilly Theatre im National Opera House in Wexford am 20. Oktober 2018
(rezensierte Aufführung: 23.10.2018)



 

 

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Die Party muss weitergehen

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Besonderes Markenzeichen des Wexford Festival Opera ist es nicht nur, seit Jahren das Publikum mit größtenteils vergessenen Belcanto-Perlen des 19. Jahrhunderts in das Küstenstädtchen nach Irland zu locken. Bisweilen widmet man sich auch zeitgenössischen Komponisten. Nachdem 2014 die drei Jahre zuvor in Minnesota uraufgeführte Oper Silent Night von Kevin Puts hier ihre Europa-Premiere erlebt hat (siehe auch unsere Rezension), gibt es nun erstmals in Europa William Bolcoms vierte Oper Dinner at Eight, die vor einem Jahr in Minnesota herauskam. Als weitere Parallelen lassen sich anführen, dass die Libretti in beiden Fällen von Mark Campbell verfasst worden sind und jeweils der israelische Regisseur Tomer Zvulun für die Inszenierung verantwortlich zeichnet. Während es in Silent Night um eine eindringliche und bedrückende Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg geht, handelt Bolcoms Oper von der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, die im Oktober 1929 mit dem New Yorker Börsencrash begann und die USA in eine tiefe Depression stürzte.

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Millicent Jordan (Mary Dunleavy) plant eine Dinner-Party mit Hummer in Aspik (im Hintergrund Mitte: Gustave (Sheldon Baxter) mit der Statisterie).

Vorlage der Oper ist das gleichnamige Theaterstück von George S. Kaufman und Edna Ferber, das 1932 seine umjubelte Premiere am Broadway feierte und bereits ein Jahr später von George Cukor verfilmt wurde. Das Stück zeigt am Rande der Weltwirtschaftskrise die so genannte Upper-Class der US-amerikanischen Gesellschaft, die zwar in Zeiten der Not ein luxuriöses Leben führt, dabei aber auch von existenziellen Sorgen gequält wird. Oliver Jordan droht der Bankrott seiner Reederei, da seine Aktionäre in großen Mengen ihre Aktien verkaufen. Hinzu kommen große Herzprobleme, und sein Arzt Dr. Talbot diagnostiziert, dass Oliver nicht mehr lange zu leben habe. Dr. Talbot betrügt seine Ehefrau Lucy mit der niveaulosen, aber gesellschaftlich ambitionierten Kitty Packard, die mit dem neureichen Industriemagnaten Dan Packard verheiratet ist, der sich auch Olivers Reederei unter den Nagel reißen will und eine politische Karriere anstrebt. Millicent, Olivers Ehefrau, plant für diese ganze Gesellschaft eine Dinner-Party, bei der auch Lord und Lady Ferncliffe aus Europa anwesend sein sollen, von denen sich alle Gäste sehr viel versprechen. Millicents größte Sorge besteht darin, für jeden einen geeigneten Tischnachbarn und das passende Essen zu finden. So lädt sie auch kurzerhand den alternden Stummfilmstar Larry Renault ein, ohne zu wissen, dass er ein heimliches Verhältnis mit ihrer Tochter Paula hat, die sich deshalb von ihrem Verlobten Ernest trennen will. Renault ist mittlerweile dem Alkohol verfallen und hofft vergeblich auf ein Comeback als Bühnenstar. Als er von seinem Agenten erfährt, dass er für ihn in einem neuen Stück noch nicht einmal eine kleine Nebenrolle ergattern konnte, nimmt er sich das Leben. Kurz vor Beginn der Party sagen zunächst die Ferncliffes und das engagierte vierköpfige Streichquartett ab, so dass Millicent mit einem einfachen ungarischen Geiger als musikalischer Untermalung vorlieb nehmen muss. Dann fällt auch noch der vorbereitete Hummer in Aspik durch ein Versehen der Dienstboten herunter. Die Party droht, vollends zum Desaster zu werden, und Millicents Welt bricht zusammen. Dennoch wahren alle den Schein.

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Oliver Jordan (Stephen Powell, links) bittet Dan Packard (Craig Irvin, rechts), seine Reederei vor dem Bankrott zu bewahren.

Das Stück ist in zweimal sechs Szenen unterteilt, die jeweils eine andere Figur in den Mittelpunkt stellen. Zu einer Art Ouvertüre treten die Nebenrollen als kommentierender Chor auf und teilen dem Publikum mit, dass man trotz der schlimmen Weltwirtschaftskrise den Mut nicht sinken lassen dürfe und die Party (das Leben) weitergehen müsse. Dabei werden Bilder der Depression auf den Vorhang projiziert, die die Schrecken der damaligen Zeit eindrucksvoll ins Gedächtnis rufen. Bühnenbildner Alexander Dodge rahmt die Bühne mit einer Skyline von New York ein. So sieht man, dass die Stadt regelrecht auf dem Kopf steht. Aus dem Schnürboden werden unterschiedliche Bühnenelemente herabgelassen oder aus dem Hintergrund oder von den Seiten auf die Bühne gefahren, um schnelle Szenenwechsel zwischen den einzelnen Spielorten zu ermöglichen. Dabei werden der Salon bei den Jordans, Kittys Schlafzimmer, Olivers Büro, Larrys Hotelzimmer und die Arztpraxis zwar nur mit wenigen Utensilien angedeutet, lassen den Zuschauer aber mit den historischen Kostümen von Victoria Tzykun glaubhaft in die Welt der 30er Jahre eintauchen. Bolcoms Musik ist ein bunter Mix aus Melodien zwischen Jazz, Broadway-Show und Anklängen an Gershwin, die mit kleinen atonalen Unterbrechungen die Risse hinter der Fassade in der Gesellschaft deutlich machen. Dabei findet Bolcom für jede einzelne Figur eine passende musikalische Charakterisierung. Sehr gut wird beispielsweise Millicents Tonfall getroffen, die neben dem leicht klingenden Thema zu "Dinner at eight" eine gesellschaftlich erforderte und freundliche Unverbindlichkeit in leichtem Walzer-Rhythmus präsentiert, im Moment ihrer Verzweiflung allerdings schrill und atonal wird.

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Der alternde Schauspieler Larry Renault (Richard Cox) hofft verzweifelt auf ein Comeback als Bühnenstar.

Das Ensemble, das größtenteils auch schon bei der Uraufführung in Minnesota zu erleben war, überzeugt sowohl stimmlich als auch darstellerisch. Mary Dunleavy begeistert wie bereits in Minnesota als Millicent Jordan mit wandelbarem Sopran, der sowohl warm und freundlich klingen kann, wenn sie ihre Bekannten zur Dinner-Party einlädt, als auch zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist, wenn die Dinner-Party gefährdet ist. Sehr überzeugend mimt sie dabei die gesellschaftlichen Konventionen verpflichtete Ehefrau, die nicht einmal ansatzweise zur Kenntnis nimmt, welche Probleme ihr Gatte und ihre Tochter haben. Selbst am Ende begreift sie nicht, wie schlimm es um ihren Mann Oliver steht, auch wenn Bolcom musikalisch und Campbell im Libretto den beiden ein versöhnliches Ende gönnen. Oliver liebt seine Frau so sehr, dass er sie mit seinen Sorgen nicht belasten will. Die wahre Katastrophe wird für Millicent früh genug kommen. Das weiß zumindest der Zuschauer. Stephen Powell gestaltet ihren Ehemann Oliver mit väterlichem Bariton und eindrucksvollem Spiel. Großartig gelingen ihm die Momente mit Brenda Harris als alternder Diva Carlotta Vance, die er anfleht, ihre Anteile an seiner Reederei nicht zu verkaufen. Musikalisch hat man das Gefühl, dass die beiden einmal mehr verbunden hat. Aber Oliver ist weit davon entfernt, seine Millicent mit der von ihm bewunderten Carlotta zu betrügen. Gemma Summerfield verfügt als gemeinsame Tochter Paula über einen warmen Sopran. Musikalisch gehört ihr ein wunderbarer Moment, wenn sie plant, für ihren Geliebten Larry Renault ihren Verlobten Ernest aufzugeben.

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Trotz zahlreicher Katastrophen findet die Party schließlich doch noch statt (von links: Lucy Talbot (Sharon Carty), Carlotta Vance (Brenda Harris), Millicent Jordan (Mary Dunleavy), Kitty Packard (Susannah Biller), Dr. Joseph Talbot (Brett Polegato), Oliver Jordan (Stephen Powell) und Dan Packard (Craig Irvin)).

Eine Idealbesetzung stellen auch Susannah Biller und Craig Irvin als Kitty und Dan Packard dar. Biller mimt die "hübsche Trophäe eines politisch einflussreichen Ehemanns" als platinblonde Schönheit mit viel Sex-Appeal. In den gesprochenen Sequenzen setzt sie auf eine nervige Stimme, die ihr jegliche Klasse absprechen und belegen, dass sie nur durch ihr Aussehen so viel erreicht hat. Musikalisch begeistert sie durch einen sauber angesetzten Sopran, der mit großartigen Staccati ihre Launenhaftigkeit unterstreicht. Irvin gestaltet ihren Ehemann mit profundem Bariton als selbstgefälligen Karrieremenschen, der für seinen eigenen Vorteil zu fast allem bereit ist. Eigentlich will er die Dinner-Party absagen, da er gerade dabei ist, Oliver zu ruinieren, und er es deshalb für nicht angemessen hält, mit diesem Mann gemeinsam bei Tisch zu sitzen. Aber die Aussicht auf ein Treffen mit den einflussreichen Ferncliffes erscheint ihm dafür zu lukrativ. Eindrucksvoll zeigen Biller und Irvin im zweiten Akt die Kluft, die zwischen den Eheleuten besteht, wenn Kitty offen zugibt, ein Verhältnis zu haben, und nicht bereit ist, mit ihrem Mann nach Washington zu gehen. Auch wenn die Oper den Ausgang der Beziehung offen lässt, ist dem Publikum klar, dass es für die beiden nach der Dinner-Party keine gemeinsame glückliche Zukunft mehr geben wird. Etwas unklarer wird das Schicksal des Doktors und seiner Frau Lucy gelassen. Sharon Carty zeichnet die Partie der Lucy mit dunkel gefärbtem Mezzosopran und einer gewissen Bitterkeit. Brett Polegato gibt ihren Gatten mit profundem Bariton. Eindrucksvoll gestaltet er seine Arie im zweiten Akt, wenn er sich als Wesen ohne Rückrat bezeichnet. Ob er aber aus seinen Fehlern lernen und seine Frau nicht mehr betrügen wird, bleibt der Phantasie des Publikums überlassen. Richard Cox lässt sich als indisponiert entschuldigen, meistert die Partie des Larry aber von kleineren Problemen in den Höhen abgesehen durchaus respektabel.

Das Orchester des Wexford Festival Opera arbeitet in der rezensierten Aufführung unter der Leitung von Leslie Dala den leicht und süffig klingenden Tonfall der Musik Bolcoms differenziert heraus, so dass es für alle Beteiligten großen und verdienten Beifall gibt.

FAZIT

William Bolcoms Musik gelingt es sehr überzeugend, den düsteren Unterton der Geschichte mit gefälligen Rhythmen und Melodien zu überspielen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
David Agler /
*Leslie Dala

Regie
Tomer Zvulun

Bühne
Alexander Dodge

Kostüme
Victoria Tzykun

Licht
Robert Wierzel



Orchester des
Wexford Festival Opera


Solisten

Millicent Jordan
Mary Dunleavy

Oliver Jordan
Stephen Powell

Paula Jordan
Gemma Summerfield

Carlotta Vance
Brenda Harris

Dan Packard
Craig Irvin

Kitty Packard
Susannah Biller

Lucy Talbot
Sharon Carty

Dr. Joseph Talbot
Brett Polegato

Larry Renault
Richard Cox

Max Kane
Ashley Mercer

Gustave
Sheldon Baxter

Miss Copeland
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Tina
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