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Quintettspiel vom Feinsten Von Christoph Wurzel / Foto: © Monika Rittershaus Bei den jährlichen Osterfestspielen in Baden-Baden haben die Mitglieder der Berliner Philharmoniker stets buchstäblich alle Hände voll zu tun. Denn sie sitzen in diesen zehn Tagen nicht allein bei der Opern-Neuproduktion im Orchestergraben und bei den Sinfoniekonzerten auf dem Podium, sondern wirken auch in verteilten Rollen bei zahlreichen Kammerkonzerten mit, den "Meisterkonzerten" in verschiedenen Sälen und Kirchen der Kurstadt sowie auch in einigen benachbarten Städten, wie in diesem Jahr im Barockschloss zu Rastatt. Für ihre Meisterkonzerte haben sie 2019 als Motto ein Zitat aus der Oper dieses Jahres Otello gewählt: "Dich treibt dein Dämon, und dein Dämon bin ich!" Nun hat Franz Schubert mit Verdi recht wenig zu tun, dass aber sein letztes Kammermusikwerk durchaus von geheimnisvollen, geradezu mystischen Stimmungen durchzogen ist, wird jedem, der es je gehört hat, nachhaltig in Erinnerung geblieben sein. Schuberts Streichquintett ist ein Werk des Abschieds, sein kammermusikalischer "Schwanengesang". Entstanden in seinem letzten Lebensjahr spannt es, wie auch die Klaviersonaten jener Zeit, einen weiten, fast unüberbrückbaren Bogen zwischen innerer Trauer und überschwänglicher Lebensfreude. Das C-Dur als Grundtonart führt daher eigentlich auf die falsche Spur, das Quintett ist im Grunde kein heiteres Werk, sein Charakter heißt nicht "Unschuld, Einfalt, Naivität, Kindersprache", wie Christian Daniel Schubart in seiner Charakteristik der Tonarten schrieb. Schubert moduliert in diesem ausladenden Werk von knapp einer Stunde zum Teil vollkommen unvermittelt quer durch den Tonartenzirkel. Alle vier Sätze wechseln in vehementen Kontrasten die Stimmungslage. Das Kammermusikwerk ist in seinem geistig-emotionalen Gehalt eigentlich von symphonischer Tiefe und Größe. Das Varian Fry Quartett mit Bruno Delepelaire (Violoncello, 2. von rechts) im Burda Museum: von links: Philipp Bohnen (Violine), Marlene Ito (Violine), Martin von der Nahmer (Viola) und Rachel Helleur-Simcock (Violoncello) Die vier Musikerinnen und Musiker des Varian Fry Quartetts, benannt nach dem amerikanischen Journalisten, der aus dem Nazi-besetzten Frankreich Tausende von Künstlerinnen und Künstlern zum Exil in den USA verhalf, hatten für ihr Konzert inmitten der modernen Kunst der gegenwärtigen Ausstellung im Burda Museum den Solocellisten der Philharmoniker Bruno Delepelaire hinzugezogen. Und was bereits in der ungemein nuancierten Gestaltung der an- und abschwellenden Dynamik in den Anfangstakten des 1. Satzes auffiel, war die perfekte Übereinstimmung aller fünf Instrumentalisten, ihr vollkommenes Zusammenspiel bis hinein in die geringsten Facetten des musikalischen Ausdrucks. Markant setzten sie die rhythmischen Akzente der Themen im ersten Satz, sanft fließende Legatobögen der Violoncelli gegen vehement aufbrechende Sforzati der Geigen. Das Ensemble wählte zügige Tempi, die von unterschwelliger Unruhe getrieben spannungsreich auf die erlösenden Ruhepole hinsteuerten. Da war viel vom viel zitierten Schubertschen Wanderer zu spüren, der "nirgend, ach! zu Haus". Tiefe emotionale Ausstrahlung gaben die Spieler dem Adagio, dem zweiten, vielleicht am meisten überraschenden Satz des Quintetts. In starkem espressivo gestalteten sie den ersten Teil des Satzes mit der verdoppelten Stimme der Celli aus der eindrucksvollen melodischen Linie im ersten und den dagegen gesetzten Pizzicati des zweiten Violoncellos. Die Violinen setzten gegen solche Versunkenheit in reinen Schönklang mit ihren immer wieder abfallenden Sechzehntelkaskaden den markanten Kontrast, bis sich im dramatischen Mittelteil die innere Spannung entlud. Ein langes, glänzend aufeinander abgestimmtes decrescendo beendete diesen besonders ausdrucksstark präsentierten Satz. Ein wildes, herausfahrendes Scherzo schloss sich an und der vierte Satz versprühte dann eine Lebensfreude, wie sie bis dahin ungeahnt war. Hier brach sich äußerer Glanz freie Bahn und beschloss diese Stunde wahrhaft begeisternden Kammermusikspiels.
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AusführendeVarian Fry Quartett
Philippp Bohnen, Violine
Bruno Delepelaire, Violoncello
Franz Schubert
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