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Glanz mit Routine Von Christoph Wurzel / Foto: © Monika Rittershaus Es ist ja schön, wenn einer Erfahrung hat. Wenn er (oder sie) sich schon gefühlte Ewigkeiten mit einem Thema beschäftigt. Oder mit einem Komponisten. Im Fall des bald achtundsiebzigjährigen Riccardo Muti ist das neben Anderen auch vor allem Giuseppe Verdi. Und man vermutet, wenn so einer Verdi aufführt, dann wird das ein Konzert von ultimativer Geltung. Im Idealfall passiert das auch. Und Mutis Dirigat von Verdis Messa da Requiem jetzt bei den Osterfestspielen in Baden mit den Berliner Philharmonikern und Solistennamen, bei denen man zustimmend nickt, war auch hochkarätig. Einerseits. Denn die technische Bewältigung war herausragend. Muti dirigierte entspannt und locker die enormen Klangorkane, die Verdi etwa für das "Dies irae" entfesselt oder den letzten verschwindenden Hauch, der sich in den Schlusstakten nur noch im vierfachem Piano (morendo) vernehmen lässt. Das kam unter Mutis Leitung souverän. So makellos wie auch die abrupten Abbrüche etwa des "tuba mirum", wo Verdi nur einen Rest ("tronca") von Ton in die Partitur geschrieben hat. Da hatte Muti die Philharmoniker exakt im Griff, sie spielten so präzise, wie er dirigierte. Auch was über Verdis Requiem oftmals als "opernhaft" kolportiert wird, der große dramatische Atem, lag in den Händen Mutis genau richtig. Was Dynamik, Spannungsaufbau und Strukturierung angeht, war diese Aufführung mustergültig. Muti kennt die Partitur aus dem ff und liefert eben höchste technische Qualität. Das Solistenensemble (v. l.: Vittoria Yeo, Elīna Garanča, Francesco Meli, Ildar Abdrazakov) und die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Riccardo Muti im Festspielhaus Doch wer an einem der beiden Abende das Orchester erlebt hat, an denen Kirill Petrenko (siehe unsere Rezension) dirigierte, wird sich dann doch gewundert haben. Unter Muti spielte es routiniert, unter Petrenko inspiriert. Es schien, als trauten sich diese hochprofessionellen Musikerinnen und Musiker nicht so recht aus sich heraus. Wo blieben die Farben an den Solostellen? Der Oboe und der Klarinette etwa im "Lacrimosa", wo Verdi schreibt "come un lamento". Oder das Streichertremolo im "Lux aeterna", es blieb vergleichsweise blass. Auch verschenkte Muti die Möglichkeit zur Fernwirkung der Blechbläser im "tuba mirum", so präzise und spannungsvoll er den Klang auch anschwellen ließ. Muti schien sich weit mehr auf die großen Bögen zu konzentrieren als auf die Details. Er schien weit mehr allein den Noten der Partitur zu trauen, deren expressives Potential ließ er an zu vielen Stellen ungenutzt. Uneinheitlich war das Solistenquartett. Vittoria Yeo sang die Sopranpartie klar, hell, in der Höhe sicher (wenn auch mitunter mit leichtem Bruch beim Lagenwechsel) , aber auch nicht gerade ausdrucksstark. Wo bereits gegen Ende im "Libera me" der Sopran so richtig solistisch zur Geltung kommt und vom Zittern und Zagen beim letzten Gericht singt, ließ die Koreanerin ziemliche Zurückhaltung walten. Franceso Meli verbarg nicht immer lästige Spinto-Allüren, also angeschliffene Hochtöne, Druck und aufdringlichen Schwellton, konnte sich aber auch wunderbar zurücknehmen, wie im "Hostias et preces", wo sein pianissimo wirklich berückend schön war. Stellenweise etwas altväterlich sang Ildar Abdrazakov die Basspartie. Beim "mors stupebit" fehlte ein wenig der Schrecken, wenn am jüngsten Tag Tod und Leben erbeben und die Welt vor dem ewigen Richter Rechenschaft ablegen muss. Aber Elīna Garanča erfüllte ihre gesungenen Worte mit Seele und Gefühl. Der angstvoll fragende Ton im "liber scriptus" war ergreifend, das "Lacrimosa" klang voller Empathie. Und der Chor: grandios! Ob im "dies-irae"-Toben oder a capella gleich zu Beginn ("te decet hymnus") sang er nicht nur höchst konzentriert, präzise zusammen und mit makelloser Tongebung, sondern zeigte über die ganze Strecke seine große Ausdruckspalette. Vom Schlussbeifall heimsten Chor und Chorleiter zurecht auch den größten Anteil ein. Fazit Zugegeben, angesichts der Herausforderungen dieses überwältigenden Werks war die Aufführung glänzend. Trotzdem fehlte der letzte Funke, der eine große Anerkennung zu heißer Begeisterung hätte entfachen können.
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Giuseppe Verdi
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