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Bayreuther Festspiele 2019

Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' Stunden (zwei Pausen)

Aufführung im Festspielhaus Bayreuth am 29.7.2019 (Lohengrin II)
(Premiere dieser Produktion: 25. Juli 2018)


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Bayreuther Festspiele
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Elektrisierend ist vor allem das Dirigat

Von Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Das Wunder geschieht nicht auf der Bühne, sondern im Orchestergraben. Gleich in den ersten Takten, in denen Dirigent Christian Thielemann den lichtdurchfluteten A-Dur-Akkord von einem Register an das nächste weiterreicht, schließlich in höchsten Sphären an der Grenze zur Unhörbarkeit verklingen lässt. Und doch bleibt das Geheimnis dieses Klangs im Raum. Und es geschehen noch manche orchestralen Wunder in dieser Aufführung. Thielemann und das vorzügliche Festspielorchester bewegen sich immer wieder im sehr leisen Klangbereich, spielen gesanglich und flexibel, "tragen" die Sänger ganz ausgezeichnet. Der Klang ist transparent, (fast) nie massig (allein der Schluss des ersten Akts gerät allzu lärmend). Der hervorragend disponierte Festspielchor (Einstudierung: Eberhard Friedrich) singt ungemein nuanciert und abgestuft, immer warm, auch in den martialischen Passagen im ersten Akt eine gewisse Leichtigkeit bewahrend. Bemerkenswert ist die Kunst der Übergänge: Thielemann versteht es phänomenal, von einem Abschnitt in den nächsten überzuleiten, die Musik im stetigen Fluss zu halten und gleichzeitig große Spannung aufzubauen. Man kann in dieser Musik versinken, aber Thielemann verliert nie das Ziel aus den Augen und Ohren. Klangwunder allenthalben.

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Warten auf ein szenisches Wunder: Elsa (links) auf dem Scheiterhaufen, das Gottesurteil scheint das so zu wollen ...

Szenisch ist das schon schwieriger. Geprägt wird die Produktion durch die Ausstattung von Neo Rauch und Rosa Loy, Hauptvertreter der gegenständlich-figürlichen "neuen Leipziger Schule". Inszenieren sollte eigentlich Alvis Hermanis, der sich jedoch vehement gegen die deutsche Flüchtlingspolitik (und deren Unterstützung durch deutsche Theater) positioniert hatte, worauf der Vertrag gelöst wurde; als Einspringer hatte der Amerikaner Yuval Sharon die weitgehend fertige Ausstattung des Künstlerpaares Rauch/Loy zu übernehmen. Das mag erklären, warum die Inszenierung keine allzu große Kohärenz der einzelnen Elemente aufweisen kann. Rauch und Loy setzen natürlich den visuellen Rahmen, tauchen die Oper weitestgehend in Blautöne, oft fast monochromatisch. Die Kostüme zeigen viele Anspielungen auf Tiere, von Insektenflügeln bis hin zu Kappen mit weit vorgezogenem Schirmen, die wie Entenschnäbel aussehen. Das ist eine Ebene; die andere manifestiert sich in historischen Anspielungen. Die Handlung der Oper ist in Antwerpen angesiedelt ("Anfang des 10. Jahrhunderts"). Von Antwerpen wandern die Assoziationen der Ausstatter offenbar zu Peter Paul Rubens (der zwischen 1587 und 1640 dort lebte) und seiner Zeit, und bei Blau denken sie an Delfter Keramik. Die Kostüme spielen wohl daher auf das "goldene Zeitalter" der Niederlande an. Man kann bei diesem Konzept am ehesten von weiten, wenig konkreten Assoziationsfeldern sprechen.


Vergrößerung in neuem Fenster ... und dann geschieht es doch, das Wunder, wobei der Schwan aussieht wie ein Weltraumgleiter und der erflehte Retter wie ein Elektriker.

Das wichtigste Bild aber ist das der Elektrizität. Hauptelement der Bühne ist ein kleines Umspannwerk. Lohengrin erscheint wie ein Elektriker, sein Schwert hat die Form eines Blitzes. Das ersehnte Wunder schlägt wie ein Blitz ein, das ist die eine Denkrichtung; mit etwas mehr intellektueller Phantasie mag man in Lohengrin den modernen Menschen, ja: den Techniker oder Ingenieur erkennen, der in ein archaisch geprägtes Weltbild einbricht - aber es geht Rauch und Loy vielleicht gar nicht um "übersetzbare" Bilder. Das Brautgemach im knalligen Orange steht dem vorherrschenden Blau unvereinbar gegenüber, so auch Elsas Kleid in der Schlussszene - da bricht jemand auch farblich aus. Ihr verschollener Bruder Gottfried kehrt als kleines grünes Männchen wieder, hart an der Parodie. Eine detaillierte Beschreibung der szenischen Bildfolgen ist in unserer Rezension aus dem Premierenjahr nachzulesen. Der Personenregie fällt es schwer, da mehr zu tun als zu arrangieren. Das wesentliche Element Sharons besteht darin, einen Konflikt zwischen den bis zur Gewalt dominanten Männern und den vermutlich klügeren Frauen aufzubauen, und am Ende lässt er alle per Blitzschlag (Elektrizität!) sterben bis auf Ortrud und Elsa (und Gottfried, aber der zählt nicht wirklich), die im Grunde auf der gleichen Seite stehen. Es bleiben viele Rätsel.

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Ortrud

Nun sind Opern, speziell die Richard Wagners, geprägt von langen Szenen, in denen die gut gemeinte Bildwirkung irgendwann verpufft. Die Spannung, das ist keine neue Erkenntnis, entsteht ohnehin eher aus der Musik. So viel Thielemann dazu beisteuert - ganz unproblematisch ist die Sängerbesetzung nicht. Das betrifft am wenigsten den tadellosen Heerrufer von Egils Silins und den stimmlich souveränen, sorgfältig phrasierenden König Heinrich von Georg Zeppenfeld, die beide auf Thielemanns Dirigat reagieren (vielleicht spricht man besser von interagieren, denn hier ergänzen sich Orchester und Sänger ganz ausgezeichnet). Thomas Konieczny singt den Telramund mit großer, wuchtiger Stimme, aber leider geringer Textverständlichkeit, und so sehr die schiere Kraft seiner Stimme beeindruckt, so fehlt es doch an Gestaltung. Gleiches gilt für die Ortrud von Elena Pankratova, mit heroinenhafter Größe gesungen, aber völlig unverständlich und in der Gestaltung konventionell, wenig auf den Text eingehend. Weil die Personenregie sich im ersten Teil des zweiten Akts fast völlig zurücknimmt und den Kulissenmalereien von Rauch/Loy den Vortritt lässt (bewegte Wolken, sehr apart), gerät die Sache ziemlich zäh, denn es wird viel verhandelt in diesem zweiten Aufzug - Thielemann und das Orchester wissen da weitaus mehr von Zwischentönen und Schattierungen als die Sängerdarsteller.


Vergrößerung in neuem Fenster Brautgemach: Orange steht in scharfem Kontrast zum komplementären Blau, das kann nicht gutgehen.

Und das hohe Paar? Das ist in diesem Jahr doppelt und denkbar unterschiedlich besetzt. Im August treten Piotr Beczala und Anna Netrebko an, in den ersten Vorstellungen Klaus Florian Vogt und Camilla Nylund, die allerdings in der hier besprochenen zweiten Aufführung krankheitsbedingt absagen musste. Kurzfristig sprang Annette Dasch ein, die bereits in der Vorgängerproduktion in der Regie von Hans Neuenfels die Elsa gesungen hat und über entsprechende Bayreuth-Erfahrung verfügt; gleichwohl blieb der Eindruck zwiespältig. Umwerfend ist gleich im ersten Auftritt ihr "Einsam in trüben Tagen" mit mädchenhaftem, intensiv leuchtendem Timbre. Es folgen manche schlecht vorbereitete Spitzentöne, Unsicherheiten in der hohen Lage, allzu laut herausplatzende Töne und ein immer wieder wackliges Piano. Vielleicht ist das Einspringen auch für eine erfahrene Interpretin der Partie nicht so leicht, zumal mit einem so differenzierten Dirigat, das Risiko einfordert. Auf der anderen Seite stehen berührende Passagen. Die Sängerin (der die Schwierigkeiten sicher nicht entgangen sind) schien selbst überrascht angesichts des frenetischen Jubels des (freilich generell nicht allzu kritischen) Publikums. Nichtsdestotrotz: Unter dem Strich bleibt vieles Gelungene (und zur Figur passt eben auch das Uneinheitliche, Gefährdete).

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"Im fernen Land unnahbar euren Schritten": Lohengrin und die Gralserzählung

Der knabenhaft hell timbrierte Tenor von Klaus Florian Vogt ist seit je Geschmackssache. Zaubern kann er bei seinem ersten Auftritt, mit betörendem, liedhaftem, fast naiv wirkendem Piano ("wie Fritz Wunderlich", begeistert sich mein Sitznachbar). In den "heldischen" Passagen klingt die Stimme allerdings schnell monochrom, ja, pardon, langweilig. Punkten kann er mit einer sorgfältig ausgestalteten Gralserzählung, und natürlich ist jedes Wort zu verstehen (in der Brautgemach-Szene ließe sich da sicher noch differenzierter gestalten). Der schöne, wiederum liedhaft einfach und gerade darum berührende Schluss rettet manches andere, weniger überzeugende Moment. Auch hier tosender Applaus. Dabei hätte man sich ein- um das andere Mal gewünscht, Thielemann und Orchester hätten ohne Sänger spielen dürfen.


FAZIT

Die Sänger können nicht mit dem grandiosen Orchester und einem ungemein sensibel dirigierenden Christian Thielemann mithalten. Szenisch wechselnd zwischen rätselhaft-schönen Bildern und gepflegter Langeweile.


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Weitere Rezensionen von den Bayreuther Festspielen 2019



Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Thielemann

Inszenierung
Yuval Sharon

Bühnenbild und Kostüme
Neo Rauch
Rosa Loy

Licht
Reinhard Traub

Choreinstudierung
Eberhard Friedrich


Statisterie, Chor und Orchester
der Bayreuther Festspiele


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Lohengrin
Piotr Beczala /
* Klaus Florian Vogt

Heinrich der Vogler
Georg Zeppenfeld

Elsa von Brabant
* Annette Dasch /
Camilla Nylund /
Anna Netrebko

Friedrich von Telramund
Thomas Konieczny

Ortrud
Elena Pankratova

Der Heerrufer des Königs
Egils Silins

1. Edler
Michael Gniffke

2. Edler
Tansel Akzeybek

3. Edler
Marek Reichert

4. Edler
Timo Riihonen


Lohengrin in der
Inszenierung von Yuval Sharon -
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