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Händel-Festspiele 2019 in Halle (Saale)

31.05.2019 - 16.06.2019

Il pastor fido

Opera seria in drei Akten (HWV 8a, Fassung 1712)
Libretto von Giacomo Rossi
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit Parnassus Arts Productions, Stadttheater Gleiwitz und All'improvviso Internationales Festival für Alte Musik (Gleiwitz)

Premiere im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 1. Juni 2019

 

 

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Schäferspiel auf zwei Zeitebenen

Von Thomas Molke / Fotos: © Artur Malke

Nachdem Georg Friedrich Händel mit seiner ersten Oper für London, Rinaldo, einen überwältigenden Erfolg erzielt hatte, wollte er dem dortigen Publikum auch das in Italien und Deutschland recht erfolgreiche Pastoraldrama nahebringen. Hierbei standen nicht große Helden im Mittelpunkt, sondern Hirten und Nymphen, die im Verlauf der Handlung zahlreichen Liebesverwicklungen und Intrigen ausgesetzt waren. Die Geschichten spielten meist in Arkadien, einer schwer zugänglichen Berggegend im Zentrum der Peloponnes, die bereits in der Antike zum Ort des Goldenen Zeitalters verklärt wurde und die auch auf das von der Renaissance begeisterte Italien eine große Faszination ausübte. So vertonte Händel innerhalb von zwei bis drei Wochen das zu seiner Zeit sehr berühmte Schäferspiel Il pastor fido, das auf der um 1590 entstandene Tragicommedia pastorale von Giovanni Battista Guarini basiert, die bis ins 18. Jahrhundert Textgrundlage zahlreicher Madrigale und Opern wurde. Das Londoner Publikum zeigte sich allerdings nicht sehr begeistert, hatte wohl eher auf eine weitere Heldenoper gehofft. So wurde das Stück nach nur sieben Vorstellungen wieder abgesetzt. 22 Jahre später überarbeitete Händel das Werk grundlegend, fügte mehrere Chöre aus seiner Hochzeitsserenata Parnasso in festa und Arien aus seinen anderen Opern ein und feierte einen großen Erfolg. Für eine dritte Fassung stellte er noch ein Ballett als Prolog mit dem Titel Terpsicore voran, in dem die Startänzerin Marie Sallé verschiedene Zustände der Liebe vorführte. Die Inszenierung, die als Koproduktion mit Parnassus Arts Productions und dem All'improvviso Internationalen Festival für Alte Musik Gleiwitz im Goethe-Theater Bad Lauchstädt gespielt wird, greift auf die erste Fassung der Oper zurück.

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Amarilli (Sophie Junker) und Mirtillo (Philipp Mathmann) lieben einander.

Erzählt wird die Geschichte des Hirten Mirtillo und der Nymphe Amarilli, die einander lieben, allerdings von einem Fluch getrennt werden, der über Arkadien lastet. Weil sich einst ein der Göttin Diana geweihter Priester in eine Nymphe verliebt hat, die ihn aber schließlich wegen eines anderen verlassen hat, und der Priester sich daraufhin das Leben genommen hat, hat die Göttin angeordnet, dass alle Nymphen, die der Untreue überführt werden, zu töten seien, bis sich ein treuer Hirte findet, der bereit ist, anstelle des verurteilten Mädchens zu sterben. Da Amarilli von ihrem Vater mit dem Jäger Silvio verlobt worden ist, weiß sie, dass eine Vereinigung mit Mirtillo ihren Tod bedeuten würde. Mirtillo ist über Amarillis Abweisung verzweifelt und will sich das Leben nehmen. Die Nymphe Eurilla, die ebenfalls in Mirtillo verliebt ist, hält ihn davon ab, und verspricht ihm Hilfe bei seiner Werbung um Amarilli. Dabei hofft sie allerdings, die Rivalin beseitigen und Mirtillo für sich gewinnen zu können. Durch eine Intrige gelingt es ihr, Mirtillo und Amarilli in eine Grotte zu locken, wo sie von den Priestern der Diana entdeckt werden. Als Amarilli zur Hinrichtung geführt wird, bietet sich Mirtillo an, statt der geliebten Nymphe zu sterben. Da verkündet der Hohepriester der Göttin Diana, dass der Zorn der Göttin besänftigt sei, da sich endlich der treue Hirte gefunden habe, der bereit ist, sich für seine Liebe zu opfern. So kann Mirtillo seine Amarilli am Ende doch noch heiraten. Silvio erhält die Schäferin Dorinda, die ihn hartnäckig mit ihren Liebesbekundungen verfolgt hat. Nur Eurilla geht leer aus, bittet allerdings um Verzeihung für ihre Intrigen und erfährt Vergebung.

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Tireno (Zachary B. Wilson) "untersucht einen Tatort".

Das Regie-Team um Daniel Pfluger siedelt die Geschichte auf zwei Zeitebenen in einer Art Hotelzimmer an. Zu Beginn der Oper tritt nach einem kurzen musikalischen Vorspiel der Hohepriester der Göttin Diana, Tireno, als Polizist auf und "sichert einen Tatort", wo es wohl einen Todesfall gegeben hat. Auf dem Bett befinden sich eine Pistole und ein blutiges Laken. Nach dieser Szene läuft die Uhr an der Wand zurück, und ein Tänzer (Davidson Jaconello) tritt auf, der verzweifelt versucht, mit seiner ehemaligen Geliebten Kontakt aufzunehmen. Doch seine diversen SMS, die er mit seinem Handy verschickt, bleiben unerwidert. Bei der Geliebten scheint es sich um Amarilli zu handeln, wie zahlreiche Fotos auf seinem Handy, die an die Wand projiziert werden, andeuten. Während er sich gequält in seinem Bett hin- und herwälzt, treten die Figuren des Schäferspiels auf. Yiannis Katranitsas hat für sie farbenfrohe Kostüme entworfen, die den bukolischen Charakter der Pastorale unterstreichen. Dabei sind Amarillis und Mirtillos Kostüme in einem ähnlichen Gelbton gehalten, um die Zusammengehörigkeit der beiden zu unterstreichen, während Eurilla in Grün, die Schäferin Dorinda in Rot und der Jäger Silvio in Weiß auftreten. In verschiedenen Momenten verlassen Amarilli und Eurilla das Schäferspiel. Dann erscheinen sie in modernen Kostümen und interagieren mit dem Tänzer. Wieso der Tänzer dabei auch mit Eurilla ins Bett steigt, erschließt sich nicht wirklich. Soll das einen Grund angeben, wieso Amarilli ihn verlassen und das in einem Video gegebene Eheversprechen wieder gelöst hat?

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Eurilla (Rinnat Moriah, hier mit dem Tänzer Davidson Jaconello) intrigiert gegen ihre Rivalin Amarilli.

Nach der Pause hat sich der Raum teilweise aufgelöst. Die Türen und das Fenster sind verschwunden und führen auf den beiden Seiten und im Hintergrund in ein dunkles Nichts, in dem sich wohl die Grotte befindet, in der Mirtillo und Amarilli von den Priestern entdeckt werden. Wenn der Jäger Silvio die ihn verfolgende Dorinda auf der Jagd verletzt, weil sie sich hinter einem Gebüsch versteckt und er sie für ein wildes Tier gehalten hat, entpuppt sich das Blut, das aus ihrer Wunde fließt, als ein feuerrotes Kleid, in das in einer Traumphantasie des Tänzers Amarilli schlüpft und ihm einen letzten Moment der Zweisamkeit schenkt, bevor sie erneut aus seinem Leben verschwindet und er nur das leere Kleid in den Armen hält. Mittlerweile hat Silvio Dorinda, die er für tot hält, auf dem Bett aufgebahrt und erkennt voller Reue seine tiefen Gefühle, die er für die junge Frau hegt. Doch diesen beiden ist ein glückliches Ende bestimmt. Dorindas Wunde war nicht tödlich und sie erhebt sich wieder von dem Bett. Mittlerweile tritt die zum Tode verurteilte Amarilli mit der Waffe auf, die zu Beginn der Oper auf dem Bett gefunden wurde, die ihr der Tänzer allerdings entwendet. Eurilla will nun das Urteil über Amarilli fällen und thront mit einem Messer auf dem Bett. Amarilli und Mirtillo sind gemeinsam bereit zu sterben, als der Hohepriester, wieder in Gestalt des Polizisten, Einhalt gebietet, und die Paare zusammenführt. Der Tänzer erkennt, dass er dabei wie Eurilla leer ausgeht, schießt sich eine Kugel in den Kopf und sackt auf dem Bett zusammen. Erst jetzt erreicht ihn auf dem Handy eine Antwort seiner Angebeteten, die nun doch bereit ist, mit ihm zu sprechen.

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Happy End für fast alle: von links: Silvio (Nicholas Tamagna), Dorinda (Anna Staruschkevych), Amarilli (Sophie Junker), Tireno (Zachary B. Wilson), Eurilla (Rinnat Moriah) und Mirtillo (Philipp Mathmann)

Musikalisch bewegt sich die Produktion auf hohem Niveau. Das {oh!} Orkiestra Historyczna gibt unter der Leitung von Martyna Pastuszka, die die Aufführung zusätzlich auf der Violine begleitet, und Marcin Świątkiewicz am Cembalo ein umjubeltes Debüt bei den Händel-Festspielen in Halle. Mit viel Gespür für differenzierte Nuancen arbeitet das Ensemble die weichen Töne des Schäferspiels heraus und lässt das Publikum musikalisch in ein friedliches Arkadien eintauchen. Sophie Junker glänzt als göttliche Nymphe Amarilli, die sich nicht traut, ihre Liebe zu Mirtillo einzugestehen, mit leuchtendem Sopran, der in den Höhen enorme Strahlkraft besitzt. Im Zusammenspiel mit dem Tänzer überzeugt sie darstellerisch durch große Ausdruckskraft. Philipp Mathmann verfügt als Schäfer Mirtillo über einen sehr hohen und weichen Countertenor, der im Zusammenspiel mit Junker zu einer bewegenden Innigkeit findet. Mit sauber angesetzten Höhen lässt er die Leiden des jungen Mannes spürbar werden. Rinnat Moriah punktet als intrigante Eurilla mit beweglichem Sopran. Dabei spielt sie die Verschlagenheit der Nymphe, die unsterblich in Mirtillo verliebt ist und die Nebenbuhlerin unbedingt beseitigen will, glaubhaft aus. Auch sie überzeugt im Zusammenspiel mit dem Tänzer, auch wenn sich die Szene inhaltlich nicht erschließt. Nicholas Tamagna stattet den Jäger Silvio mit einem dunklen Countertenor aus, der viriler klingt als Mathmanns hohe Stimme, was unterstreicht, dass er sich weniger um Liebesdinge schert und eigentlich nur Interesse an der Jagd hat. Anna Starushkevych verfügt als Schäferin Dorinda über einen dunklen, samtweichen Mezzosopran, der mit Tamagnas Countertenor wunderbar harmoniert und deutlich macht, dass diese beiden Figuren genauso zusammengehören wie Mirtillo und Amarilli. Zachary B. Wilson rundet als Hohepriester Tireno mit dunklem Bass das Solisten-Ensemble solide ab. Davidson Jaconello wird mit starkem Ausdruckstanz ein gut funktionierender Bestandteil der Geschichte, auch wenn nicht immer klar wird, was die zweite Zeitebene hier eigentlich aussagen soll. So gibt es am Ende verdienten und großen Beifall, in den sich auch das Regie-Team einreiht.

FAZIT

Händels bei der Uraufführung nicht geliebte Erstfassung der Pastoral-Oper Il pastor fido erfährt in dieser Produktion eine musikalisch überzeugende Umsetzung, die auch szenisch im Großen und Ganzen aufgeht.

Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2019 in Halle

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Martyna Pastuszka (Violine)
Marcin Świątkiewicz (Cembalo)

Regie
Daniel Pfluger

Bühne
Georgios Kolios

Kostüme
Yiannis Katranitsas

Licht
Stella Kaltsou

Video
Sarah Scherer

 

{oh!} Orkiestra Historyczna

 

Solisten

Mirtillo, Schäfer
Philipp Mathmann

Amarilli, göttliche Nymphe
Sophie Junker

Eurilla, Nymphe
Rinnat Moriah

Silvio, Jäger
Nicholas Tamagna

Dorinda, Schäferin
Anna Starushkevych

Tireno, Hohepriester der Göttin Diana
Zachary B. Wilson

Tänzer
Davidson Jaconello

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Händel-Festspiele in Halle
(Homepage)



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