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Zwei Einakter als Stück im StückVon Thomas Molke / Fotos: © Neuburger Kammeroper Ferdinand Hérold gehört mit François-Adrien Boieldieu und Nicolas Isouard zu den Komponisten, die die Entwicklung des französischen Theaters im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entscheidend beeinflusst haben, und Hérold hätte im weiteren Verlauf sicherlich noch eine bedeutendere Rolle spielen können, wenn er nicht bereits 1833 im Alter von 42 Jahren an Tuberkulose gestorben wäre. Als großer Verehrer Mozarts ging er nach Wien, wo er nicht nur die großen Opern der Wiener Klassik einstudierte, sondern auch Salieri kennenlernte. Außerdem war er mit Gioachino Rossini befreundet und sorgte 1822 für die Pariser Erstaufführung von Rossinis Mosè in Egitto. In Deutschland ist Hérold heute noch vor allem durch sein 1828 uraufgeführtes Handlungsballett La Fille mal gardée bekannt. Seine beiden letzten vollendeten Opern Zampa und Le Pré aux clercs erfreuten sich auch außerhalb Frankreichs großer Beliebtheit und werden heute noch gelegentlich aufgeführt (Le Pré aux clercs zuletzt 2015 beim Wexford Festival Opera in einer Kooperation mit Paris). Daneben hat Hérold auch eine ganze Reihe von Einaktern komponiert. Zwei davon hat die Neuburger Kammeroper in diesem Jahr auf den Spielplan gestellt. Dabei stehen diese beiden Werke, die 1820 und 1823 entstanden, in der Aufführung nicht nur nebeneinander, sondern werden auch noch miteinander verwoben. Dorville (Karsten Münster) vertraut sich seinem Dienstmädchen Denise (Laura Faig) an. Den Anfang macht Der tote Dichter lebt (L'Auteur mort et vivant) von 1820. Erzählt wird die Geschichte des erfolglosen Theaterdichters Dorville, der in Paris die Nachricht über seinen Tod hat verbreiten lassen und nun zurückgezogen auf dem Land unter dem Namen Valcour lebt, um weitere Stücke zu schreiben, die er durch einen Freund als angeblichen Nachlass des verstorbenen Dichters nach Paris bringen lässt. Seit man glaubt, dass der Dichter tot ist, erfreuen sich dessen Stücke in Paris sowohl beim Publikum als auch bei den Rezensenten sehr großer Beliebtheit, so dass Dorville eigentlich auf dem Land ein ganz gutes Leben führt. Inspirieren lässt er sich von den ständigen Streitereien seines kecken Dienstmädchens Denise mit ihrem eifersüchtigen Verlobten Pierre. Plötzlich taucht allerdings sein Onkel aus Amerika auf, der ihn nach dem Tod seines Vaters wie einen eigenen Sohn aufgezogen hat, dann aber aus dem Testament gestrichen hat, weil Dorville lieber in Paris Theaterdichter sein wollte als in Amerika in die Fußstapfen seines Onkels zu treten. Der Onkel bereut nach dem angeblichen Tod seines Neffen seine Härte und kommt aufs Land, um mehr über seinen Neffen zu erfahren. Dabei hat er auch seine Tochter Madeleine mitgebracht, in die der junge Dorville in Kindertagen sehr verliebt war. Nun soll sie allerdings den hochnäsigen Florival heiraten. Der junge Dorville vereitelt zunächst mit Hilfe von Denise die Hochzeit und gibt sich schließlich zu erkennen, nachdem der Freund in Paris verkündet hat, dass der Dichter noch lebe und man ihm daraufhin eine der frei gewordenen Stellen in der Académie française angeboten hat. Der Onkel verzeiht ihm und gibt ihm obendrein seine Tochter Madeleine zur Frau. Dorville (Karsten Münster, Mitte) ist in die Academie française berufen worden. Mit ihm freuen sich sein Onkel Dorville (Horst Vladar, ganz links), Florival (Goran Cah, 2. von links), Denise (Laura Faig, 2. von rechts), Madeleine (Ines Vinkelau, rechts) und Pierre (Wilfried Michl, rechts). Michael Hoffmann setzt die Handlung mit einem spielfreudigen Ensemble und sehr viel Humor um. Musikalisch merkt man beim Finale, dass Hérold sich auch von seinem Freund Rossini hat inspirieren lassen. Die schnellen Tempi bereiten den Sängerinnen und Sängern aber vor allem in den Ensembles bisweilen kleine Probleme. Da hat Alois Rottenaicher schon allerhand zu tun, Solisten und Orchester gemeinsam in der Spur zu halten. Vielleicht leidet die Konzentration aber auch unter der brüllenden Hitze im Theater. Darstellerisch gibt es nichts zu beanstanden. Michele Lorenzini beweist mit einem wunderschönen Bühnenbild und zauberhaften Kostümen, dass eine Oper aus dem 19. Jahrhundert auch ohne Modernisierung funktioniert, wenn die Personen ernst genommen werden, und das macht Hoffmann in einer ausgefeilten Personenregie. Laura Faig und Wilfried Michl geben als Denise und Pierre ein herrlich streitendes Dienerpaar, das dem jungen Dorville nicht nur als Inspirationsquelle für seine Komödien dient, sondern das auch immer wieder von ihm zusammengeführt wird. Mit viel Spielwitz gestalten Faig und Michl das große Duett zu Beginn, wenn Denise ihrem Pierre die ständige Eifersucht vorwirft und Pierre beklagt, dass er seiner Zukünftigen nicht über den Weg trauen kann. Großartig gelingt auch die Szene, in der Denise Madeleines Verlobten verführen soll und Pierre das Spiel nicht durchschaut und immer störend dazwischen gehen will. Goran Cah legt den ungeliebten Verlobten Madeleines, Florival, wunderbar arrogant an und begeistert durch sein selbstgefälliges Spiel. Dabei lässt auch sein lyrischer Tenor aufhorchen. Ines Vinkelau debütiert als Madeleine mit strahlend rundem Sopran und mädchenhaftem Spiel. Karsten Münster hält als Dorville gekonnt die Fäden zusammen und bringt die Geschichte zu einem glücklichen Ausgang. Horst Vladar gestaltet den Onkel mit viel Spielwitz und Selbstironie. Am Ende ist es dann das folgende Stück, Der Maultiertreiber, das Dorville seinen Ruf in die Académie française einbringt, und das er mit seinem Onkel dann auch besucht. So taucht nach der Pause zunächst Dorville mit seinem Onkel und dem Dirigenten im Bühnenbild vom Maultiertreiber auf. Während Rottenaicher in den Orchestergraben hinabsteigt, verschwindet der alte Dorville im Zuschauersaal, um sich das Werk seines Neffen anzuschauen. Am Ende betritt er dann zum Finale erneut die Bühne, um seinem Neffen, der in dem Stück ebenfalls eine kleine Rolle als Maultiertreiber übernommen hat, einen Lorbeerkranz aufzusetzen und eine Urkunde zu überreichen. Zerbine (Ines Vinkelau) und der Maultiertreiber Enrique (Goran Cah) lieben sich. Der Maultiertreiber spielt in Spanien in einem Dort in der Nähe von Madrid. Hier führt der nicht mehr ganz junge Rodrigo ein Gasthaus, in dem auch regelmäßig Maultiertreiber absteigen. Einer dieser Maultiertreiber, Enrique, hat sich unsterblich in Rodrigos Mündel Zerbine verliebt. Doch Rodrigo will Zerbine mit seinem Neffen, dem etwas einfältigen Kellner Flandrino, verheiraten. Enrique und Zerbine überlegen, wie sie die Pläne Rodrigos durchkreuzen können. Da kommt es ihnen ganz gelegen, dass Rodrigo selbst gerade die viel jüngere und noch reichlich unerfahrene Inesia geheiratet hat. Da Rodrigo ihre Unschuld bewahren will, plant er, sie auf dem Land bei seinen alten Dienern unterzubringen. Inesia ist davon zwar nicht begeistert, will sich aber in ihr Schicksal fügen. Als sie auf die Maultiertreiber trifft und vor allem an Enrique großes Interesse zeigt, erkennt Rodrigo, dass er sofort handeln muss. Da er Inesia allerdings nicht mehr am gleichen Abend aufs Land bringen kann, quartiert er sie für die Nacht in einem Stall ein, in dem sich allerdings Enrique mit Zerbine verabredet hat. Enrique trifft nun im Dunkeln auf Inesia statt auf Zerbine und tauscht mit ihr Zärtlichkeiten aus, die Inesia, die Enrique für ihren Mann hält, allzu gerne annimmt. Als dann Rodrigo im Stall auftaucht, merkt Enrique, dass er bei der falschen Frau gewesen ist. Rodrigo stellt an den unschuldigen Äußerungen seiner Frau fest, dass sich ihr ein anderer Mann genähert hat, und hat sofort die Maultiertreiber in Verdacht. Da er in der Dunkelheit den sich schlafend stellenden Enrique nicht erkennt, raubt er ihm den Gürtel, um ihn dadurch am nächsten Morgen zu überführen. Aber Enrique versteckt auch die Gürtel der anderen Maultiertreiber, so dass Rodrigo den Schuldigen am nächsten Tag nicht ausmachen kann. Enrique bietet ihm an, den Schuldigen zu nennen, falls er dafür Zerbine zur Frau bekommt. Missmutig willigt Rodrigo ein, tobt zwar, als er erfährt, dass es Enrique selbst war, gibt dem Mündel aber schließlich doch unter Enriques Druck seinen Segen. Rodrigo (Michael Hoffmann, Mitte) versucht vergeblich, unter den Maultiertreibern den Schuldigen zu finden. Enrique (Goran Cah, rechts daneben) triumphiert. Horst Vladar vertraut voll und ganz der großartigen Komik des Stückes und setzt es gewohnt souverän ohne albernen Regie-Mätzchen um. Musikalisch und inhaltlich lässt sich in dem Stück erkennen, dass Hérold die Schaffenspause zwischen den beiden Einaktern gut genutzt hat, um sich weiterzuentwickeln. So ist das zweite Stück zum einen musikalisch ausgefeilter als der erste Einakter, zum anderen bietet die Handlung Möglichkeiten für eine schwungvollere Umsetzung. Lorenzini hat auf den Rückseiten der Bühnenwände ein weiteres Bild konzipiert, das die ländliche Atmosphäre Frankreichs in ein eher bodenständiges Ambiente einer Schenke nahe Madrid verwandelt. Der Clou ist allerdings der Stall auf der linken Bühnenseite. Hier hat Lorenzini eine großartige Holzhütte entworfen, die auf zwei Seiten durch einen Gaze-Vorhang Einblick bietet, so dass mit einer ausgeklügelten Lichtregie das Verwechslungsspiel zwischen Inesia, Enrique und Rodrigo in der Nacht wunderbar umgesetzt werden kann. Auch hier begeistern die Solisten durch große Spielfreude. Goran Cah vollzieht einen überzeugenden Wechsel vom arroganten Florival aus dem ersten Teil des Abends hin zum selbstbewussten Maultiertreiber Enrique, der mit viel Geschick die junge Zerbine zur Frau bekommen kann. Erneut begeistert er mit sauberen lyrischen Höhen. Ines Vinkelau gibt sich als Zerbine wesentlich frecher als im ersten Teil und punktet erneut mit rundem Sopran. Wilfried Michl stellt als Flandrino seine Fähigkeiten als Buffo-Tenor unter Beweis und glänzt durch hervorragend naives Spiel. Laura Faig spielt die Inesia herrlich leichtgläubig und begeistert vor allem in der Stallszene durch großartiges komisches Talent. Mit dieser jungen Frau wird der Wirt wohl nicht lange seine Freude haben, wie ihr Blick am Ende des Stückes vermuten lässt. Michael Hoffmann ist die Rolle des eifersüchtigen Rodrigo regelrecht auf den Leib geschrieben, und er punktet erneut mit der ihm eigenen großartigen Komik. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Michael Hoffmann und Horst Vladar setzen die beiden Einakter von Hérold wunderbar in Beziehung, so dass das schwächere erste Stück von den Qualitäten des zweiten Teils profitiert.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungAlois Rottenaicher Bühnenbild
Orchester des Akademischen
Der tote Dichter lebtInszenierung SolistenDorville, Dichter
Dorville, sein Onkel
Madeleine, dessen Tochter
Florival, junger Geck aus Paris Denise, Mädchen
vom Land Pierre, ihr Bräutigam Der Maultiertreiber
Inszenierung Solisten
Enrique, Maultiertreiber Rodrigo, alter Wirt Flandrino, Kellner Inesia, junge Frau des Wirts Zerbine, Mündel Rodrigos Pedro, Freund Enriques Maultiertreiber
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- Fine -