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Salzburger Festspiele 2019

Alcina


Oper in drei Akten (HWV 34)
Libretto von einem unbekannten Autor
nach Antonio Fanzaglias Textbuch zu Riccardo Broschis L'isola di Alcina
nach Ludovico Ariostos Orlando furioso
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 45' (zwei Pausen)


Wiederaufnahme der Produktion von den Pfingstfestspielen 2019 am 5. August 2019 im Haus für Mozart
(rezensierte Aufführung: 16. August 2019)

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Salzburger Festspiele
(Homepage)

Die Frau im Spiegel

Von Joachim Lange / Fotos © Salzburger Festspiele / Matthias Horn

Alcina, diese mittlerweile längst populäre Zauberinnen-Oper des Hallenser Barockmeisters Georg Friedrich Händel, ist auch eine Parabel auf den Jugendwahn. Auf Selbsttäuschung und Egoismus. Bei den Festspielen in Aix-en-Provence konnte man das 2015 schon bei Katie Mitchell so erleben (unsere Rezension). Da waren die gealterten und fahlen Varianten von Alcina und Morgana mit auf der Bühne, war ihre Jugend trügerischer Schein zur Verführung der Männer.

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Alcina (Cecilia Bartoli)

Cecilia Bartoli hat als intellektuelles und vokales Kraftzentrum der Salzburger Pfingsfestspiele in diesem Jahr u.a. Alcina ins Programm genommen (unsere Rezension), und jetzt landete diese Produktion mit sechs Aufführungen auf dem Opernspielplan der großen Sommerfestspiele. Und die intelligente und kraftstrotzende Meisterin der Koloraturen macht einmal mehr bella figura! Auch weil die szenischen Lösungen, die Damiano Michieletto gefunden hat, triftig sind, nichts von ihrer Wirkung eingebüßt haben und die ganzen fast fünf Stunden die Spannung halten. Wenn man nichts streicht und zwei Pausen macht, dann hat Händel plötzlich die Länge einer Wagner-Oper.


Vergrößerung in neuem Fenster Bradamante (Kristina Hammarström, links) und Morgana (Sandrine Piau)

Die Wirkung der Inszenierung hat in gewisser Hinsicht sogar an Relevanz über das Allgemeingültige hinaus gewonnen, weil die Ausläufer der MeToo-Debatte dank des sehr prominenten Namens Domingo auch um Salzburg keinen Bogen machen. Der gerade ins Visier von entsprechenden Angriffen geratene und in den USA mit puritanischem und ziemlich scheinheiligem Übereifer schon an vielen Bühnen Kaltgestellte wird ja gegen Ende der Festspiele noch in der konzertanten Luisa Miller auftreten. Sieht man bei Alcina genau hin, dann regt das zumindest ein Nachdenken über diese Frage an. Obwohl hier die sexuelle Übergriffigkeit unter umgekehrten Geschlechtervorzeichen verhandelt wird. Es ist die mächtige Frau, die Zauberin, die sich nimmt, was sie will. Die den Männern, die ihr gefallen die Sinne verwirrt und sie dann, wenn sie genug von ihnen hat, als Tiere, Bäume oder sonst was "entsorgt". Bei Michieletto ist es der Blick in den (auch begehbaren) Spiegel, der Alcina erschrecken lässt. Sie sieht sich dort (und dann auch hin und wieder real) als alte Frau, aber auch mal als junges Mädchen und kämpft mit allen Mitteln dagegen an. Vor allem mit einem jungen Liebhaber. Die Zeit, die ist halt auch hier bei Händel schon ein sonderbar' Ding wie später bei Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal im Rosenkavalier.

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Ruggiero (Philippe Jaroussky)

Wenn die Eindringlinge Ruggiero, den aktuellen Liebhaber Alcinas, wieder zur Vernunft und auf ihre Seite gebracht haben und die hinter einer Scheibe für uns als Männer sichtbaren, abgelegten verwandelten Liebhaber befreien, dann bringt die Zerstörung des Spiegels diesen Akt der Selbstbefreiung auf den Punkt. Es bleibt aber nicht beim Klirren - die Scherben dieses Spiegels füllen nach und nach von oben einschwebend den ganzen Raum, und Alcina altert so schnell wie Oscar Wildes Dorian Gray.

Fabelhaft wie die Bartoli diesen Wechsel von der vitalen, lebensgierigen Frau zur einsamen Alten, der sogar die Haare ausgehen, darstellerisch bewältigt. Vor dem Effekt scheint sie selbst (natürlich augenwinkernd) erschrocken, wenn sie sich beim Schlussapplaus kurz ein Tuch über diese Reste von Haaren wirft. Bis dahin ist sie das unangefochtene darstellerische und vokale Kraftzentrum der Produktion. Zum Auftakt setzt sie mit ein paar Gesten alles in Bewegung. Inklusive der Tänzer, die - dauerpräsent hinter einer Glasscheibe - die Kollateralschäden ihrer Sehsucht nach Liebe verkörpern. Bartoli lässt die Partie funkeln, macht aus allem einen Bravourauftritt, auch wenn sie die Zeit in Trauer und Verzweiflung fast anhält. Was sie verbreitet, ist nicht weniger als Magie ("Ah, mio cor"), und das Orchester wird damit eins. Das ist auch am anderen Ende der Gefühlsskala so, wenn sie ihr Reich beschwört. Und natürlich bei allem, was Händel an Koloraturvorlagen so bietet.


Vergrößerung in neuem Fenster Ruggiero (Philippe Jaroussky) und Bradamante (Kristina Hammarström)

Philippe Jaroussky überrascht - man meint, dass er in Aix mehr Probleme hatte, sich als Ruggerio zu behaupten. Jetzt macht er aus seiner Melange aus Erfahrung und Technik, jenseits des reinen Zartklangs seiner Stimme, einen Verführten, dessen innere Bewegung berührt und den Gedanken etwa an Grenzen der Durchschlagskraft gar nicht aufkommen lässt. Besonders mit seinen beiden "Wunschkonzert" Hits "Verdi prati" und "Sta nell'ircana" überzeugte Jaroussky restlos. In der manchmal sogar gestrichenen Nebenrolle des Oberto sammelte der Wiener Sängerknabe Sheen Park nicht nur per se Sympathiepunkte des Mitfühlens mit dem Knaben, dem man den Vater genommen hat, sondern imponierte auch bei anspruchsvollen Arie "Barbara! Io ben lo so" am Ende. Dieses Ensemble wird komplettiert durch die mezzosatte Kristina Hammerstörm als Bradamante, vor allem aber auch durch die quicklebendige Morgana Sandrine Piau, die ihrer Schwester in Sachen Männer und Bühnenpräsenz dicht auf den Fersen ist. Christoph Strehl als Oronte und Alastair Miles als Melisso runden das festspielwürdige Ensemble ab. Gianluca Capuano steuert mit seinen Musikern den dazu adäquaten Händelsound bei.


FAZIT

Es war eine gute Entscheidung dieser Händelproduktion von den Pfingstfestspielen ins Programm der Sommerfestspiele zu übernehmen. Sie ist einer der musikalischen Glanzlichter.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gianluca Capuano

Inszenierung
Damiano Michieletto

Bühne
Paolo Fantin

Kostüme
Agostino Cavalca

Licht
Alessandro Carletti

Video
rocafilm

Choreographie
Thomas Wilhelm

Chor
Markus Obereder

Dramaturgie
Christian Arseni



Bachchor Salzburg

Les Musiciens du Prince-Monaco


Solisten

Alicina
Cecilia Bartoli

Ruggiero
Philippe Jaroussky

Morgana
Sandrine Piau

Bradamante
Kristina Hammarström

Oronte
Christoph Strehl

Melisso
Alastair Miles

Oberto
Sheen Park (Wiener Sängerknabe)

Tänzer
Rouven Pabst
Hector Buenfil Palacios
Stefano De Luca
Tomaz Simatovic
Robert Söderström
Joan Aguilà Cuevas
Edward Pearce
Erick Odriozola


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