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Mit Omelette zum ErfolgVon Thomas Molke / Fotos: © Paula Malone Carty Das Wexford Festival Opera hat zwar zum Offenbach-Jubiläum kein Werk des Wahl-Franzosen auf den Spielplan gestellt, aber in gewisser Weise wird im Rahmen der diesjährigen "Short Works" mit Georges Bizets Operetteneinakter Doctor Miracle (Le Docteur Miracle) auch Jacques Offenbach gehuldigt. Dieser hatte nämlich an der von ihm geleiteten Bouffes-Parisiens in Paris einen Kompositionswettbewerb ins Leben gerufen, bei dem sich junge aufstrebende Talente als Komponisten präsentieren konnten. 1857 nahm auch Georges Bizet im Alter von 18 Jahren an diesem Wettbewerb teil und gewann ihn mit Le Docteur Miracle. Da man bei den "Short Works" am Nachmittag im Clayton Whites Hotel entweder gekürzte Opernklassiker oder Einakter auf den Spielplan stellt, ist dieses Stück mit seinen 65 Minuten geradezu prädestiniert für dieses Format, vor allem für einen Regisseur wie Roberto Recchia, der in den vergangenen Jahren mit seinen einfallsreichen Inszenierungen hier eine Fangemeinde gewonnen und die Attraktivität der "Short Works" damit noch gesteigert hat. Der Bürgermeister (Simon Mechliński) und seine Frau Véronique (Kasia Balejko, links) wollen nicht, dass Laurette (Lizzie Holmes, rechts) einen Soldaten heiratet. Die Geschichte basiert auf dem 1775 in Covent Garden uraufgeführten Schauspiel St Patrick's Day or The Scheming Lieutenant von Richard Brinsley Sheridan und wurde von Léon Battu und Ludovic Halévy in ein einaktiges Libretto umgeformt. Der junge Soldat Silvio liebt Laurette, die Tochter des Bürgermeisters, der ihn allerdings als Schwiegersohn aufgrund seines Berufs ablehnt. Folglich verkleidet sich Silvio als Doktor und versucht, sich unter dem Namen Miracle dem Haus zu nähern. Doch der Bürgermeister will auch keinen "Quacksalber" im Haus. Erst als Silvio sich als neue Haushaltshilfe Pasquin vorstellt, kann er das Vertrauen des Bürgermeisters gewinnen, zumal er vorgibt, wie der Bürgermeister selbst eine Abneigung gegen Soldaten zu haben, und ihm verspricht, jeden Soldaten von Laurette fernzuhalten. Für die Familie bereitet er anschließend ein Omelette vor, das sich als ungenießbar erweist. Als der Bürgermeister dann auch noch erkennt, dass es sich bei Pasquin um Silvio handelt, wirft er ihn aus dem Haus. Nun erhält Laurettes Stiefmutter einen Brief, in dem Silvio dem Bürgermeister gesteht, ihn mit dem Omelette vergiftet zu haben, so dass dieser nun sterben müsse. Der Bürgermeister ist verzweifelt. Während seine Frau sich ein angenehmes Leben als Witwe ausmalt, fordert er, einen Arzt herbeizurufen. Dieser kommt in Gestalt des Doktor Miracle. Für die heilende Medizin fordert der Doktor allerdings die Hand Laurettes. Der Bürgermeister willigt natürlich sofort ein. Silvio gibt sich als verkleideter Doktor zu erkennen und gesteht, das Omelette gar nicht vergiftet zu haben. Die scheinbare Krankheit könne nur mit Liebe bekämpft werden. Der Bürgermeister gibt sich geschlagen und ist bereit, Silvio als Schwiegersohn zu akzeptieren. Roberto Recchia bezieht in seine Inszenierung auch das Publikum mit ein. So liegen auf zahlreichen Plätzen im Saal Werbeplakate für "The Amazing Doctor Miracle", die der Doktor bei seinem Auftritt zu Beginn der Oper außerdem an weitere Besucher verteilt. Auf diesen Plakaten wird auf recht amüsante Weise für ein Liebeselixir geworben, ohne dass man diese Versprechen in irgendeiner Form ernst nehmen könnte, aber das kann man ja auch Silvio in seiner Verkleidung als Doctor Miracle nicht. Mit seinem schwarzen Umhang und dem schwarzen Zylinder erinnert er eher an einen Zauberer aus einem Varieté als an einen Arzt. Andrew Synnott, der die Aufführung am Piano begleitet, bläst zu Beginn auch noch auf einer Pfeife und wird aus dem Off vom Schlagzeug unterstützt, um deutlich zu machen, wie störend der morgendliche Lärm des vermeintlichen Doktors den Bürgermeister und seine Frau Véronique aus dem Schlaf reißt. Auf der Bühne befinden sich auf der linken Seite eine Essecke und auf der rechten Seite eine Couchgarnitur mit einem Tisch. Auf Video-Projektionen, wie sie von Recchia häufig mit großer Komik eingesetzt werden, wird an diesem Abend verzichtet. Gesungen wird das Stück mit klarer Diktion auf Englisch. Wahrscheinlich wäre bei einer Übertitelung des französischen Originaltextes entweder durch die erforderliche Verknappung ein Teil des Sprachwitzes verloren gegangen, oder das Publikum hätte sich durch das ständige Lesen der Übersetzung nicht auf das turbulente Geschehen auf der Bühne konzentrieren können. Pasquin alias Silvio (Guy Elliott) bereitet für die Familie ein Omelette zu. Einen Höhepunkt stellt die Zubereitung des Omelettes auf der Bühne dar, die auch noch durch ein völlig verrücktes Quartett musikalisch begleitet wird. Auf einem kleinen Teewagen sind alle erforderlichen Utensilien nebst einer funktionierenden Kochplatte zusammengestellt. So schlägt Pasquin alias Silvio wirklich zwei Eier auf, verrührt sie mit etwas Teig und formt das Gemisch anschließend in einer kleinen Pfanne zu einem Omelette, das er sogar noch in der Luft geschickt wendet. Trotzdem möchte man bei dieser Aufführung vielleicht nicht in der ersten Reihe sitzen, weil bei diesen "Kochkünsten" natürlich auch ein bisschen daneben gehen kann. Das zubereitete Omelette würzt Pasquin noch für die Familie unbemerkt mit einem geheimnisvollen Trank und serviert es anschließend dem hungrigen Bürgermeister. Mit großartiger Komik wird dabei das Omelette zelebriert und großzügig auf drei Teller verteilt. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass es ungenießbar ist. Da kommen der Bürgermeister und die beiden Frauen sogar mit einer Gabel ins Publikum und fordern die Zuschauer auf, sich selbst davon zu überzeugen. Happy End: von links: Véronique (Kasia Balejko), Silvio (Guy Elliott), Laurette (Lizzie Holmes) und der Bürgermeister (Simon Mechliński) Die vier Solisten agieren mit großer Spielfreude. Simon Mechliński punktet als Bürgermeister mit profundem Bariton und empfiehlt sich nach seinem Dr. Malatesta im vergangenen Jahr erneut als viel versprechender Buffo-Bariton. Verzweifelt versucht er, seine Autorität auszuspielen, muss aber immer wieder feststellen, dass er in diesem Haushalt eigentlich nichts zu sagen hat. Mit großer Komik setzt er die Leiden des Bürgermeisters um, wenn dieser glaubt, durch das Omelette vergiftet worden zu sein. Dabei mischen sich zwischen sein sterbenskrankes Gehabe aber immer wieder recht lebhafte Wutattacken. Kasia Balejko gestaltet die Partie seiner Gattin Véronique mit sattem Mezzosopran und viel Spielwitz. Über ein Ableben ihres Mannes wäre sie scheinbar gar nicht so traurig, da sie dann zum mittlerweile vierten Mal Witwe wäre und sie sicherlich ein enormes Vermögen erben würde. So drängt sie den Bürgermeister auch eher dazu, endlich ein Testament zu verfassen als einen Doktor zu rufen. Guy Elliott zeigt als Silvio große Wandlungsfähigkeit und setzt als bodenständiger Pasquin mit Cockney-Akzent und als leicht exaltierter Doktor auf große Komik. Musikalisch überzeugt er mit leichtem Tenor. Lizzie Holmes gibt die kecke Tochter des Bürgermeisters mit mädchenhaftem Sopran und lebhaftem Spiel. Synnott gelingt es am Klavier, die musikalischen Finessen des Stückes herauszuarbeiten, das allerdings noch nicht den späteren Komponisten der Perlenfischer oder Carmen erkennen lässt. So gibt es am Ende großen und verdienten Beifall für alle Beteiligten.
FAZIT Dieses Frühwerk Bizets ist musikalisch und szenisch ein großer Spaß, auch wenn das Stück an sich absolut albern ist.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2019 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAndrew Synnott Regie Bühne und Kostüme Licht
SolistenLaurette Véronique Silvio / Pasquin / Dr Miracle The Mayor
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- Fine -