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Rossinis Farsa mit flachen RegieeinfällenVon Thomas Molke / Fotos: © Paula Malone Carty Von den fünf Farse, die Rossini zu Beginn seiner Karriere für Venedig komponierte, kommt seiner zweiten Farsa L'inganno felice ein besonderer Stellenwert zu. Dieser Einakter erfreute sich nämlich nicht nur in ganz Italien großer Beliebtheit und wurde ein Jahr nach der Uraufführung an zahlreichen italienischen Bühnen herausgebracht, sondern feierte auch europaweit einen riesigen Erfolg, so dass es bereits 1816 in München die erste deutschsprachige Aufführung gab. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde das Werk auch in Süd- und Nordamerika gespielt. So lässt sich konstatieren, dass diese Oper den ersten Meilenstein auf Rossinis weiterer Karriere markierte. Ein Grund für die große Begeisterung des damaligen Publikums mag neben der großartigen Musik auch die Tatsache gewesen sein, dass Rossini ein Sujet vertonte, dass eine eigentlich ernste Handlung mit komischen Momenten unterlegte, so dass man L'inganno felice auch als seine erste Opera semiseria betrachten kann. Heute ist das Stück außerhalb der Rossini-Festspiele in Bad Wildbad und Pesaro so gut wie nie auf der Bühne zu erleben. Umso erfreulicher ist es also, dass man beim diesjährigen Wexford Festival Opera als letztes "Short Work" im Clayton Whites Hotel dieses Frühwerk des Schwans von Pesaro auf den Spielplan gestellt hat. Ob es mit reiner Klavierbegleitung allerdings gut funktioniert, ist Geschmacksache, da sich die zahlreichen musikalischen Finessen wie beispielsweise das großartige Flötensolo beim Auftritt des Herzogs nicht auf das Klavier übertragen lassen. Die Handlung steht ganz in der Tradition einer ganzen Reihe von Dramen des 18. Jahrhunderts, in der eine junge Frau zu Unrecht verstoßen, dabei allerdings auf wundersame Weise gerettet wird. Bei Rossini ist es Isabella, die Frau des Herzogs Bertrando. Ormondo, ein Vertrauter des Herzogs, hat selbst ein Auge auf die Herzogin geworfen und wird von dieser abgewiesen. Aus Rache bezichtigt er sie der Untreue und überzeugt ihren Mann, sie auf einem Boot auf offener See auszusetzen. Anders als erwartet kentert das Boot aber nicht, sondern strandet an der benachbarten Küste, wo der Vorarbeiter einer Eisenmine, Tarabotto, die junge Frau rettet und als eine Nichte unter dem Namen Nisa versteckt. Zehn Jahre später rüstet der Herzog zum Krieg und gelangt genau an diese Küste, weil die Eisenminen für seine Kriegsführung eine wichtige Rolle spielen. Dabei trifft er auf Isabella, die sich allerdings nicht sofort zu erkennen gibt. Fatalerweise ist auch Ormondo im Gefolge des Herzogs. Da er fürchtet, dass sein Betrug von damals auffliegen könnte, befiehlt er seinem Diener Batone, die junge Frau zu entführen und zu töten. Tarabotto hat allerdings die Szene belauscht und will Ormondos Plan durchkreuzen. Er bittet den Herzog um Schutz für seine Nichte und rät ihm, heimlich die Gründe zu erkunden, wieso Ormondo Nisa entführen will. So erfährt der Herzog, dass er seine Frau zu Unrecht verurteilt hat, und will sich aus Verzweiflung das Leben nehmen. Jetzt gibt sich Nisa als Isabella zu erkennen und verzeiht ihrem Gatten. Batone wird begnadigt, Ormondo hingegen verdammt. Tarabotto (Peter Brooks) hat Isabella (Rebecca Hardwick) bei sich aufgenommen und gibt sie als seine Nichte Nisa aus. Das Bühnenbild von Luca Dalbosco beschränkt sich aufgrund der Möglichkeiten im Clayton Whites Hotel auf ein paar Türrahmen aus Holz, die Tarabottos Unterkunft andeuten. Im Hintergrund befindet sich ein schwarzer Eingang, der wahrscheinlich in die Eisenminen führt. Die Kostüme, für die ebenfalls Dalbosco verantwortlich zeichnet, sind recht konventionell gehalten, so dass man auf die Idee kommen könnte, die Inszenierung wolle die Geschichte relativ nah am Original erzählen. Ella Marchment scheint bei ihrer Regie der Vorlage allerdings nicht ganz zu trauen, und deshalb fügt sie unnötige und teilweise recht platte Ideen ein. Die Ouvertüre inszeniert Marchment als Alptraum Isabellas. Zwar ist der Anfang noch nachvollziehbar und gibt Einblicke in die Vorgeschichte. So sieht man Isabella zunächst zwischen zwei Türrahmen, in denen Ormondo und Batone stehen. Es lässt sich erahnen, dass Isabella Ormondo hier zurückweist, was dazu führt, dass Ormondo versucht, sie mit Batones Hilfe zu töten. So landet sie schließlich bei Tarabotto. Warum er sie allerdings mit einem grünen Schleier schmückt, bleibt unklar. Begehrt er sie etwa selbst, obwohl sie viel zu jung für ihn ist? Jedenfalls weist Isabella ihn in seine Schranken und zeigt ihm ein Portrait ihres geliebten Bertrando, der kurz darauf auch auf der Bühne auftaucht und heftigen Sex mit ihr hat. Beim nächsten Auftritt ist Isabella dann schon hochschwanger und bringt auf der Bühne ein Baby zur Welt, das sich anschließend als Ormondo entpuppt. Auch wenn ein Teil des Publikums dieses Spektakel lustig findet, wird der Klamauk hier arg übertrieben. Fragwürdige homoerotische Beziehungen zwischen Tarabotto (Peter Brooks, links) und Batone (Thomas D Hopkinson, rechts) Verschenkt wird szenisch auch der musikalische Höhepunkt der Farsa, das Buffo-Duett zwischen Batone und Tarabotto, "Va taluno mormorando", in dem die beiden sich gegenseitig zu überlisten versuchen und jeder dabei die Motive des anderen ergründen will. Besondere Komik besitzt das Duett eigentlich, weil Batone zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon beschlossen hat, Isabella nicht Ormondo auszuliefern, sondern dem Herzog alles zu erzählen, was Tarabotto natürlich nicht weiß, so dass dieser meint, Isabella vor Batone schützen zu müssen. Statt die beiden sich gegenseitig belauern zu lassen, lässt Marchment aber homoerotische Gefühle zwischen ihnen aufkeimen, was in dieser Szene überhaupt keinen Sinn macht. Wenn dann Batone seine Gefühlswallungen in der Hose auch noch mit kaltem Wasser abkühlen muss, ist die Grenze des guten Geschmacks endgültig überschritten. Auch beim glücklichen Ende lässt Marchment Batone verliebt Tarabottos Hand ergreifen. Dabei besitzt Thomas D Hopkinson als Batone mit seinem dunklen Bass hervorragende Buffo-Qualitäten und beherrscht den Parlando-Ton sehr gut. Komik vermag er auch so durch sein Spiel zu erzeugen. Da sind solche Regieeinfälle eher kontraproduktiv. Peter Brooks verfügt als Tarabotto noch über einen sehr jugendlichen und frischen Bariton, der für die Partie noch etwas reifen muss. Darstellerisch hat er aber bereits das Zeug zu einem guten Buffo-Komödianten. Glückliches Ende für Isabella (Rebecca Hardwick) und Bertrando (Huw Ynyr, rechts) (links im Hintergrund: Tarabotto (Peter Brooks)) Henry Grant Kerswell hat als Bösewicht Ormondo zwar eine sehr einschüchternde Erscheinung, wird der Bedrohlichkeit dieses Charakters stimmlich allerdings nicht gerecht. Sein Bass poltert in den Tiefen recht laut und ein wenig unkontrolliert und klingt in den Höhen sehr rau. Mit Mimik und Gestik macht er aber glaubhaft deutlich, dass man sich mit diesem Bösewicht nicht anlegen sollte. Batones Angst vor ihm ist also gut nachvollziehbar. Wenn Ormondo am Ende der Oper in die Eisenmine gesperrt wird und der Eingang mit Balken verriegelt wird, wird auch ein Schild mit einem Totenkopf angebracht, um vor der dahinter liegenden Gefahr zu warnen. Die Partie des Bertrando enthält vor allem in der Auftrittskavatine musikalisch einige Schwierigkeiten, die den jungen Huw Ynyr stimmlich an seine Grenzen bringen. Ansonsten besitzt sein Tenor eine sehr schöne Farbe, die vor allem im großen Terzett mit Isabella und Tarabotto zum Ausdruck kommt, wenn Bertrando sich über seine Gefühle für die schöne Unbekannte im Unklaren ist. Auch im großen Finale gelingt es ihm stimmlich überzeugend, über den Bösewicht Ormondo zu triumphieren. Rebecca Hardwick hat als Isabella mit ihrem Sopran einige kleinere Probleme in den schnellen Läufen, zumal ihre Stimme auch ein bisschen belegt zu sein scheint. Darstellerisch überzeugt sie mit großer Dramatik. Giorgio D'Alonzo gibt als musikalischer Begleiter am Klavier sein Bestes, kann aber den Rossini-Klang eines kompletten Orchesters weder ersetzen noch das Fehlen der übrigen Instrumente vergessen lassen. Das Publikum scheint sich an den fragwürdigen Regieeinfällen nicht zu stören und spendet großen Beifall.
FAZIT Nicht jede kurze Oper ist für eine Kammerfassung im Clayton Whites Hotel geeignet. Während die musikalischen Umsetzungen bei Bizets Doctor Miracle und Viardots Cendrillon in diesem Jahr relativ gut funktionieren, geht das Konzept bei Rossinis L'inganno felice auch wegen der fragwürdigen Regieeinfälle nicht ganz auf.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2019 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGiorgio D'Alonzo Regie Bühne und Kostüme Licht
SolistenIsabella (Nisa) Duca Bertrando Batone Tarabotto Ormondo
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- Fine -