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Rossini in Wildbad
Mini Festival
09.09.2020 - 13.09.2020


L'isola disabitata (Die einsame Insel)

Salonoper in einem Akt
Libretto von Pietro Metastasio
Musik von Manuel del Pópulo Vicente García

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 30' (keine Pause)

Premiere auf der Wildline auf dem Sommerberg am 11. September 2020

 

 

 

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Liebeswirrungen auf der Hängebrücke

Von Thomas Molke / Fotos: © Rossini in Wildbad

In Krakau hat Festspiel-Intendant Jochen Schönleber im letzten Jahr mit dem Verein Passionart einen Kooperationspartner für das Belcanto Opera Festival in Bad Wildbad gefunden, was eigentlich für beide Beteiligten eine "Win-Win"-Situation darstellt. Während der Verein beim Aufbau eines Opernfestivals in Polen unterstützt wird, werden dort Produktionen erarbeitet, die dann als Gastspiel nach Bad Wildbad kommen. Das hat im letzten Jahr mit Rossinis Tancredi und Manuel Garcías Salonoper I tre gobbi auch wunderbar funktioniert (siehe auch unsere Rezensionen zu Tancredi und I tre gobbi). Doch dann kam Corona und brachte das Kulturleben auf der ganzen Welt nahezu zum Erliegen. Das 32. Belcanto Opera Festival in Bad Wildbad musste im April 2020 abgesagt bzw. auf 2021 verschoben werden, und auch in Krakau konnten weder die Premiere von Rossinis Elisabetta d'Inghilterra noch Manuel Garcías Salonoper L'isola disabitata stattfinden. Doch Schönleber ließ sich nicht unterkriegen und plante, im Herbst zumindest Garcías Salonoper in Krakau noch herauszubringen und dann im Rahmen eines neu angesetzten Mini-Festivals in Bad Wildbad zu spielen. Wegen weiterer COVID-19-Fälle in Krakau konnte er mit seinem Team aber gar nicht einreisen, und so entwickelte sich die ursprünglich als Gastspiel angedachte Produktion zu einer echten Premiere in Bad Wildbad. Gespielt wird aber nicht im Königlichen Kurtheater, sondern unter freiem Himmel in luftigen Höhen, auf der Wildline-Hängebrücke auf dem Sommerberg. So kann man immerhin knapp 70 Zuschauern unter Einhaltung der derzeit geltenden Corona-Bedingungen dieses Kleinod präsentieren.

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Die Wildline-Hängebrücke als malerische Kulisse für Garcías Oper

Manuel del Pópulo Vicente García ist in Bad Wildbad schon lange kein Unbekannter mehr. Von seinen Salonopern, die wegen der kleinen musikalischen Besetzung für das Königliche Kurtheater prädestiniert sind, waren bereits 2015 und 2017 Le cinesi und 2019 I tre gobbi zu erleben. Für ein Rossini-Festival ist García aber auch vor allem als einer der berühmtesten Tenöre seiner Zeit interessant. So sang er in der Uraufführung von Rossinis Il barbiere di Siviglia in Rom die Partie des Conte Almaviva mit so riesigem Erfolg, dass er sogar durchsetzen konnte, dass die Oper zunächst unter dem Titel Almaviva o sia L'inutile precauzione lief. Auch als Vater von Maria Malibran, die sich ebenfalls zu einer großartigen Rossini-Interpretin entwickelte, und Pauline Viardot-García, die er ebenso unterrichtete wie den berühmten Tenor Adolphe Nourrit, ist er im Gedächtnis geblieben. Seine wohl bedeutendste Oper Il Califfo di Bagdad, mit der García 1813 in Neapel sein erfolgreiches Debüt als Opernkomponist feierte, soll Rossini derart begeistert haben, das er für den Barbiere eine Melodie aus Garcías Oper für den Auftritt der Soldaten in Bartolos Haus übernahm. Als Garcías Sänger-Karriere sich dem Ende neigte, betätigte er sich überwiegend als Gesangspädagoge in Paris. In dieser Zeit entstand auch 1831 zum Zweck privater Aufführungen durch seine Belcanto-Schüler L'isola disabitata.

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Costanza (Susanna Wolff, links) beklagt vor ihrer Schwester Silvia (Francesca Di Sauro, rechts) die Treulosigkeit der Männer.

Das Libretto stammt von Pietro Metastasio, auf dessen Operntexten ein großer Teil der Musiktradition des italienischen Spätbarock bis hin zur frühen Wiener Klassik basiert. Auch L'isola disabitata wurde von 1753 (Giuseppe Bono) bis 1831 (Manuel García) häufig vertont. In einem Brief an den Grafen Wratislaw schrieb Metastasio 1768, dass es sich bei diesem Text um sein Lieblingsstück handle. Betrachtet man die verworrene Handlung mit ihren zahlreichen Logiklöchern, ist das eigentlich schwer nachzuvollziehen. Costanza lebt mit ihrer jüngeren Schwester Silvia auf einer einsamen Insel, nachdem sie 13 Jahre zuvor dort von ihrem Gatten Gernando zurückgelassen worden ist. Costanza hält Gernando für einen Verräter und will ihr grausames Schicksal als Inschrift in einem Stein verewigen, während sich Silvia auf der einsamen Insel wohlfühlt. Doch Gernando hat Costanza nicht vergessen. Er wurde nämlich damals von Piraten entführt. Nun ist er mit seinem Gefährten Enrico auf die Insel zurückgekehrt. Während Silvia auf Enrico trifft und erkennt, dass Männer keineswegs schreckliche und gefährliche Wesen sind, für die sie sie immer gehalten hat, findet Gernando die begonnene Inschrift und glaubt, dass Costanza gestorben sei. Verzweifelt will er bis an sein Lebensende auf der Insel verweilen. Enrico plant daher, ihn zu seinem eigenen Schutz wieder auf das Schiff bringen zu lassen. Als Gernando Costanza begegnet, fällt sie in Ohnmacht. Gernando will Wasser holen und wird von seinen eigenen Leuten auf das Schiff entführt. Costanza fürchtet, erneut verlassen worden zu sein, doch Enrico klärt die Verwirrung auf. Costanza und Gernando freuen sich über das Ende ihrer Qualen, und Silvia und Enrico gestehen einander ihre Liebe.

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Enrico (Lorenzo Liberali) beruhigt die verzweifelte Costanza (Susanna Wolff).

Schönleber inszeniert die Geschichte in einer gigantischen Naturkulisse auf der Wildline-Hängebrücke. Die Zuschauer sitzen auf dem schräg emporführenden Pfad am Nordeingang der Brücke, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf einen Teil der Brücke mit den hohen Bäumen davor und dahinter hat. Das Klavier befindet sich hinter dem Eingangstor und ist nur zu hören. Ein riesiges Plakat, das an dem Geländer der Brücke angebracht ist, fungiert als Stein, auf dem Costanza mit einem Farbtopf und Pinsel an der Inschrift arbeitet. Ein niedliches Stofftier stellt wohl unter anderem den Hirschen dar, über dessen Auftauchen sich Silvia zu Beginn der Oper freut. In diesem Ambiente lässt Schönleber die Geschichte spielen und fügt kleine ironische Seitenhiebe in Form der Schauspielerin Julia Seele ein, die zunächst als Erzählerin, dann als Pirat, Seemann und Frau agiert. Wenn sie während der Ouvertüre mit großer Theatralik die folgende Geschichte erzählt, meint man herauszuhören, dass die Handlung nicht wirklich ernst zu nehmen ist. Dennoch bleibt man zunächst sehr nah am Stück. Costanza und Gernando betreten als verliebtes Paar die Brücke. Dabei trägt Costanza einen Strauß Rosen in der Hand. Als sie plötzlich ohnmächtig wird, tritt Seele als Pirat auf und führt Gernando von der Bühne. Beim glücklichen Finale taucht sie dann als Frau auf und scheint, die beiden Paare ein bisschen durcheinander bringen zu wollen. Costanza stellt sich ihr zwar jeweils entschlossen entgegen. Aber Gernando wirkt nicht so standfest. 13 Jahre sind ja auch wirklich eine lange Zeit, die er angeblich mit der verzweifelten Suche nach seiner Frau verbracht haben soll.

Die Akustik auf der Hängebrücke ist ausgezeichnet. Wenn die Solisten, die mit Mikroports ausgestattet sind, stimmlich verstärkt sind, merkt man bei der Aufführung nichts davon. Susanna Wolff gestaltet die Partie der leidenden Costanza mit leuchtendem Sopran. Dabei gelingt es ihr, in der ersten Szene Costanzas Leiden nuancenreich auszuschmücken und in der Modulation zu variieren. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihre große Arie kurz vor Ende der Oper, wenn sie erkennt, dass sie Gernando zu Unrecht für einen Verräter gehalten hat und nun von seiner Treue überzeugt ist. Francesca Di Sauro punktet als jüngere Schwester Silvia mit einem vollen Mezzosopran. Sehr mädchenhaft unschuldig kommt sie in ihrer ersten Arie daher, wenn sie ihrer Freude über das Auftauchen des von ihr gepflegten Tiers Ausdruck verleiht. Große Begeisterung löst auch ihre Arie über ihre Gefühle aus, die sie für den erstmals erblickten Enrico hegt, auch wenn man nicht ganz nachvollziehen kann, wieso sie noch niemals einem Mann begegnet sein soll, da sie ja eigentlich zumindest ihren Schwager gekannt haben muss, wenn sie mit Costanza und ihm vor 13 Jahren auf die Insel gekommen ist.. Mit Wolff findet Di Sauro im Duett zu einer betörenden Innigkeit, während sie mit Lorenzo Liberali als Enrico im zweiten Duett ein herrlich leichtes Buffo-Paar abgibt. Remy Burnens verfügt als Gernando über einen weichen, geschmeidigen Tenor, der in den Höhen bisweilen ein bisschen angestrengt klingt. Liberali wirkt beim ersten Auftritt mit Burnens im Duett noch ein wenig blass, gewinnt aber im weiteren Verlauf des Abends an Kontur und überzeugt durch komödiantisches Spiel und beweglichen Bariton. Andrés Jesús Gallucci begleitet die Aufführung mit Fingerspitzengefühl am Klavier, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Rossini in Wildbad trotzt der Corona-Pandemie mit einer bezaubernden Aufführung in einer pittoresken Naturkulisse. Schade ist, dass diese Produktion nur insgesamt zweimal zu erleben ist. Aber ab Ende September soll es für alle, die diese Produktion leider verpasst haben, die Möglichkeit eines Internet-Streams auf Vimeo geben.

Weitere Informationen zum Mini Festival Rossini in Wildbad 2020



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Produktionsteam

Musikalische Leitung / Klavier
Andrés Jesús Gallucci

Regie, Bühnenbild und Kostüme
Jochen Schönleber

Bühnenbildidee
Julius Müller

Mitarbeit Kostüme
Anna Plummer

Licht
Michael Feichtmeier

 

Solisten

Costanza, Gemahlin Gernandos
Susanna Wolff

Silvia, ihre jüngere Schwester
Francesca Di Sauro

Gernando, Gemahl Costanzas
Remy Burnens

Enrico, Gefährte Gernandos
Lorenzo Liberali

Erzählerin / Die Frau / Der Seemann
Julia Seele

 


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