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Rossini Opera Festival

Pesaro
09.08.2021 - 22.08.2021


Il signor Bruschino

Farsa giocosa in einem Akt
Libretto von Giuseppe Foppa
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 30' (keine Pause)

Koproduktion mit dem Royal Opera House Muscat und dem Teatro Comunale di Bologna

Vor-Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 7. August 2021


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Leinen los für Signor Bruschino

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Antonio Cera, Impresario am Teatro San Moisè in Venedig, hat in der Karriere des jungen Rossini keine unbedeutende Rolle gespielt. Nachdem er ihm 1810 die Möglichkeit gegeben hatte, mit La cambiale di matrimonio an seinem Haus zu debütieren, und den bis dahin noch unbekannten Komponisten auch für eine zweite Farsa, L'inganno felice, 1811 engagierte, wurde letzteres Werk ein so großer Erfolg, dass Rossini direkt einen Vertrag für drei weitere Farse erhielt. Bei der Zusage hatte Rossini allerdings nicht bedacht, dass zeitgleich von anderen Bühnen finanziell wesentlich lukrativere Angebote kamen. Um auch die anderen Angebote annehmen zu können, komponierte er die restlichen drei Farse quasi nebenbei, was dem damaligen Erfolg und auch seiner Sympathie am Teatro San Moisè nicht gerade zuträglich war. So war die letzte dieser drei Farse, Il signor Bruschino, ein absoluter Flop und wurde direkt nach der Premiere am 27. Januar 1813 abgesetzt und gegen Stefano Pavesis Ser Marcantonio, einem Vorläufer von Donizettis berühmtem Don Pasquale, ausgetauscht. Ob der Misserfolg der Produktion nun den musikalischen Qualitäten anzulasten war, da Rossini sich mehr auf seine zahlreichen anderen Projekte konzentrierte, wird ebenso diskutiert wie die Frage, ob eine vom damaligen Impresario Cera eingefädelte Intrige dafür sorgte, die Presse und das Publikum des San Moisè gegen das Stück aufzubringen. Angeblich sollen die Violinisten es als Affront betrachtet haben, während der Ouvertüre mit ihrem Bogen auf den Notenständer klopfen zu müssen. Dabei gibt musikalisch dieser Einfall dem Werk eine neue und witzige Nuance. Auch wird gemutmaßt, dass das Libretto zu Il signor Bruschino Rossini bereits für den ersten dieser drei Aufträge vorgelegt wurde und er es abgelehnt haben soll, weil er es mit der damaligen Besetzung als nicht umsetzbar erachtete. Wenn er dann ein Jahr später aufgrund noch größeren Zeitmangels doch auf diesen Text zurückgegriffen hätte, wäre das einem Erfolg dieses Werkes sicherlich auch nicht zuträglich gewesen.

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Gaudenzio (Giorgio Caoduro, rechts) will sein Mündel mit dem Sohn des Signor Bruschino (Pietro Spagnoli, links) verheiraten.

Die Geschichte spielt in dem nicht näher definierten Schloss des alten Gaudenzio. Dieser lebt hier mit seinem Mündel Sofia und möchte sie mit dem Sohn eines gewissen Signor Bruschino verheiraten, den er allerdings noch nie gesehen hat. Sofia liebt jedoch den jungen Florville, den Sohn von Gaudenzios Erzfeind, den Gaudenzio ebenfalls nicht kennt. Florville will die Hochzeit um jeden Preis verhindern. Zugute kommt ihm dabei, dass der junge Bruschino wohl einen etwas zweifelhaften Lebenswandel hat und auf dem Weg zu Gaudenzio in der Schenke des Gastwirtes Filiberto so hohe Schulden gemacht hat, dass er dort nun hinter Schloss und Riegel gehalten wird. Florville gibt sich Filiberto gegenüber als Bruschinos Cousin aus und zahlt einen Teil der Schulden mit der Auflage, den jungen Bruschino auf keinen Fall freizulassen. Des Weiteren erhält er von Filiberto ein Empfehlungsschreiben des jungen Bruschino, mit dem er sich Gaudenzio gegenüber als Bruschinos Sohn ausgeben kann. So hofft er, Sofia schließlich heiraten zu können. Allerdings taucht der alte Bruschino auf, der natürlich bestreitet, dass Florville sein Sohn sei, was für eine große Verwirrung sorgt. Da Gaudenzio dem alten Bruschino nicht glaubt, weil scheinbar mehrere Beweise dafür sprechen, dass der alte Bruschino so wütend auf seinen Sohn ist, dass er ihn verleugnet, beschließt der alte Bruschino, sich auf die Suche nach seinem Sohn zu machen, den er natürlich in der Schenke hinter Schloss und Riegel findet. Als er aber erfährt, dass der falsche Bruschino, Florville, der Sohn von Gaudenzios Erzfeind ist, spielt er die Maskerade mit, um sich an Gaudenzio für dessen Misstrauen zu rächen. So werden Sofia und Florville vermählt, bevor der richtige junge Bruschino auftritt und Gaudenzio erkennen muss, dass sein Mündel den Sohn seines Erzfeindes geheiratet hat.

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Florville (Jack Swanson, rechts) gibt sich Gaudenzio (Giorgio Caoduro, vorne links) gegenüber als Bruschinos Sohn aus (hinten: Marianna (Chiara Tirotta)).

Nachdem bei der letzten Produktion dieser Farsa in Pesaro 2012 die Theatergruppe Teatro Sotterraneo die Handlung in einen Freizeitpark à la Disney-Land verlegt hat (siehe auch unsere Rezension), gehen Barbe & Doucet, hinter denen sich der Regisseur Renaud Doucet und der Bühnen- und Kostümbildner André Barbe verbergen, einen Weg, der ebenfalls nicht viel schlüssiger ist. Die Geschichte spielt auf einem Segelboot, das den Namen "Il Mio Castello" trägt, der im Stück als Gag aufleuchtet, wenn das Wort "castello" fällt. Das Bühnenbild mit dem Hafen, in dem das Boot liegt, und dem kleinen Beiboot auf der rechten Seite, ist zwar hübsch anzusehen, trägt zur Handlung der Oper aber nichts bei. Florville tritt hier in feinem Zwirn auf, den er zu Beginn ablegt und in einer Holztonne im Hafen versteckt, um sich zunächst in einen Seemann zu verwandeln, der sich scheinbar unter die Crew mischen will. Als dann sein Plan reift, die Rolle des jungen Bruschino zu übernehmen, schlüpft er erneut in andere Kleider. Dass er damit den alten Gaudenzio überzeugen kann, Bruschinos Sohn zu sein, ist dramaturgisch natürlich genauso unglaubwürdig wie die Tatsache, dass der alte Bruschino am Ende das falsche Spiel unterstützt, da er durch ein Selbstgespräch Florvilles erfahren hat, wer dieser wirklich ist. Barbe & Doucet verfolgen diesen Weg aber konsequent. So besteht Sofias Schleier bei der Hochzeit aus einem Fischernetz und der Brautstrauß, den sie am Ende ihrem Dienstmädchen Marianna zuwirft ist ein Bouquet aus Fischen. Unklar bleibt, welchen Vertrag Florville am Ende der Oper zerreißt, bevor er sich mit "Il Mio Castello" und seiner frisch angetrauten Braut wahrscheinlich auf hohe See begibt.

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Ob der Schwindel auffällt? (vorne rechts: Sofia (Marina Monzó) und Florville (Jack Swanson), links oben: Filiberto (Gianluca Margheri), daneben Bruschino padre (Pietro Spagnioli), in der Mitte: Commissario (Enrico Iviglia))

Auch wenn das Konzept nicht wirklich aufgeht überzeugt das Ensemble darstellerisch durch großen Spielwitz und auch musikalisch auf ganzer Ebene. Obwohl das Stück relativ unbekannt ist, hat es musikalisch einen gewissen Wiedererkennungswert, was nicht weiter verwundert, da Rossini Teile der Musik in anderen Werken  erneut verwendet hat, nachdem sein Bruschino ja bereits nach der Premiere abgesetzt worden ist. Jack Swanson verfügt als Florville über einen weichen Tenor mit großer Strahlkraft in den Höhen. In dem kurzen Duett mit Marina Monzó zu Beginn der Oper, "Quant' è dolce a un' alma amante", in der die beiden sich ihre innige Liebe gestehen, überzeugt er als jugendlicher Liebhaber mit tenoralem Schmelz. Im folgenden Duett mit Gianluca Margheri als Filiberto zeigt er sich durchaus gerissen und spielt im weiteren Verlauf seine Rolle als falscher Bruschino figlio mit großem, komischem Talent. Marina Monzó begeistert als Sofia mit sauberen Koloraturen in ihrer Arie, in der sie den alten Bruschino zu überreden versucht, ihr den falschen Sohn als Gatten zu geben. Im Duett mit Giorgio Caoduro als ihrem Vormund mimt sie das unschuldige Mündel mit kokettem Spiel, das nur zu gern in die Hochzeit mit dem falschen Bruschino einwilligen will. Mit welcher Sicherheit sie dabei auf ihren hochhackigen Schuhen das wackelige Beiboot besteigt, ist ebenfalls beachtlich. Im Duett mit Swanson finden die beiden Liebenden auch stimmlich zu einer betörenden Innigkeit. Gianluca Margheri gestaltet die Partie des Gastwirtes Filiberto mit profundem Bass-Bariton und sorgt mit seiner falschen Annahme, dass Florville Bruschinos Cousin ist, für komische Momente.

Auch die beiden großen Buffo-Partien sind wunderbar besetzt. Da ist zunächst Giorgio Caoduro als Gaudenzio zu nennen, der als eine Art Kapitän auftritt. Mit beweglichem Bariton präsentiert er seine Auftrittskavatine, in der er hofft, für sein Mündel mit dem jungen Bruschino eine lukrative Partie gefunden zu haben. Mit großem Spielwitz gestaltet er auch die Verwirrung darüber, dass der alte Bruschino seinen vermeintlichen Sohn nicht als diesen anerkennt. Pietro Spagnoli ist in Pesaro schon ein alter Bekannter, der bereits 1997 in der damaligen Produktion von Il signor Bruschino aufgetreten ist, damals allerdings in der Partie des Gaudenzio. In diesem Jahr hat er die Titelpartie übernommen und begeistert durch großartige Komik, wenn er ständig die unerträgliche Hitze beklagt oder sein Rheuma ihn nahezu bewegungsunfähig macht. Mit großem Spielwitz löst er schließlich das Geheimnis um den falschen Bruschino und punktet mit herrlicher Komik, wenn er Gaudenzio den falschen Bruschino schließlich nach vielem Hin und Her doch als seinen Sohn präsentiert. Auch die kleinen Rollen sind mit Chiara Tirotta als Marianna, Manuel Amati als betrunkenem Bruschino figlio und Enrico Iviglia als leicht verwirrtem Commissario gut besetzt. Das Orchester Filarmonica Gioachino Rossini spielt wie schon im Vorjahr aus dem Parkett, weshalb das Publikum nur aus den Balkonen die Vorstellung verfolgen kann. Michele Spotti führt die Musiker*innen mit leichter Hand durch die Partitur.

FAZIT

Das Stück ist dramaturgisch kein großer Wurf, was eine schlüssige Inszenierung sicherlich erschwert. Musikalisch sind keine Abstriche zu machen.

Weitere Rezensionen zu dem Rossini Opera Festival 2021



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michele Spotti

Regie, Bühnenbild und Kostüme
Barbe & Doucet

Licht
Guy Simard



Filarmonica Gioachino Rossini


Solisten

Gaudenzio
Giorgio Caoduro

Sofia
Marina Monzó

Bruschino padre
Pietro Spagnoli

Bruschino figlio
Manuel Amati

Florville
Jack Swanson

Commissario
Enrico Iviglia

Filiberto
Gianluca Margheri

Marianna
Chiara Tirotta

 


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