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Leinen los für Signor BruschinoVon Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)
Antonio Cera, Impresario am Teatro San Moisè in Venedig, hat in der Karriere des
jungen Rossini keine unbedeutende Rolle gespielt.
Gaudenzio (Giorgio Caoduro, rechts) will sein
Mündel mit dem Sohn des Signor Bruschino (Pietro Spagnoli, links) verheiraten.
Die Geschichte spielt in dem nicht näher definierten Schloss des alten Gaudenzio.
Dieser lebt hier mit seinem Mündel Sofia und möchte sie mit dem Sohn eines
gewissen Signor Bruschino verheiraten, den er allerdings noch nie gesehen hat.
Sofia liebt jedoch den jungen Florville, den Sohn von Gaudenzios Erzfeind, den
Gaudenzio ebenfalls nicht kennt. Florville will die Hochzeit um jeden Preis
verhindern. Zugute kommt ihm dabei, dass der junge Bruschino wohl einen etwas
zweifelhaften Lebenswandel hat und auf dem Weg zu Gaudenzio in der Schenke des
Gastwirtes Filiberto so hohe Schulden gemacht hat, dass er dort nun hinter
Schloss und Riegel gehalten wird. Florville gibt sich Filiberto gegenüber als
Bruschinos Cousin aus und zahlt einen Teil der Schulden mit der Auflage, den
jungen Bruschino auf keinen Fall freizulassen. Des Weiteren erhält er von
Filiberto ein Empfehlungsschreiben des jungen Bruschino, mit dem er sich
Gaudenzio gegenüber als Bruschinos Sohn ausgeben kann. So hofft er, Sofia
schließlich heiraten zu können. Allerdings taucht der alte Bruschino auf, der
natürlich bestreitet, dass Florville sein Sohn sei, was für eine große
Verwirrung sorgt. Da Gaudenzio dem alten Bruschino nicht glaubt, weil scheinbar
mehrere Beweise dafür sprechen, dass der alte Bruschino so wütend auf seinen
Sohn ist, dass er ihn verleugnet, beschließt der alte Bruschino, sich auf die
Suche nach seinem Sohn zu machen, den er natürlich in der Schenke hinter Schloss
und Riegel findet. Als er aber erfährt, dass der falsche Bruschino, Florville,
der Sohn von Gaudenzios Erzfeind ist, spielt er die Maskerade mit, um sich an
Gaudenzio für dessen Misstrauen zu rächen. So werden Sofia und Florville
vermählt, bevor der richtige junge Bruschino auftritt und Gaudenzio erkennen
muss, dass sein Mündel den Sohn seines Erzfeindes geheiratet hat.
Florville (Jack Swanson, rechts) gibt sich
Gaudenzio (Giorgio Caoduro, vorne links) gegenüber als Bruschinos Sohn aus
(hinten: Marianna (Chiara Tirotta)).
Nachdem bei der letzten Produktion dieser Farsa in Pesaro 2012 die Theatergruppe
Teatro Sotterraneo die Handlung in einen Freizeitpark à la Disney-Land verlegt
hat (siehe auch
unsere Rezension), gehen Barbe & Doucet, hinter denen sich der Regisseur
Renaud Doucet und der Bühnen- und Kostümbildner André Barbe verbergen, einen
Weg, der ebenfalls nicht viel schlüssiger ist. Die Geschichte spielt auf einem
Segelboot, das den Namen "Il Mio Castello" trägt, der im Stück als Gag
aufleuchtet, wenn das Wort "castello" fällt. Das Bühnenbild mit dem Hafen, in
dem das Boot liegt, und dem kleinen Beiboot auf der rechten Seite, ist zwar
hübsch anzusehen, trägt zur Handlung der Oper aber nichts bei. Florville tritt
hier in feinem Zwirn auf, den er zu Beginn ablegt und in einer Holztonne im
Hafen versteckt, um sich zunächst in einen Seemann zu verwandeln, der sich
scheinbar unter die Crew mischen will. Als dann sein Plan reift, die Rolle des
jungen Bruschino zu übernehmen, schlüpft er erneut in andere Kleider. Dass er
damit den alten Gaudenzio überzeugen kann, Bruschinos Sohn zu sein, ist
dramaturgisch natürlich genauso unglaubwürdig wie die Tatsache, dass der alte
Bruschino am Ende das falsche Spiel unterstützt, da er durch ein Selbstgespräch
Florvilles erfahren hat, wer dieser wirklich ist. Barbe & Doucet verfolgen
diesen Weg aber konsequent. So besteht Sofias Schleier bei der Hochzeit aus
einem Fischernetz und der Brautstrauß, den sie am Ende ihrem Dienstmädchen
Marianna zuwirft ist ein Bouquet aus Fischen. Unklar bleibt, welchen Vertrag
Florville am Ende der Oper zerreißt, bevor er sich mit "Il Mio Castello" und
seiner frisch angetrauten Braut wahrscheinlich auf hohe See begibt.
Ob der Schwindel auffällt? (vorne rechts: Sofia
(Marina Monzó) und Florville (Jack Swanson), links oben: Filiberto (Gianluca
Margheri), daneben Bruschino padre (Pietro Spagnioli), in der Mitte: Commissario
(Enrico Iviglia))
Auch wenn das Konzept nicht wirklich aufgeht überzeugt das Ensemble
darstellerisch durch großen Spielwitz und auch musikalisch auf ganzer Ebene.
Obwohl das Stück relativ unbekannt ist, hat es musikalisch einen gewissen
Wiedererkennungswert, was nicht weiter verwundert, da Rossini Teile der Musik in
anderen Werken erneut verwendet hat, nachdem sein Bruschino ja
bereits nach der Premiere abgesetzt worden ist. Jack Swanson verfügt als
Florville über einen weichen Tenor mit großer Strahlkraft in den Höhen. In dem
kurzen Duett mit Marina Monzó zu Beginn der Oper, "Quant' è dolce a un' alma
amante", in der die beiden sich ihre innige Liebe gestehen, überzeugt er als
jugendlicher Liebhaber mit tenoralem Schmelz. Im folgenden Duett mit Gianluca
Margheri als Filiberto zeigt er sich durchaus gerissen und spielt im weiteren
Verlauf seine Rolle als falscher Bruschino figlio mit großem, komischem Talent.
Marina Monzó begeistert als Sofia mit sauberen Koloraturen in ihrer Arie, in der
sie den alten Bruschino zu überreden versucht, ihr den falschen Sohn als Gatten
zu geben. Im Duett mit Giorgio Caoduro als ihrem Vormund mimt sie das
unschuldige Mündel mit kokettem Spiel, das nur zu gern in die Hochzeit mit dem
falschen Bruschino einwilligen will. Mit welcher Sicherheit sie dabei auf ihren
hochhackigen Schuhen das wackelige Beiboot besteigt, ist ebenfalls beachtlich.
Im Duett mit Swanson finden die beiden Liebenden auch stimmlich zu einer
betörenden Innigkeit. Gianluca Margheri gestaltet die Partie des Gastwirtes
Filiberto mit profundem Bass-Bariton und sorgt mit seiner falschen Annahme, dass
Florville Bruschinos Cousin ist, für komische Momente.
Auch die beiden großen Buffo-Partien sind wunderbar besetzt. Da ist zunächst
Giorgio Caoduro als Gaudenzio zu nennen, der als eine Art Kapitän auftritt. Mit
beweglichem Bariton präsentiert er seine Auftrittskavatine, in der er hofft, für
sein Mündel mit dem jungen Bruschino eine lukrative Partie gefunden zu haben.
Mit großem Spielwitz gestaltet er auch die Verwirrung darüber, dass der alte
Bruschino seinen vermeintlichen Sohn nicht als diesen anerkennt. Pietro Spagnoli
ist in Pesaro schon ein alter Bekannter, der bereits 1997 in der damaligen
Produktion von Il signor Bruschino aufgetreten ist, damals allerdings in
der Partie des Gaudenzio. In diesem Jahr hat er die Titelpartie übernommen und
begeistert durch großartige Komik, wenn er ständig die unerträgliche Hitze
beklagt oder sein Rheuma ihn nahezu bewegungsunfähig macht. Mit großem Spielwitz
löst er schließlich das Geheimnis um den falschen Bruschino und punktet mit
herrlicher Komik, wenn er Gaudenzio den falschen Bruschino schließlich nach
vielem Hin und Her doch als seinen Sohn präsentiert. Auch die kleinen Rollen
sind mit Chiara Tirotta als Marianna, Manuel Amati als betrunkenem Bruschino
figlio und Enrico Iviglia als leicht verwirrtem Commissario gut besetzt. Das
Orchester Filarmonica Gioachino Rossini spielt wie schon im Vorjahr aus dem
Parkett, weshalb das Publikum nur aus den Balkonen die Vorstellung verfolgen
kann. Michele Spotti führt die Musiker*innen mit leichter Hand durch die
Partitur.
FAZIT
Das Stück ist dramaturgisch kein großer Wurf, was eine schlüssige Inszenierung
sicherlich erschwert. Musikalisch sind keine Abstriche zu machen.
Weitere Rezensionen zu dem
Rossini Opera Festival 2021 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungMichele Spotti Regie, Bühnenbild und Kostüme Licht
Solisten
Gaudenzio
Sofia
Bruschino padre
Bruschino figlio
Florville
Commissario
Filiberto Marianna
|
- Fine -