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Wexford Festival Opera
19.10.2021 - 31.10.2021


Edmea

Oper in drei Akten
Libretto von Antonio Ghislanzoni
Musik von Alfredo Catalani

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Premiere im National Opera House in Wexford am 19. Oktober 2021



 

 

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Verkehrte Welt

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Zeitlebens war der Erfolg Alfredo Catalanis von dem Ruhm seines Kollegen Giacomo Puccini überschattet. Von seinen insgesamt sechs Opern, die er bis zu seinem frühen Tod 1893 im Alter von nur 39 Jahren hinterließ, hat heute eigentlich nur noch La Wally einen gewissen Bekanntheitsgrad, was vor allem der Arie "Ebben? Ne andrò lontana" zu verdanken ist, die unter anderem durch den französischen Spielfilm Diva die Aufmerksamkeit auf dieses ansonsten vergessene Werk lenkte. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts Arturo Toscanini mit einem weiteren engen Freund Catalanis, Giuseppe Depanis, eine Wiederbelebung der Werke des bis dahin bereits nahezu vergessenen Künstlers unternahm, richteten die beiden ihr Augenmerk nur auf die letzten beiden Werke La Wally und Loreley. Obwohl Catalanis am 27. Februar 1886 in der Mailänder Scala uraufgeführte Edmea einen Meilenstein für den Erfolg Toscaninis als Dirigent bedeutete, schenkte er dem Werk ein paar Jahre später keine Beachtung mehr. Das Wexford Festival Opera will nun Catalanis vierte Oper, die zuletzt 1989 in Lucca zu erleben war, wieder mehr ins Bewusstsein rücken und eröffnet damit die mit einem Jahr Verspätung stattfindenden Festspiele zum 70-jährigen Jubiläum. Was die Oper allerdings mit dem Motto Shakespeare in the Heart zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, basiert das Libretto doch auf dem 1876 erschienenen Stück Les Danicheff von Alexandre Dumas dem Jüngeren und Pierre Corvin.

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Edmea (Anne Sophie Duprels) und Oberto (Luciano Ganci) schwören einander ewige Liebe.

Erzählt wird die Geschichte der jungen Waisen Edmea, die im Schloss des Grafen von Leitmeritz aufwächst und sich in seinen Sohn Oberto verliebt. Da Oberto die Gefühle erwidert, der Graf die Verbindung allerdings nicht für standesgemäß hält, schickt er Oberto auf eine längere Reise und zwingt Edmea währenddessen in eine Ehe mit dem Diener Ulmo, der ebenfalls unsterblich in Edmea verliebt ist. Edmea, die Oberto ewige Treue geschworen hat, sieht keinen anderen Ausweg als den Freitod und springt in die Elbe. Sie wird allerdings von Ulmo gerettet, hat jedoch zunächst den Verstand verloren. Ulmo gibt sich als ihr Bruder aus und gelangt mit ihr zu einer Schenke, wo sich die beiden einer Schauspieltruppe anschließen, mit denen sie zum Schloss des Baron von Waldek gelangen. Dort trifft sie erneut auf Oberto, den sie zunächst aber nicht erkennt. Oberto beschließt, sie wieder auf das Schloss des Grafen zurückzubringen. Allmählich kehren dort ihre Erinnerungen zurück. Doch nachdem sie sich erneut mit Oberto ewige Liebe geschworen hat, erinnert sie sich auch wieder an die erzwungene Ehe mit Ulmo. Oberto will Ulmo daraufhin töten, doch dieser ist bereit, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, da er schmerzhaft erkennen muss, dass Edmea ihn niemals lieben wird. Der Graf hat mittlerweile ein schlechtes Gewissen und verkündet, dass er die Ehe zwischen Edmea und Ulmo hat annullieren lassen. Doch da ist es bereits zu spät. Mit einem Kuss Edmeas auf die Stirn stirbt Ulmo in der Illusion, dass die junge Frau doch Gefühle für ihn gehegt habe.

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Edmea (Anne Sophie Duprels, oben) zwischen den beiden Welten (unten: Frauenchor)

Der vorübergehende Wahnsinn der Titelfigur mag ein Hauptgrund gewesen sein, dieses Werk für das diesjährige Festival-Motto auszuwählen, da Edmea in gewisser Weise mit Shakespeares Ophelia vergleichbar ist. Beide suchen mit einem Gang ins Wasser den Freitod und verfallen dem Wahnsinn, Edmea allerdings erst, nachdem sie von Ulmo aus den Fluten der Elbe gerettet worden ist. Das Regie-Team um Julia Burbach verortet die Geschichte in Edmeas Unterbewusstsein. Das Element Wasser kommt in der Inszenierung zunächst in Form von lautstark prasselndem Regen während der Ouvertüre vor, der den Genuss von Catalanis emotionsgeladener Musik ein wenig stört. Cécile Trémolières hat einen eindrucksvollen Bühnenraum auf zwei Ebenen geschaffen, wobei der untere Raum spiegelverkehrt zum oberen Raum ist, also auf dem Kopf steht. Die obere Ebene zeigt einen großen Raum im Schloss des Grafen mit einem kleinen Nebenraum und einem riesigen Fenster im Hintergrund, das in einen blühenden Garten hinausführt und gleichzeitig die Verbindung zum spiegelverkehrten Raum darstellt. Ein großes Gemälde erinnert an Obertos bereits verstorbene Mutter, zu der Edmea ein sehr inniges Verhältnis gehabt hat. Edmea ist zunächst allein in dem oberen Raum und schaut verträumt in den Garten hinaus, während die Dienerinnen, die zu Beginn der Oper das Geschehen kommentieren in der spiegelverkehrten Welt in grünen Kostümen wie surreale Wasserwesen aus einer anderen Welt wirken. Ob man einen Kontakt zwischen den beiden Ebenen durch ein Telefon herstellen muss, das auf dem Tisch steht, ist Geschmacksache.

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Der Conte di Leitmeritz (Ivan Shcherbatykh, Mitte) zwingt Edmea (Anne Sophie Duprels) Ulmo (Leon Kim, links) zu heiraten.

Während sich Edmea und Oberto vor seiner Abreise ewige Liebe schwören, beobachtet Ulmo die ganze Zeit die Liebesszene vom benachbarten Raum aus. Man sieht, wie er leidet, weil er selbst ebenfalls unsterblich in Edmea verliebt ist. Wenn Edmea in die Elbe springt, verlässt sie den Raum durch das Fenster, um kurz darauf in der spiegelverkehrten Welt mit neuem Kostüm und neuer Frisur, die den Dienerinnen angepasst ist, wieder aufzutauchen. Nun scheint sie eins mit den Wasserwesen der anderen Welt geworden zu sein. Für den zweiten Akt wird das Bühnenbild nach hinten gefahren. Die Schenke, in der die Schauspieltruppe verweilt, und das Schloss des Barons, in dem die Truppe anschließend auftreten will, werden durch wenige Elemente mit mehreren Fadenvorhängen angedeutet, was den Bühnencharakter der Szene unterstreicht. Edmea wirkt in ihrem gelben Kleid zwischen den ansonsten recht farblos gehaltenen Kostümen wie eine Art Fremdkörper. Im dritten Akt sieht man dann zunächst nur die "verkehrte" Welt. Ein riesiger Blumenberg fungiert als eine Art Treppe zum Fenster, über das Edmea am Ende, wenn sie ihren Verstand zurückgewonnen hat, wieder in die Realität zurückkehrt. Während die übrigen Figuren noch alle wie auf einer Art Kostümball gekleidet sind, stirbt Ulmo in dieser verkehrten Welt einen bewegenden Tod. Den im Libretto vorgesehenen Kuss am Ende der Oper verweigert ihm Edmea allerdings. Stattdessen verlässt sie den Raum und taucht wieder in der "Oberwelt" auf, nun wieder in dem Kleid und mit der Frisur vom Anfang.

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Ulmo (Leon Kim, Mitte) wählt für Edmea (Anne Sophie Duprels) und Oberto (Luciano Ganci) den Freitod.

Musikalisch hat die Oper einiges zu bieten und ist in Wexford gut besetzt. Da ist zunächst Anne Sophie Duprels in der Titelpartie zu nennen. Mit leuchtendem Sopran und variabler Stimmführung lotet sie die unterschiedlichen Gemütszustände Edmeas bewegend aus und überzeugt auch darstellerisch. Mädchenhaft unschuldig wirkt sie in ihrer ersten Arie, wenn sie das Unglück, das ihr bevorsteht, noch nicht erahnt und verfällt anschließend mit großer Dramatik dem Wahnsinn, wenn sie zur Ehe mit Ulmo gezwungen wird. Im zweiten Akt wirkt Duprels nahezu geistig entrückt, bis sie erneut in Oberto ihren Geliebten wiedererkennt. Mit großer Bandbreite gestaltet sie dann die Szene im dritten Akt, in der sie allmählich ihren Verstand zurückgewinnt. Luciano Ganci verfügt als Oberto über einen höhensicheren Tenor mit großen Kraftreserven. Die beiden Duette mit Duprels im ersten Akt, wenn Edmea und Oberto voneinander Abschied nehmen, und im dritten Akt, wenn die beiden wieder zueinander finden, werden in der Interpretation von Ganci und Duprels zu weiteren musikalischen Höhepunkten des Abends. Leon Kim ist als Ulmo alles andere als der Bariton-Bösewicht. Man hat großes Mitleid mit ihm, weil seine Gefühle nicht erwidert werden, obwohl er alles für Edmea tut, letztendlich sogar für sie in den Tod geht. Seine große Abgangsarie präsentiert er emotional gebrochen mit flexibler Stimmführung. Ivan Shcherbatykh, John Molloy, Conor Prendiville und Conall O'Neill gefallen in den kleineren Partien genauso wie der von Andrew Synnott einstudierte Chor des Wexford Festival Opera. Francesco Cilluffo führt das Orchester des Wexford Festival Opera mit sicherer Hand durch die emotionsgeladene Partitur, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Ob die Oper nun wirklich zum Shakepeare-Motto dieses Festivals passt, ist sicherlich diskutabel. Ein gelungener Auftakt für das diesjährige Festival ist die Produktion aber auf jeden Fall.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Francesco Cilluffo

Inszenierung
Julia Burbach

Bühne und Kostüme
Cécile Trémolières

Licht
D. M. Wood

Chorleitung
Andrew Synnott

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

 

Solisten

Edmea
Anne Sophie Duprels

Oberto
Luciano Ganci

Ulmo
Leon Kim

Il Conte di Leitmeritz
Ivan Shcherbatykh

Il Barone di Waldek
John Molloy

Fritz, giullare
Conor Prendiville

L'oste
Conall O'Neill

 


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