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Wexford Festival Opera
19.10.2021 - 31.10.2021


Le songe d'une nuit d'été

Opéra-comique in drei Akten
Libretto von Joseph-Bernard Rosier und Adolphe de Leuven
Musik von Ambroise Thomas

In französischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere im National Opera House in Wexford am 20. Oktober 2021



 

 

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Elizabeth I. als Muse des Dichters

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Zu der Reihe der bekannteren Shakespeare-Vertonungen zählt mit Sicherheit auch Hamlet von Ambroise Thomas. Doch die 1868 uraufgeführte Oper ist nicht das einzige Werk, in dem sich Thomas mit dem großen Dichterfürsten beschäftigt hat. Bereits 18 Jahre vorher widmete er sich mit einer Opéra-comique dem Schwan von Stratford-upon-Avon, deren Titel eine Vertonung der wohl berühmtesten Komödien vermuten lässt: Le songe d'une nuit d'été. Dabei handelt es sich aber um eine fiktive Geschichte aus dem Leben des Dichterfürsten, die ihn erst zum Schreiben des Midsummernight's Dream veranlasst haben soll. Das am 20. April 1850 im Théâtre de l'Opéra-Comique in Paris uraufgeführte Werk wurde nicht nur von Hector Berlioz in höchsten Tönen gelobt. Auch die Musical Times bezeichnete die Oper noch Ende des 19. Jahrhunderts als "a little masterpiece". Daher verwundert es ein wenig, dass das Stück heute völlig in Vergessenheit geraten ist, zumal mit Filmen wie dem 1998 entstandenen Shakespeare in Love durchaus das Interesse an den sogenannten "dunklen Jahren" im Leben des Dichterfürsten geschürt worden ist. Da "Shakespeare in the Heart" das diesjährige Festival-Motto in Wexford ist, passt dieses Stück natürlich wunderbar in dieses Konzept.

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Ausgelassene Feier in der Taverne: von links: Lord Latimer (Vassily Solodkyy), Jeremy (Rory Dunne), Nelly (Kathleen Norchi), Shakespeare (Sébastien Guèze) und Falstaff (Tommaso Barea)

Die Geschichte spielt zu einer Zeit, als Shakespeare der Erfolg seiner großen Dramen ein wenig zu Kopf gestiegen ist. Er genießt es, von aller Welt gefeiert zu werden und gibt sich irdischen Ausschweifungen hin. In einer Taverne in Richmond bereitet sein Freund Falstaff die Ankunft des großen Dichters vor und verspricht Feierlichkeiten mit viel Wein und gutem Essen. Die Königin Elizabeth I. hat sich maskiert mit ihrer Hofdame Olivia ebenfalls in die Taverne begeben, um den Dichter wieder auf den rechten Weg zu bringen und in ihm die Inspiration für neue Werke zu wecken. Doch Shakespeare erscheint bereits so betrunken, dass er gar nicht mehr aufnahmefähig ist. Daher beschließt die Königin, ihn von Falstaff in den Park des Palastes bringen zu lassen. Dort will sie ihm als Fee erscheinen. Zunächst geht der Zauber auch auf. Doch dann wird Shakespeare zudringlich. Als die Königin in letzter Sekunde den Platz mit ihrer Hofdame tauscht, taucht Olivias Geliebter Lord Latimer auf, der sie sofort der Untreue bezichtigt und den Rivalen zum Duell herausfordert, in dem er Shakespeare jedoch unterliegt. Da Shakespeare fürchtet, seinen Gegner getötet zu haben, will er sich aus Verzweiflung in der Themse das Leben nehmen. Doch er wird von einigen Fischern gerettet und bewusstlos zur Königin gebracht. Diese versichert ihm nun, dass alles nur ein Traum gewesen sei, der seiner Dichterseele neue Nahrung für weitere große Werke geben sollte. Als auch der tot geglaubte Lord Latimer wieder erscheint und sich mit Olivia versöhnt, lässt sich Shakespeare überzeugen und fühlt sich nun der Arbeit an neuen Stücken gewachsen.

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Begegnung der magischen Art im königlichen Palast: Shakespeare (Sébastien Guèze) und die Königin (Hasmik Torosyan)

Die Produktion wird als "semi-stage" angekündigt, wobei man diese Bescheidenheit nicht ganz nachvollziehen kann. Was Stefania Panighini, die die Produktion eigentlich nur als Assistentin betreuen sollte, sie allerdings aufgrund der Erkrankung des ursprünglich vorgesehenen Regisseurs Walter Le Moli komplett übernommen hat, auf die Bühne bringt, hat nichts, was als lediglich "halbszenisch" bezeichnet werden kann. Gespielt wird in einem kompletten Bühnenbild mit Kostümen. Der Chor nimmt zwar im Parkett auf den Seiten Platz, was aber durchaus als Teil einer durchdachten Inszenierung verstanden werden kann. Bevor die Oper beginnt, treten die Choristen nämlich mit lautem Tamtam in feiner Abendgarderobe im Saal auf und nehmen ihre Plätze gewissermaßen als Zuschauer im Parkett ein, die Herren auf der rechten und die Damen auf der linken Seite. Dabei wird auch noch heftig mit der gegenüberliegenden Seite geflirtet. Diese Entscheidung mag getroffen worden sein, als man aufgrund der geltenden Corona-Regeln noch nicht sicher war, ob und wie man den Chor auf der Bühne platzieren konnte. Szenisch geht dieses Konzept auf. Nur musikalisch stellt die  Positionierung zumindest für die Besucher*innen, die am Rand im Parkett sitzen, eine gewisse Einschränkung dar, weil die Stimmen sich nicht so gut mischen und zumindest in der besuchten Premiere noch nicht immer genau zusammenkommen. Da überdecken die Männerstimmen auf der rechten Seite ein wenig die Frauen und die Solist*innen auf der Bühne. Aber über diese kleine Einschränkung lässt sich bei der Spielfreude der Solist*innen und dem Glanz der Musik leicht hinwegsehen.

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Nächtliches Duell im königlichen Park. von links: Shakespeare (Sébastien Guèze), Falstaff (Tommaso Barea), Jeremy (Rory Dunne) und Lord Latimer (Vassily Solodkyy)

Die Bühne wird von drei riesigen abstrakten Leinwänden beschränkt, die für das Wirtshaus im ersten Akt einen passenden Hintergrund bilden. Die Taverne ist mit zahlreichen Bänken und Tischen recht liebevoll und zeitgemäß ausgestattet. Zur Ouvertüre, die mit dem leichten Flirren der Streicher Assoziationen an die Feen im Sommernachtstraum weckt, treten die Solist*innen auf, um in ihre Rollen zu schlüpfen. Shakespeare und Latimer trainieren bereits ohne Waffen das im dritten Akt stattfindende Duell, und Falstaff kommt so spät, dass die anderen bereits in Sorge sind, dass die Vorstellung nicht mehr rechtzeitig beginnen könne. Dann ziehen sich alle mit ihren Kostümen zurück, und die Geschichte beginnt. Im zweiten Akt sind die Tische und Bänke verschwunden. Ein letzter Krug muss noch von der Bühne entfernt werden, während eine große grüne Wiese auf der Bühne ausgerollt wird. Im Hintergrund sind mehrere schwarze Ständer mit kleinen Lichtern aufgestellt, die in der Szene, in der sich die Königin als Fee ausgibt, magisch zu leuchten beginnen. Im dritten Akt wird diese Wiese dann von einem roten Tuch bedeckt, und ein riesiger Thron wird aus dem Schnürboden herabgefahren, in dem Elizabeth zunächst etwas verloren wirkt, den sie dann aber sehr majestätisch ausfüllt.

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Falstaff (Tommaso Barea) bei der Königin (Hasmik Torosyan, links) und ihrer Hofdame Olivia (Valentina Mastrangelo)

Musikalisch ist es wirklich schade, dass dieses Werk heute nahezu vergessen ist, da es zahlreiche Glanzpunkte enthält. Da sind zunächst die äußerst komischen Szenen mit Falstaff zu nennen. Tommaso Barea verzichtet optisch als Falstaff zwar auf den dicken Bauch, füllt die Rolle jedoch mit großartigem Spielwitz und kräftigem Bariton aus. Wenn er zu Beginn der Oper den Wirt anweist, alles für die Ankunft des großen Dichters Shakespeare vorzubereiten, wirkt er absolut pompös und autoritär. Seine Selbstverliebtheit unterstreicht auch das heftige Flirten mit der Wirtin Nelly und den beiden maskierten Damen, die er zunächst für die Wirtstöchter hält. Das folgende Terzett mit Hasmik Torosyan als Elizabeth I. und Valentina Mastrangelo als Olivia, in dem die beiden Frauen ihren Spaß mit Falstaff treiben, ist ein Glanzpunkt der Inszenierung. Torosyan begeistert als Königin mit strahlenden Koloraturen und flexibler Stimmführung. Großartig spielt sie ihren inneren Kampf zwischen Begeisterung für den Dichter und Wahrung der inneren Würde aus. Auch ihre große Szene im dritten Akt, wenn sie zunächst wie ein kleines ängstliches Mädchen in den Thron kriecht und anschließend majestätisch von ihm Besitz ergreift, wird von Torosyan großartig umgesetzt. Mastrangelo punktet als Olivia mit sauberem Sopran und spielt die ständige Sorge um ihren eifersüchtigen Geliebten Lord Latimer großartig aus.

Vassily Solodkyy stattet die Partie des Lord Latimer mit höhensicherem Tenor aus und überzeugt auch darstellerisch als leidender Liebhaber. Sébastian Guèze gibt den Dichterfürsten Shakespeare optisch als regelrechten Draufgänger und punktet mit einem kräftigen Tenor. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist sein Duett mit der Königin im zweiten Akt, wenn er sie zunächst für eine Fee hält, nach der Auseinandersetzung mit Latimer aber erkennt, dass es sich dabei wohl um die Königin gehandelt hat, was ein weiterer Grund dafür ist, sich in seiner Verzweiflung in die Themse zu stürzen. Rory Dunne und Kathleen Norchi, beides Teilnehmer der Wexford Factory, überzeugen in den kleineren Rollen des Jeremy und der Nelly, wobei bei Dunne Erinnerungen an seine Darstellung des Falstaff in den Falstaff Chronicles aus der gestreamten Produktion der Factory aus dem letzten Jahr wach werden. Guillaume Tourniaire führt das Orchester des Wexford Festival Opera mit sicherer Hand durch die romantisch klingende Partitur, so dass es für alle Beteiligten verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Nach La cour de Célimène 2011 und Le songe d'une nuit d'été in diesem Jahr hat man das Bedürfnis, mehr Opern von Ambroise Thomas dem Vergessen zu entreißen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Guillaume Tourniaire

Inszenierung
Stefania Panighini

Licht
D. M. Wood

Chor
Andrew Synnott

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

 

Solisten

Elizabeth I.
Hasmik Torosyan

Olivia
Valentina Mastrangelo

Shakespeare
Sébastien Guèze

Falstaff
Tommaso Barea

Lord Latimer
Vassily Solodkyy

Jeremy
Rory Dunne

Nelly
Kathleen Norchi
 

 


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