Von Thomas Molke

Zum mittlerweile dritten Mal findet wenige Tage nach dem Ende der Bayreuther Wagner Festspiele das Festival Bayreuth Baroque statt. Während die Corona-Pandemie 2020 einen Großteil des Kulturbetriebs in die Knie gezwungen hat, ist es Max Emanuel Cencic gelungen, als künstlerischer Leiter ein neues Festival in der "Wagner"-Stadt zu etablieren. Natürlich findet dieses Barock-Festival nicht auf dem Grünen Hügel statt, sondern konzentriert sich auf fünf Spielorte rund um das Markgräfliche Opernhaus. Das geschichtsträchtige Haus, das Wilhelmine von Bayreuth 1748 anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter errichten ließ, bietet das passende Ambiente, Opern zu präsentieren, die seit 300 Jahren nie oder äußerst selten gespielt wurden. Auch in diesem Jahr hat Cencic für elf Tage ein Programm mit einer szenischen, zwei konzertanten Opern und zahlreichen Konzerten geschnürt, um Barockfans aus der ganzen Welt in die fränkische Stadt am Roten Main zu locken, in diesem Jahr sogar erstmals ohne Corona-Beschränkungen und mit voller Platzkapazität. Die Veranstaltungen stehen dabei ganz im Zeichen der römischen Oper.

Das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth von außen (© Achim Bunz - Bayerische Schlösserverwaltung)

Den Anfang macht am 7. September 2022 um 16.00 Uhr im Markgräflichen Opernhaus die Neuinszenierung von Leonardo Vincis Alessandro nell' Indie in der Regie vom Festivalleiter höchstpersönlich. Die Oper über den Indienfeldzug Alexander des Großen ist erstmals seit beinahe 300 Jahren wieder vollständig und dabei nahezu uraufführungsgetreu zu hören. Da Frauen im damaligen Kirchenstaat ein Auftrittsverbot hatten, wurden alle Partien von Männern interpretiert, und Cencic hat die Crème de la Crème der Countertenor-Szene engagiert, um zumindest musikalisch eine gewisse Werktreue zu wahren. So sind in dieser Produktion Franco Fagioli als Poro, Bruno de Sá als Cleofide, Jake Arditti als Erissena und Nicholas Tamagna als Timagene zu erleben. Die Titelpartie wird von Maayan Licht interpretiert. Beim Orchester wird die Männerbesetzung allerdings nicht durchgehalten. Martyna Pastuszka übernimmt die musikalische Leitung des {oh!} Orkiestra, das als Residenzorchester das diesjährige Festival begleitet. (Weitere Termine: 9. September 2022 um 18.00 Uhr und 11. September 2022 um 15.00 Uhr)

Neben der szenischen Opernproduktion gibt es drei weitere theatralisch-konzertante Aufführungen. Den Anfang macht am 14. September 2022 um 19.30 Uhr in der Stadtkirche Bayreuth das Oratorium San Giovanni Battista von Alessandro Stradella, das nach dem Vorbild der Uraufführung ebenfalls in reiner Männerbesetzung als "Kerzenlicht-Konzert" gespielt wird. Cencic schlüpft dabei in die Titelrolle von Johannes dem Täufer, der in Stradellas Fassung nicht aufgrund eines verführerischen Schleiertanzes der Tochter der Herodias geköpft wird. Stattdessen ist es hier ihr Gesang, der König Herodes schwach werden lässt. Maayan Licht übernimmt die Partie der verführerischen Tochter der Herodias. Als Herodias und Herodes sind Jake Arditti und Sreten Manojlović zu erleben. Musikalisch begleitet wird das Konzert vom Armonia Atenea Orchester unter der Leitung von Markellos Chryssicos.

Blick in den Zuschauersaal des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth (© Feuerpfeil Verlag - Bayerische Schlösserverwaltung)

Weiter geht es am 15. September 2022 um 19.30 Uhr im Markgräflichen Opernhaus mit einer konzertanten Aufführung der Festa pastorale Il nascimento dell' Aurora von Tomaso Albinoni. Darin wird in zahlreichen Arien von Göttern und Nymphen der Geburtstag der Morgengöttin Aurora gefeiert. Zu Wort kommen hier Narea Son als Dafne, Dennis Orellana als Zeffiro, Sonja Runje als Flora, Stefan Sbonnik als Peneo und Franko Klisović als Gott Apollo. Die musikalische Leitung des {oh!} Orkiestra übernimmt Martyna Pastuszka. Den Abschluss bildet dann am 18. September 2022 um 15.00 Uhr im Markgräflichen Opernhaus die konzertante Aufführung von Giovanni Bononcinis Dramma per musica Griselda. Die Oper, die erstmals seit 1733 wieder vollständig aufgeführt wird, handelt von der nicht standesgemäßen Liebe zwischen Gualtiero, dem König von Sizilien, und der Schäferin Griselda, die vor allem vom intriganten Rambaldo bekämpft wird. Gualtiero wird zur Verlobung mit der apulischen Prinzessin Almirena gedrängt, die wiederum den Prinzen Ernesto liebt. Da die originalen Rezitative der Oper verschollen sind, hat der Komponist und Barockspezialist Dragan Karolić die Rezitative neu komponiert. Die Titelpartie übernimmt Sonja Runje. Als Gualtiero ist Max Emanuel Cencic zu erleben. Die weiteren Partien sind mit Johanna Rosa Falkinger (Almirena), Dennis Orellana (Ernesto) und Sreten Manojlović (Rambaldo) besetzt. Die musikalische Leitung des Wrocław Baroque Orchestra liegt in den Händen von Benjamin Bayl.

Des Weiteren gibt es zahlreiche weitere Konzerte im Markgräflichen Opernhaus, in der Stadtkirche Bayreuth, in der Odenskirche St. Georgen, in der Schlosskirche Bayreuth und im Sonnentempel der Orangerie in der Eremitage. Zu erwähnen sind hier beispielsweise:
- die Sopranistin Jeanine de Bique mit Arien von Georg Friedrich Händel, Carl Heinrich Graun, Leonardo Vinci und anderen am 8. September 2022 um 19.30 Uhr im Markgräflichen Opernhaus,
- Max Emanuel Cencics 40-jähriges Bühnenjubiläum mit Arien von Georg Friedrich Händel für Senesino am 10. September 2022 um 19.30 Uhr im Markgräflichen Opernhaus,
- Emmanuelle de Negri mit Songs und Arien des "Orpheus Britannicus" Henry Purcell am 16. September 2022 um 15.00 Uhr in der Schlosskirche Bayreuth,,
- das Programm Roma Travestita mit dem Sopranisten Bruno de Sá am 16. September 2022 um 19.30 Uhr im Markgräflichen Opernhaus und
- Julia Lezhneva mit Opernarien von Nicola Antonio Porpora am 17. September 2022 um 19.30 Uhr im Markgräflichen Opernhaus.

Das komplette Programm finden Sie hier.