Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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46. Tage Alter Musik in Herne10.11.2022 - 13.11.2022 L'Huomo Festa teatrale in einem Akt Libretto von Lugi Maria Stampiglia nach Wilhelmine von Bayreuths L'Homme Musik von Andrea Bernasconi In italienischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause) Konzertante Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 12. November 2022 |
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Barocker Glanz aus Bayreuth Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost / WDR Wilhelmine von Bayreuth, die älteste Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. von Preußen, ist heutzutage vor allem noch durch das von ihr initiierte Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth bekannt, das nach ihrer Heirat mit dem Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth dort errichtet wurde und seit 2012 zum Weltkulturerbe zählt. Mit zahlreichen Opernaufführungen verlieh sie der Stadt schon musikalischen Glanz, bevor Richard Wagner mit seinem Festspielhaus den Grundstein für das alljährliche Pilgern in die Stadt in Oberfranken setzte. Dabei war sie nicht nur als Kunstmäzenin und Opernintendantin tätig, sondern komponierte auch selbst Opern und verfasste Libretti, die sie von anderen Komponisten vertonen ließ. So entstand auch 1754 anlässlich eines Besuchs ihres Bruders Friedrich II. ein allegorisches Stück, das Wilhelmine auf Französisch unter dem Titel L'Homme verfasst hatte. Da die geplante festa teatrale allerdings auf Italienisch stattfinden sollte, ließ sie den Text von ihrem Hofdichter Luigi Stampiglia ins Italienische übersetzen und beauftragte anschließend Andrea Bernasconi, die Musik zu komponieren. Animia (Maria Ladurner) und Anemone (Philipp Mathmann) lieben einander. Erzählt wird die Geschichte von zwei menschlichen Seelen, Animia und Anemone, in denen die damaligen Zuschauer unschwer Parallelen zu Wilhelmine und ihrem Gatten erkennen konnten. Ein Buon Genio (guter Geist) und ein Cattivo Genio (böser Geist) streiten im Verlauf des Stückes um die beiden Seelen und wollen sie in ihr Reich der Tugend bzw. des Lasters führen. Amor tritt dabei in einer doppelten Gestalt auf, zum einen als Amor Ragionevole (vernünftige Liebe), zum anderen als Amor Volubile (flüchtige Liebe). Nachdem Buon Genio zunächst die Höllengeister vertrieben und für seine Tochter Negiorea (die Vernunft) einen Thron errichtet hat, erobert sich Cattivo Genio mit seinen lasterhaften Geistern den Ort zurück und versucht, Anemone und Animia zu verführen. Bei Anemone ist er auch zunächst erfolgreich und kann ihn mit Hilfe der Volusia (Wollust) verführen. Animia gibt sich wesentlich widerstandsfähiger und lässt sich nur die Eifersucht einpflanzen. Auf einen Seitensprung lässt sie sich jedoch nicht ein, auch wenn sie Anemone mit Volusia vor Augen geführt bekommt. Am Ende kann Negiorea Anemone einen Spiegel vorhalten, so dass er seine Vergehen erkennt. Doch nun glaubt er, Animias Liebe nicht mehr würdig zu sein. Erst als Animia seinen Verfehlungen großmütig vergibt, muss Cattivo Genio erkennen, dass er keine Macht mehr über das Paar hat. So kommt es zum Sieg des Guten über das Böse. Anemone (Philipp Mathmann) lässt sich von Volusia (Anna Herbst) verführen. Bei den Tagen Alter Musik in Herne wird diese festa teatrale nicht rein konzertant geboten, sondern mit einigen Requisiten sowie von mimischen und szenischen Elementen unterstützt. So wird beispielsweise beim Einzug des Buon Genio mit seinem Gefolge die Bühne mit einer Girlande geschmückt. Die schlafenden Animia und Anemone erhalten ein weißes Band und einen Blumenkranz. Mit dem Auftritt von Cattivo Genio wird diese Harmonie zerstört. Die weißen Bänder werden durch lilafarbene ersetzt, die für das Laster stehen und der Blumenkranz ausgetauscht. Bei Animia gelingt das allerdings nicht. Amor trägt als flüchtige Liebe große Engelsflügel auf dem Rücken und tritt als vernünftige Liebe mit einem Herzen auf der Stirn auf. Buon Genio und Cattivo Genio lassen sich in einem weißen Gewand bzw. dunklen Anzug auch optisch gut zuordnen. Auch wenn die Solist*innen größtenteils vom Blatt absingen, setzen sie den gesungenen Text mit barocker mimischer und szenischer Gestaltung um, die Nils Niemann mit ihnen einstudiert hat. Musikalisch bietet das Stück Barock vom Feinsten, wobei besonders die Accompagnato-Rezitative aufhorchen lassen, die die Dramatik des Werkes unterstreichen. Leider kann Alice Lackner die Partie der Negiorea nicht singen, was die Produktion vor ein paar Probleme stellt, da die Rolle inhaltlich nicht einfach weggelassen werden kann und man natürlich bei so einem selten gespielten Stück keinen Ersatz parat hat. Für die Aufführung in Herne hat man sich Folgendes einfallen lassen. Die Rezitative werden von Maria Ladurner und Johanna Falkinger übernommen. Die Singstimme bei den Arien wird von den Bläser*innen des Ensembles 1700 gespielt. Da Texthefte ausliegen, kann man während der Arie nachlesen, was Negiorea hier jeweils gesungen hätte. Lackner versucht, mit intensiver szenischer Darstellung dieses Manko auszugleichen. So lässt sich das Werk weiterhin gut nachvollziehen. Sieg des Buon Genio (Francesca Benitez) über den Cattivo Genio (Florian Götz, ganz rechts) (auf der linken Seite von links: Negiorea (Alice Lackner), Animia (Maria Ladurner), Anemone (Philipp Mathmann), auf der rechten Seite von links: Incosia (Johanna Falkinger), Volusia (Anna Herbst) und Amor (Simon Bode), dahinter Dorothee Oberlinger mit dem Ensemble 1700) Die Partien sind allesamt gut besetzt. Da ist zunächst das Liebespaar Animia und Anemone zu nennen. Maria Ladurner begeistert als Animia mit leuchtendem Sopran und strahlenden Koloraturen. Einen Höhepunkt stellt ihre Arie "Fuggi, da me t'invola" in der 15. Szene dar, in der sie sich der flüchtigen Liebe kampfbereit entgegenstellt. Hier punktet Ladurner mit flexiblen und halsbrecherischen Läufen und macht deutlich, dass die Laster bei dieser Frau keine Chance haben. Philipp Mathmann verfügt als Anemone über einen weichen Sopran, der den Wankelmut des jungen Mannes betont. In seinem kurzen Arioso "Sine al respiro estremo" in der 14. Szene, in dem er sich der Volusia hingibt, wechselt er zwischen Kopf- und Bruststimme. Francesca Benitez verfügt als Buon Genio über strahlende Höhen, die die Reinheit der Figur unterstreichen. Für den Buon Genio hat auch Wilhelmine von Bayreuth zwei Kompositionen in das Stück eingefügt. Florian Götz gestaltet den Cattivo Genio mit dunklem Bariton. Simon Bode, Anna Herbst und Johanna Falkinger runden als Amor, Volusia und Incosia sowie als Chor der Geister das Ensemble wunderbar ab. Das Ensemble 1700 unter der Leitung von Dorothee Oberlinger punktet nicht nur mit absolut präzisem Spiel, sondern darf auch noch als Chor der Höllengeister in einer kurzen Szene sängerisch tätig werden. Oberlinger führt mit gewohnt souveräner Hand durch die Partitur und arbeitet die unterschiedlichen Nuancen differenziert heraus. Am Ende greift sie dann auch noch selbst zur Blockflöte. Normalerweise gibt es bei konzertanten Opern keine Zugabe, aber wegen des großen Applauses lassen sich das Orchester und die Solist*innen verleiten, den Schlusschor am Ende noch ein zweites Mal zu präsentieren. FAZIT Auch wenn die Handlung mit den allegorischen Figuren reichlich abstrakt ist, bietet Bernasconis Musik barocken Glanz vom Feinsten, der vom Ensemble 1700 unter der Leitung von Dorothee Oberlinger und den Solist*innen wunderbar umgesetzt wird. |
ProduktionsteamMusikalische Leitung und Blockflöte Mimische und szenische Gestaltung Ensemble 1700
Solistinnen und SolistenAnemone Animia
Buon Genio Cattivo Genio Negiorea Amor Volusia Incosia
Weitere |
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