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Rossini Opera Festival

Pesaro
09.08.2022 - 21.08.2022


Le Comte Ory

Oper in zwei Akten
Libretto von Eugène Scribe und Charles-Gaspard Delestre-Poirson
Musik von Gioachino Rossini

In französischer Sprache mit italienischen, französischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Teatro Communale di Bologna

Premiere in der Vitifrigo Arena in Pesaro am 9. August 2022
(rezensierte Aufführung: Derniere am 19.08.2022)


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Rossini Opera Festival

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Im Garten der Lüste

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Rossinis 1828 uraufgeführte Oper Le Comte Ory ist die erste originär französische Oper des Schwans von Pesaro. Die beiden vorherigen Werke in französischer Sprache, Le siège de Corinthe und Moïse et Pharaon, sind genau genommen nur Überarbeitungen seiner italienischen Opern Maometto II. und Mosè in Egitto. Doch auch beim Comte Ory lässt sich darüber streiten, ob diese komische Oper wirklich als originär bezeichnet werden kann, da ein Großteil der Musik aus der drei Jahre zuvor komponierten Cantata scenica Il viaggio a Reims stammt, einem "Gelegenheitswerk", das er für die Krönungsfeierlichkeiten von Karl X. kreiert hatte, aufgrund des Sujets jedoch nicht für repertoiretauglich erachtete, so dass er es nach bereits vier Aufführungen vom Spielplan nahm. Im Gegensatz zu den anderen beiden Opern hat die Handlung von Le Comte Ory jedoch gar nichts mit der Geschichte in Il viaggio a Reims zu tun. Auch grenzt es eigentlich an ein Wunder, dass Le Comte Ory überhaupt an der Opéra zur Uraufführung kam. Zum einen ist der Stoff höchst pikant, so dass eine Genehmigung durch die Zensurbehörde höchst fraglich schien. Zum anderen war die Opéra eigentlich dem ernsten Metier verpflichtet, so dass eine komische Oper hier fast wie ein Fremdkörper wirken musste. Dennoch wurde das Stück ein Riesenerfolg, wohl nicht zuletzt wegen der großartigen Musik, die Rossinis kompositorische Genialität in voller Blüte zeigt. Drei Jahre später ging bereits die 100. Vorstellung über die Bühne, und bis 1884 hielt sich das Stück mit fast 500 Aufführungen im Repertoire. Eugène Scribe, der bei der Uraufführung noch nicht an einen derart überwältigenden Erfolg geglaubt hatte und deshalb nicht als Librettist genannt werden wollte, änderte daraufhin sehr schnell seine Meinung und ließ seinen Namen noch nachträglich unter das Textbuch setzen.

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Der als Eremit verkleidete Comte Ory (Juan Diego Flórez, Mitte) begeistert das Volk (links vorne: Raimbaud (Andrzej Filonczyk), Mitte von links: Ragonde (Monica Bacelli) und Alice (Anna-Doris Capitelli) mit dem Chor).

Die Geschichte geht zurück auf die alte Ballade des Grafen Ory, eines adeligen Schürzenjägers, der sich mit seinen Kumpanen Zutritt zu einem Frauenkloster verschafft, indem sich alle als Nonnen verkleiden. Neun Monate später sollen dann zahlreiche Frauen im Kloster einen kleinen Ritter zur Welt gebracht haben. Scribe hatte zusammen mit Charles-Gaspard Delestre-Poirson 1816 dieses Thema zu einem Vaudeville verarbeitet, das unter anderem bereits 1819 von Carl Borromäus von Miltiz in Berlin vertont wurde. Aus den Nonnen wurden dabei eine Gräfin und ihre Edeldamen, die bis zur Rückkehr ihrer sich auf Kreuzzügen befindenden Ehemänner Keuschheit gelobt hatten. Ory und seine Gefährten verkleiden sich hier als Pilgerinnen, um Zutritt zum Schloss zu erhalten. Anders als in der Ballade können die Frauen das Ehegelübde halten, zum einen, weil der Page Isolier die Gräfin beschützt, zum anderen, weil die Kreuzritter in derselben Nacht zurückkehren und Ory und seinen Männern folglich nur noch die Flucht bleibt. Rossini erweiterte dieses einaktige Stück um eine Vorgeschichte, in der sich der Graf als weiser Eremit verkleidet, um sich die Sorgen und Wünsche der jungen Mädchen anzuhören. Der verwitweten Gräfin, die er erobern will, rät er, ihre Liebessehnsucht nicht weiter zu unterdrücken, hat dabei allerdings nicht damit gerechnet, dass ihr Verlangen seinem Pagen Isolier gilt. So kommt es in der Nacht vor der Rückkehr der Kreuzritter im Schlafgemach der Gräfin zu einer pikanten Ménage à trois, bei der der Graf seinen Pagen für die Gräfin hält, während diese sich mit Isolier vergnügt, der nach der Flucht von Ory und seinen Männern im Schloss bleiben und auf eine "Belohnung" hoffen darf.

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Der Comte Ory (Juan Diego Flórez, links) und sein Page Isolier (Maria Kataeva, rechts) begehren beide die Comtesse Adèle (Julie Fuchs).

Hugo de Ana, der neben der Regie auch für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich zeichnet, hat sich bei der Inszenierung von einem Gemälde des niederländischen Malers Hieronymus Bosch inspirieren lassen: Der Garten der Lüste. In diesem Triptychon sieht de Ana scheinbar eine Parallele zum Konflikt zwischen der von der Gräfin postulierten Keuschheit und den sexuellen Lüsten des Grafen. Der linke Flügel des Triptychons hängt während des musikalischen Vorspiels schräg über der Bühne und fungiert später neben dem oberen Teil des Hauptgemäldes auch als Rückwand. Die Jesus-Figur, die im unteren Teil des linken Flügels die Hand der nackten Eva ergreift, kann als Anspielung auf Ory in der Verkleidung des Eremiten verstanden werden, der die Frauen verführen möchten. Kleine Teufelshörner auf seiner weißen Perücke, die Ory als Eremit trägt, deuten genauso seine wahren Absichten an wie das feuerrote Kostüm, das er unter seiner grauen Kutte trägt und das er offen zeigt, nachdem er als Comte Ory am Ende des ersten Aktes enttarnt worden ist. Weitere Elemente des Triptychons sind im Bühnenbild nachgebaut wie beispielsweise eine helle Figur aus dem rechten Flügel, der Hölle, die als Mischung aus Baum und Mensch mit einem an ein Ei erinnernden Körper auf zwei kleinen Booten fußt und auf dem Kopf verschiedene Fabelwesen trägt. Das ist optisch alles sehr nett anzusehen, führt aber trotzdem ein wenig zur Verwirrung, da es von der eigentlichen Geschichte ablenkt. So wird auch nicht klar, wieso beim großen Finale am Ende des ersten Aktes plötzlich grüne Dinosaurier auftreten, die vom Volk niedergestochen werden.

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Ménage à trois im Schlafgemach: Comtesse Adèle (Julie Fuchs) und Comte Ory (Juan Diego Flórez) mit Isolier (Maria Kataeva, im Hintergrund)

Das Ansinnen Isoliers wird von de Ana keineswegs positiver gesehen als die Absichten des Grafen. So lässt de Ana den Pagen, der mit dem Hauslehrer des Grafen, dem Gouverneur, auf der Suche nach Ory ist, mit einem feuerroten Teufel auftreten. Isolier ist in seinem Verlangen nach seiner Cousine, der Gräfin, folglich genauso unkeusch wie der Graf. Der Auftritt der Gräfin hingegen wird von zwei Engeln begleitet, die mit ihren Weihrauchgefäßen die bösen Geister vertreiben wollen. Im zweiten Akt tritt dann die Schlosswächterin Ragonde in feuerrotem Kostüm auf, um ihre Wollust zu unterstreichen. Wieso die Gräfin zu Beginn des zweiten Aktes mit ihren Damen Sport mit Gymnastikbällen, Reifen und Matten treibt, bleibt genauso unklar wie der Auftritt der zahlreichen Vögel, die vor den als Nonnen verkleideten Gefährten des Grafen das Schloss betreten. Zwei Vögel bevölkern auch das als schräger Kubus angedeutete Bett der Gräfin, in dem es zu der pikanten Ménage à trois zwischen Ory, der Gräfin und Isolier kommt. Ein kleiner Vogel sitzt auf dem Rücken einer Ente, die gewissermaßen erschöpft auf dem Boden liegt. Mit Dunkelheit wird in dieser Szene nicht gespielt. Das Licht bleibt an, so dass der Graf eigentlich in jedem Moment erkennen müsste, dass sich neben der Gräfin ein weiterer Besucher im Schlafgemach befindet. Aber das scheint bei dem Liebesspiel niemanden so recht zu stören. Wenn dann die Szene von den plötzlich zurückkehrenden Kreuzrittern unterbrochen wird und dem Grafen mit seinen Gefährten nur noch die Flucht bleibt, tritt die Gräfin in einem leicht gefiederten Kostüm auf, das sie selbst fast wie einen Vogel erscheinen lässt. Wieso die Kreuzritter dann in Unterwäsche einen Blechtrichter auf dem Kopf und eine Autofelge als Schutzschild tragen, mag eine Veralberung des Kreuzzuges sein. Ansonsten erschließt sich die Schlussszene nicht.

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Der Comte Ory (Juan Diego Flórez)

Musikalisch ist die Aufführung ein Hochgenuss. Die Titelpartie stellt eine Paraderolle für den Startenor Juan Diego Flórez dar. Mit großem Spielwitz und hervorragend gespielter Eitelkeit mimt er einen Schwerenöter, wie er im Buche steht, und bleibt dabei aber immer auf eine gewisse Art charmant. Von großartiger Komik zeugt der Moment, wenn er mit zwei Tafeln als Eremit auftritt, die ihn mit der leuchtenden Schrift wie Moses erscheinen lassen, der mit den zehn Geboten zum Volk zurückgekehrt ist. Musikalisch glänzt er mit stupenden Spitzentönen und sauberen Bögen und überzeugt als verkleidete Nonne auch mit viel Komik beim Gebet im Falsett. Zu erwähnen ist seine große Arie "Que les destins prospères", mit der er die Herzen der jungen Bauernmädchen höher schlägen lässt, die sich anschließend in Einkaufswagen in seine Grotte fahren lassen. Mit Andrzej Filonczyk steht ihm als Raimbaud ein kongenialer Gefährte zur Seite, der mit leichtem Buffo-Bariton begeistert. Ein musikalischer Glanzpunkt ist Raimbauds Weinarie im zweiten Akt, in der er in schillerndsten Farben die Entdeckungen des Kellers beschreibt, die aus dem spartanischen Mahl, das die Damen den Nonnen angeboten haben, ein prachtvolles Gelage machen.

Auch die Partie der Comtesse Adèle ist mit Julie Fuchs großartig besetzt. Direkt in ihrer Auftrittsarie "En proie à la tristesse", in der sie ihre Schwermut beklagt, glänzt Fuchs mit strahlenden Höhen und leicht fließenden Koloraturen. Dabei wird im zweiten Teil durch Fuchs' Interpretation schnell deutlich, dass die Gräfin keineswegs so keusch ist, wie sie sich gibt, sondern sich nach ihrem Cousin Isolier sehnt. Maria Kataeva begeistert in der Hosenrolle als Isolier mit sattem Mezzosopran und wunderbarem Spiel. Wenn sie als Page dem vermeintlichen Eremiten Isoliers Liebesleid beichtet und sich dabei das Geld förmlich aus der Tasche ziehen lässt, wirkt Kataeva noch jugendlich naiv. Doch wenn sie den Grafen als Isoliers Rivalen um die Gunst der Gräfin erkannt hat, zieht sie geschickt die Fäden. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist das Terzett zwischen Flórez, Fuchs und Kataeva, bei dem die drei sich im Schlafgemach vergnügen, was vom Publikum mit nicht enden wollendem Applaus belohnt wird. Nahuel di Piero gestaltet den Gouverneur mit markanten Tiefen und beweglicher Stimmführung, wenn er in seiner Arie "Veiller sans cesse" den Sorgen um den Verbleib seines Zöglings Ory glaubhaft Ausdruck verleiht, zeigt aber im zweiten Akt als verkleidete Nonne, dass er den weltlichen Gelüsten gegenüber ebenfalls nicht ganz abgeneigt ist. Monica Bacelli stattet die Partie der Ragonde mit satten Tiefen und großartiger Komik aus. Der von Giovanni Farina einstudierte Chor überzeugt durch homogenen Klang und große Spielfreude. Diego Matheuz zaubert mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai einen frischen Rossini-Sound aus dem Graben, so dass es für alle Beteiligten am Ende zu Recht großen Jubel gibt.

FAZIT

Musikalisch bietet der Abend puren Rossini-Genuss. Szenisch passiert sehr viel auf der Bühne, wobei nicht immer alles nachvollziehbar ist.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Diego Matheuz

Regie, Bühnenbild und Kostüme
Hugo de Ana

Licht
Valerio Alfieri

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai


Solistinnen und Solisten

Le Comte Ory
Juan Diego Flórez

Raimbaud
Andrzej Filonczyk

Le Gouverneur
Nahuel di Piero

La Comtesse Adèle
Julie Fuchs

Dame Ragonde
Monica Bacelli

Isolier
Maria Kataeva

Alice
Anna-Doris Capitelli

 


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