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Geister der VergangenheitVon Thomas Molke / Fotos: © Padraig Grant
Henry James (Thomas Birch) in seinem
Arbeitszimmer
Basis ist die gleichnamige Novelle von Tóibín über den Schriftsteller Henry
James, die 2004 erschien und mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet worden
ist. Eine zentrale Figur in der Oper ist dabei Constance Fenimore Woolson, über
deren Beziehung zu Henry James viel spekuliert worden ist. Zu Beginn kehrt sie
als Geist von den Toten zurück und begleitet James auf seinem Weg durch die
letzten Jahre des 19. Jahrhunderts, in denen er nach dem großen Misserfolg mit
seinem Theaterstück Guy Domville auf der Suche nach seiner eigenen
Bestimmung und seiner Sexualität ist. Dabei versucht sie ständig, ihm Ratschläge
zu geben und ihn vor falschen Entscheidungen zu warnen, ohne aber wirklich
Einfluss auf seine Handlungen nehmen zu können. Am Ende kehrt sie zurück zu den
Toten, wobei sie sich selbst nicht mehr erinnern kann, wie sie gestorben ist,
und James ihr von ihrem rätselhaften Sturz aus dem vierten Stock ihres
Apartments in Venedig berichtet, wobei nur gemutmaßt werden kann, ob sie sich
aufgrund ihrer Depressionen selbst das Leben genommen oder ob es sich um einen
tragischen Unfall gehandelt hat. James bleibt am Ende unentschlossen zurück und
ist in seinen zahlreichen Fragen scheinbar keinen Schritt weitergekommen, so
dass er sich wieder in die Arbeit stürzt, die er als einzige Bestimmung für sich
findet.
Zurückgekehrt von den Toten: Constance Fenimore
Woolson (Annabella-Vesela Ellis)
Da das Werk mit den zahlreichen Erinnerungen eigentlich nur eine Innenschau des
Schriftstellers ist, bietet sich der intime Rahmen im Jerome Hynes Theatre für
eine Produktion hervorragend an. Das Ensemble tritt in historisierenden Kostümen
auf, für die Lisa Krugel verantwortlich zeichnet, und nimmt auch selbst die
Umbauten auf der Bühne vor, die fließend von einer Erinnerung in die nächste
übergehen. Am Anfang sieht man James hinter einem Schreibtisch in einem roten
Morgenmantel, wie er überlegt, alte Briefe zu verbrennen. Dann tritt Constance
auf und macht sich durch ein Buch bemerkbar, das sie vom Tisch wirft. James
spürt, dass jemand im Raum ist, ohne Constance genau verorten zu können. Das
hält er natürlich vor seinem dominanten älteren Bruder William und dessen Frau
geheim, die von dem Lärm im Arbeitszimmer geweckt worden sind. Im Anschluss
beginnt die Reise zu verschiedenen Stationen, auf die er sich mit Constance
begibt. Dabei bleiben auch humorvolle Momente nicht aus. Wenn er selbst
Zuschauer einer Aufführung seines Theaterstückes Guy Domville wird und
durch die übertriebene Darstellung einer Schauspielerin erkennt, warum das Werk
mit den Erfolgen eines Oscar Wilde, der in den benachbarten Theatern mit großem
Erfolg gespielt wird, nicht mithalten kann. Constance versetzt ihm dabei noch
einen weiteren Schlag, wenn sie ihm erklärt, dass seine Texte teilweise noch
schlechter als die Darbietung seien.
Henry James (Thomas Birch, hinten) und Oliver
Wendell Holmes Jr (James Wafer, vorne)
Die Beschäftigung mit Oscar Wilde führt dann auch zu James' Hinterfragung seiner
eigenen sexuellen Orientierung. Constance, die sich wahrscheinlich zeitlebens
mehr als eine platonische Beziehung zu James gewünscht hat, warnt ihn davor, die
gleichen Fehler wie Oscar Wilde zu machen. Die Gesellschaft wird hier nicht nur
als absolut intolerant gezeichnet, sondern scheint auch noch Vergnügen zu haben,
den Schriftsteller einer Prüfung zu unterziehen. So gibt die selbstgefällige
Lady Louisa Wolseley ihrem Kammerdiener Hammond den Auftrag, James des Nachts in
seinem Schlafzimmer "zu testen". Eindringlich wird anschließend eine Szene
geschildert, in der James mit seinem alten College-Freund Oliver Wendell Holmes
Jr ein Zimmer mit nur einem Bett teilt. Dabei wird Oliver von dem gleichen
Sänger dargestellt, der schon als Diener zuvor des Nachts James betreut hat.
Auch wenn die Nacht zwischen den beiden Männern harmlos verläuft, lässt sich im
intensiven Spiel der beiden Männer nicht leugnen, dass eine gewisse Spannung in
der Luft liegt. Alberto Caruso, der den Text in Musik gesetzt hat, begleitet die
Szenen eindrucksvoll am Klavier und unterstreicht mit feinsinnigem Spiel die
Intimität des Stückes. Auch wenn die Musik sehr tonal gehalten ist, hat sie aber
doch an einigen Stellen einige Längen und trägt nicht über die ganzen knappen
110
Minuten, die das Stück dauert.
Die Solistinnen und Solisten überzeugen stimmlich und darstellerisch sowohl als
Ensemble als auch in den einzelnen Partien. Da ist zunächst Thomas Birch als
Henry James zu nennen, der die innere Zerrissenheit des Schriftstellers
glaubhaft transportiert und mit solidem Tenor punktet. Annabella-Vesela Ellis
stattet die Partie der Constance Fenimore Woolson mit warmem Mezzosopran aus und
ist eigentlich die überlegene Figur, bis die beiden auf Constances mysteriösen
Tod zu sprechen kommen. Da wird Constance schließlich gebrochen, was von Ellis
glaubhaft dargestellt wird. Hervorzuheben ist auch James Wafer als Oliver
Wendell Holmes Jr, der die Partie mit virilem Bariton ausstattet und in der
Bettszene heftig gegen seine eigenen Gefühle anzukämpfen hat. Isabel Araujo
glänzt als neurotische kranke Schwester Anna, die ihren Bruder James mit ihrer
fordernden Liebe wahnsinnig einengt und dabei mit kraftvollem Sopran glänzt.
Emma Walsh begeistert als Schauspielerin Maude Howe Elliott mit exaltiertem
Sopran und humorvollem Spiel. So gibt es am Ende großen Applaus für alle
Beteiligten, in den sich neben dem Regie-Team auch der Komponist und der
Librettist einreihen können, was für heutige Opernvorstellungen schon einen
Seltenheitswert besitzt.
FAZIT
Szenisch ist die Umsetzung dieser Kammeroper gelungen, auch wenn es inhaltlich
hilfreich ist, wenn man genauere Kenntnisse über Henry James und sein Leben hat.
Musikalisch fängt Caruso die Intimität der Geschichte bewegend ein, hat aber an
einigen Stellen Längen.
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Wexford Festival Opera 2022 |
ProduktionsteamMusikalische Leitung und PianoAlberto Caruso Inszenierung Bühne und Kostüme Licht
Solistinnen und SolistenHenry James
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- Fine -