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Musikfestspiele
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Festival d'Aix-en-Provence 2023

Cosí fan tutte

Oper in zwei Akten (1827)
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


In italienischer Sprache mit französischen und englischen Übertiteln
Aufführungsdauer: 3h (eine Pause)

Neuproduktion des Festivals Aix-en-Provence, Koproduktion mit dem Théâtre du Châtelet, Les Théâtre de la Ville de Luxembourg, Festspielhaus Baden-Baden
Premiere am 6. Juli 2023, Théâtre de l'Archevêché, Festspiele Aix-en-Provence


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Festival Aix en Provence
(Homepage)

Eine Einladung mit Risiken und Nachwirkungen

Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus

Dmitri Tcherniakov gehört zu den vielbeschäftigten Russen. Auch in Aix-en-Provence hat er schon einmal begeistert. 2017 hatte er im Grande Théâtre de Provence ausgerechnet Carmen in ein Sanatorium für Menschen mit psychischen Auffälligkeiten, also die ganze Geschichte in ein komplett anderes Milieu verlegt als ursprünglich vorgesehen. Diesmal hat er die Ehre, genau jenes Stück zu inszenieren, mit dem die Festspielgeschichte im Théâtre de l'Achevêché 1948 begann: Mozarts und Da Pontes Così fan tutte. (Die letzte Così-Inszenierung gab es in Aix 2016.) Das Ambiente, das er sich dafür vor die Fassade des erzbischöflichen Palastes setzten ließ, ist zwar eindeutig von heute, bleibt aber ebenso eindeutig auch als Rahmen für ein Beziehungsexperiment der besonderen Art erkennbar. Es ist ein nobles Domizil mit einem frei schwebenden Kamin, einem großen Esstisch, Designer-Mobiliar und großen Glasschiebetüren zu zwei Schlafzimmern im linken Teil der Bühne sowie einem kleinen Korridor und einer schmalen Treppe in die nicht einsehbare obere Etage.

Foto kommt später

Zu Beginn des Wochenendes mit Kick einen Aperitif!

Hier treffen drei Paare aufeinander, deren Auswahl die Weichen für die Interpretation stellt. Von den sechs Protagonisten könnte höchstens der Don Alfonso auch in einer herkömmlichen Inszenierung den Strippenzieher jener Wette auf die Treue ihrer Frauen abgeben, mit der die beiden frisch verliebten Männer Ferrando und Guglielmo zu der absurden Maskerade verleitet, um beim so eingefädelten Partnertausch mehr über das Spiel der Gefühle der Herzen bzw. des Begehrens zu erfahren, als ihnen lieb ist. Bei Tcherniakov sind die drei Paare aber nicht nur zufällig, sondern, ganz bewusst entgegen der Tradition, mit gestandenen, durchweg erfahrenen Sängern besetzt. Die lässt die Regie dann regelrecht von der Leine und schickte sie auf einen Selbsterkundungspfad, der nicht nur für zwischenmenschliche Beziehungen tödlich enden kann. Das von Beginn an (hier) seltsam unheimliche Paar Alfonso und Despina hat zwei Paare zu einem Wochenende mit Partnertausch geladen.


Vergrößerung in neuem Fenster Alfonso und Despina - das besondere Paar

Da Georg Nigl diesen Alfonso gibt (so wie er das spielt, ist es mehr eine sehr eigene Version davon) und Nicole Chevalier die Despina mit all dieser großartigen Sängerin auch darstellerisch zur Verfügung stehenden Intensität verkörpert, sind die Gewichte des Personaltableaus schon von daher anders als gewöhnlich verteilt. Agneta Eichenholz ist eine Fiordiligi, die im direkten und übertragenen Sinn die Hosen anhat. Bei ihr wird die "Felsen"-Arie zu einem Appell an alle, die bestehenden Regeln einzuhalten und das laufende Experiment abzubrechen. Was dann natürlich nicht passiert, sondern eher wie zusätzlicher Treibstoff wirkt.

Foto kommt später

Die beiden Paare in der „neuen“ Kombination

Claudia Mahnke, die längst in ganz anderen Gefilden unterwegs ist, gibt glaubwürdig die etwas verspieltere Dorabella. Auch Rainer Trost als Ferrando und Russell Braun als Guglielmo spielen nicht unter ihrem eigenen Alter, sondern setzen bewusst ihre Lebens- und auch Rollenerfahrung ein, so dass das Experiment mit höchstem Risiko zwar anders als gewohnt verläuft, aber die Spannung eines Psychokrimis hat. Bei diesem Zugang werden all die oft albernen Zutaten - von der Wette unter den Männern, von der die Frauen nichts wissen, über den ja nie wirklich gelingenden Verkleidungszirkus der Männer bis zum Auftritt Despinas als einer krächzenden falschen Ärztin und Notarin - überflüssig. Am Tisch dieses Hauses spielt man in der Beziehung von Anfang an mit offenen Karten. Und in den Schlafzimmern dann hinter geschlossenen Vorhängen.


Vergrößerung in neuem Fenster Der Gastgeber bedrängt seine Gäste

Wie nicht anders zu erwarten, entgleitet das Experiment der Selbstbefragung und -erkenntnis zwangsläufig immer mehr. Am Ende kommt Despina mit geladenem Gewehr, man zwingt seine Gäste, die jetzt verschüchtert und im Bademantel keine Chance zum Entkommen mehr haben, zu einem Bäumchen-wechsle-dich, bis Despina auf Alfonso zielt und abdrückt. Da ist dann das Desaster allgemein, die vermeintlichen (Beziehungs-)Gewissheiten der Paare gänzlich zerbrochen. Alle Beteiligten liegen am Boden und man weiß nicht, wieviel Patronen Despina noch hat, wenn sie auch noch auf die anderen zielt, denn da ist der Vorhang gefallen.

Auch wenn es keine Nummernshow mit Szenenapplaus für jeden der Protagonisten wurde, so gelang es dem mozarterfahrenen Thomas Hengelbrock und seinem Balthasar Neumann Orchester auch im Graben musikalisch die Spannung zu halten


FAZIT
Was Tcherniakov und Hengelbrock ablieferten hatte es in sich - auch wenn das nicht jedem gefiel.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thomas Hengelbrock

Inszenierung und Bühne
Dmitri Tcherniakov

Kostüme
Elena Zaytseva

Licht
Gleb Filshtinsky

Chor
Detlef Bratschke



Balthasar-Neumann-Chor

Balthasar-Neumann-Orchester


Solisten

Fiordiligi
Agneta Eichenholz

Dorabella
Claudia Mahnke

Ferrando
Rainer Trost

Guglielmo
Russell Braun

Don Alfonso
Georg Nigl

Despina
Nicole Chevalier


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